Wenn das Gesicht bebt

Von Dirk Schneider |
Alberto gilt als einer der besten Beatboxer Deutschlands. Das heißt, der 23-jährige Adoptivsohn einer Hamburger Pfarrersfamilie macht Musik mit dem Mund. Doch eigentlich ist er eine Human Beatbox. Jemand, der nicht nur mit dem Mund Rhythmen, sondern alles Mögliche nachahmen kann. Unter Jugendlichen hat er mittlerweile Kultstatus.
Alberto: "Dieses kommt erst, und wenn wir dann sagen, machst du es schneller. Ernest! Komm! Hau rein!"

Eine Schulturnhalle im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. Etwa 20 Jungs und zwei Mädchen zwischen acht und vierzehn Jahren sitzen im Halbkreis.

"Mach schneller!"

Dazwischen Albert Martin Bruhn. Der 23-jährige Schwarze überragt seine Schüler um mehrere Köpfe. Er trägt eine halblange Armeehose, Sneakers, ein schwarzes T-Shirt über der schwarz tätowierten Bodybuilderfigur. Auf dem Kopf eine Baseballkappe mit Totenkopfmotiven, im Ohr Brillantstecker, ein Geschenk seiner Freundin. Albert ist einer der besten Beatboxer Deutschlands.

Unter dem Namen Alberto hat er Kultstatus bei deutschen Jugendlichen erreicht – vor allem durch seine Videos, die auf verschiedenen Internetplattformen stehen.

Beatboxen heißt, Musik mit dem Mund zu machen. Angefangen hat Alberto damit, als er 17 war:

"Also mein allererster Beat war halt die Bass, mit den Lippen vorne, so: ’ph ph’, mit der Seite an der Wange habe ich dann die Snare gemacht: ‚ptch ptch’ und mit der Nase die Melodie, und ich hab halt Tetris zu der Zeit gespielt und hab Beat und Melodie gleichzeitig gemacht. Und darauf sind alle voll abgefahren, weil jeder Tetris halt kannte. Und so hat sich’s halt weiterentwickelt.

All dies gleichzeitig aus Alberto herauskommen zu sehen, ist noch weit erstaunlicher als es nur zu hören. Alberto nennt sich zwar Beatboxer, man könnte ihn aber eher als Human Jukebox bezeichnen: Jemand, der mit dem Mund nicht nur Rhythmen, sondern alles Mögliche nachahmen kann:

"Ich bin halt so der Typ… der Show-Beatboxer nenn ich mich halt mal."

Alberto möchte sein Publikum vor allem unterhalten. Darum versucht er auch, ein möglichst breites Spektrum an Musikstilen zu bedienen:

"Wenn ich jetzt Drum’n’bass beatboxe, dann gucken die Leute, ja okay, schön und gut, aber wenn ich jetzt von Snoop Dogg ‚Drop it like it’s hard’ mache, denken die Leute: ‚Kenn ich!’ Und fangen an zu schreien.

Ich hab den Spaß an der Sache, wenn die Leute… in der Disco zum Beispiel, wenn die Leute zu meiner Beatbox tanzen.


Alberto war schon mehrmals im Fernsehen zu Gast, unter anderem bei einer Live-Show mit dem legendären Musikproduzenten Pharrell Williams, und er ist im Vorprogramm von HipHop-Größen wie "Busta Rhymes" oder "50 Cent" aufgetreten.

Meistens reist Alberto quer durch die Republik, um in Diskotheken und bei verschiedenen Festlichkeiten zu beatboxen. Gerade war er sogar in Florida, wo er mit Geräuschimitator Michael Winslow, bekannt aus den Police-Academy-Komödien, auf der Bühne gestanden hat. Alberto freut sich immer noch über die Verblüffung, die er mit seinem Können auslöst:

"Ja, man kann die Menschen komischerweise mit Beatboxen echt noch gut beeindrucken, das ist halt ne Sache, die manche noch nicht so verstehen."

Das war natürlich auch ein Grund, weshalb sich Alberto so sehr in die Sache reingehängt hat, als siebzehnjähriger Schüler. Denn er war nicht immer der selbstbewusste, gut aussehende Strahlemann von heute:

"Ich bin Zwilling, ich hab zwei Gesichter halt, und mein Charakter hat sich in meinem Leben auch geändert. Ich war früher ein Typ in der Schule, der erst dick war, dann dünn, und mit Brille und Haare zerzaust, und Klamotten, den wirklich kein Mädchen angeguckt hat."


Alberto wurde als Sohn afrikanischer Eltern 1985 in Texas geboren. Seine Mutter kam mit ihm nach Hamburg, wurde dann aber nach Ghana abgeschoben. Alberto blieb in Deutschland. Als er vier war, hat ihn die Hamburger Pastorenfamilie Bruhn adoptiert. Im Hamburger Vorort Eidelstedt, wo er aufgewachsen ist, hat Alberto sich nicht immer nur wohl gefühlt:

"Und diese zwei Seiten, dass ich halt beides kennen gelernt habe, wie es ist wirklich der Außenseiter zu sein, für den sich gar keiner interessiert, und der sozusagen der Trottel ist in der Schule, und dann halt so der Coole zu werden, der coole Beatboxer, auf den so viele Leute halt stehen, und diese Mischung macht’s."

Weil er die Außenseiterposition kennt, macht ihm auch der Unterricht an der HipHop-Academy solchen Spaß. Für die Kinder und Jugendlichen in den Hamburger Vororten ist Alberto ein Vorbild.

"Ich freu mich über jeden, der kommt und sagt: ‚Eh, Alberto, du bist ein geiler Macker’, da freu ich mich über jeden. Aber wenn kleine Kinder kommen und sagen: ‚Ey, du bist mein Vorbild’, das ist das Beste. Selbst wenn die geilste Frau vor mir stehen würde und sagt: ‚Ey, du bist voll geil, komm lass uns mal weggehen’. Da freu ich mich mehr über das kleine Kind.