Wenn Bücher nur noch Beiwerk sind

Von Jörg Plath |
Ein US-Finanzinvestor übernimmt den Douglas-Konzern, zu dem auch die Thalia-Kette gehört. Deren Filialen werden sich damit vermutlich noch stärker zu Warenhäusern entwickeln, in denen alles mögliche verkauft wird - und Bücher nur noch Beiwerk sind. Ein Kommentar von Jörg Plath.
Die US-Investorgruppe Advent übernimmt den Douglas-Konzern, dem der zweitgrößte* deutsche, österreichische und Schweizer Buchhändler Thalia gehört. Internationales Kapital im deutschen Bucheinzelhandel ist, seit sich das französische Kulturkaufhaus nach Jahren wieder aus Deutschland zurückzog, ein Novum. Die Internationalisierung des bisher durch Sprache und Gebräuche ziemlich abgeschotteten Marktes hat begonnen, und sie wird gravierende Folgen haben.

Schon Thalias rapider Aufstieg zum Marktführer in den letzten elf Jahren wirbelte die Branche durcheinander. Der Douglas-Konzern finanzierte die Expansion Thalias mit den Erlösen aus dem Verkauf von Parfüms in der Sparte Douglas, von Schmuck bei Christ, von Süßwaren bei Hussel und von Mode bei Appelrath Cüpper. Viele unabhängige Buchhandlungen wurden aufgekauft oder in den Ruin getrieben. Nun steckt Thalia selbst in Schwierigkeiten. Die Umsatzmilliarde ist in weite Ferne gerückt, und für den Umbau vor allem dieses Unternehmens braucht die Inhaberfamilie Kreke Geld. Sie hat seit knapp einem Jahr mit Investoren verhandelt, um den Douglas-Konzern von der Börse nehmen zu können und zwei Großaktionäre auszuzahlen. Das ist nun gelungen, und die Familie Kreke hat ihre Stellung zudem gefestigt.

Die neuen Partner beteuern natürlich, die begonnene Neuausrichtung fortzusetzen. Doch wer den Konzern grundlegend umbaut, hält Kontinuität nicht für das wichtigste Ziel. Üblicherweise zerlegen Beteiligungsgesellschaften gekaufte Unternehmen, verkaufen die profitablen Teile und schließen den Rest. Das ist vorerst nicht zu befürchten: Thalia ist im Augenblick unverkäuflich, weil auch die katholische Kirche für den größten Thalia-Konkurrenten Weltbild vor einigen Monaten keinen Käufer fand.

Also wird man Thalia zunächst weiter umbauen. Die Rezepte sind bekannt: Filialen werden geschlossen oder mit noch weniger Fachpersonal geführt. Gut informierte Buchhändler sind ja auch nicht mehr nötig, weil in den Läden vermehrt Non-Books wie CDs, Filme, Computer stehen und Reisen verkauft werden. Das Buchgeschäft verlagert sich ins Netz. Thalias Buchhandelsfilialen entwickeln sich also zu Warenhäusern, vielleicht auch zu Schauräumen des Internetgeschäfts. Bücher und Verlage aber verlieren öffentliche Präsenz, Verkaufsfläche und Ansehen. Es wird Thalia-Filialen geben, in denen Bücher schmückendes Beiwerk sind – und es werden, diese Entwicklung hat bereits begonnen, anderswo überaus erlesene Orte für Buchkäufer entstehen. Die noch immer recht homogene Buchhandelslandschaft wird sich radikal ausdifferenzieren.

Thalia hat durch eine rapide Expansion, der viele unabhängige Buchhandlungen zum Opfer gefallen sind, das letzte Jahrzehnt im Buchhandel geprägt. Dass über das nächste Jahrzehnt, in das Thalia mit US-Kapital geht, Erfreulicheres zu berichten ist, möchte man gern glauben.

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* An dieser Stelle weicht die Schriftfassung des Beitrags vom Audio ab.
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