Wenn das Huhn Heimweh hat
Sie hatte schon immer einen besonderen Draht zu Vierbeinern und versucht heute, Tierbesitzern oder -ärzten zu helfen. Die Kommunikation mit Hunden, Katzen und Pferden sei nicht so schwierig, sagt Karin Müller, Buchautorin und "Tierdolmetscherin".
Ein altes Fachwerkhaus in Wettmar, ein 3000-Seelen-Dorf bei Großburgwedel. Durch ein quietschendes Gartentor betritt man das Grundstück. Rechts und links des kleinen Weges wilde Büsche, hohe Bäume spenden Schatten. Hennen laufen über den Rasen. Nur Erna wirkt etwas orientierungslos. Karin Müller hält das Huhn im Arm und versucht, Kontakt aufzunehmen:
"Ach Ernchen, du gefällst mir heute nicht, was ist los mit dir? Tut irgendetwas weh? Bist du traurig? Irgendwie hat sie Bauchweh heute."
Mit ihrer feingliedrigen Hand streicht die Tierdolmetscherin über die Federn der Henne. Erna gackert entspannt:
"Also ich habe jetzt gerade das Gefühl, dass sie Heimweh hat heute. Die ist noch nicht so lange bei uns und die anderen müssen sie auch erst noch mal in den Klub aufnehmen. Das dauert ein bisschen."
Karin Müller ist eine zierliche Frau. Ihre blonden langen Haare fallen über die Schultern. Aus grünen Augen schaut sie ihr Gegenüber fest und freundlich an. Sie trägt kein Make-up, das erste Lachfältchen überdecken würde.
Ihr Austausch mit den Tieren findet auf Gedankenebene statt. Die Kommunikation läuft zum Beispiel über Bilder im Kopf:
"Es können Bilder sein, es können innere Filme sein. Es können aber auch Gedanken im Sinn von Wort sein, dass mir ein Satz in den Sinn kommt. Es kann sein, dass ich Gefühle erlebe, dass ich Körperwahrnehmungen habe. Also es kann sein, dass ich durch einen Stall gehe und auf einmal tut mir die rechte Schulter weh, und ich weiß, eigentlich ist meine rechte Schulter in Ordnung. Dann muss ich eigentlich nur durch die Boxengasse gucken: Wem tut denn hier die Schulter weh."
Für ihre Arbeit muss Karin Müller den Tieren nicht unbedingt begegnen. Oft findet die Kontaktaufnahme aus ihrem gemütlichen Fachwerkhaus heraus statt. Braune Balken durchziehen das Wohnzimmer. In der Ecke döst Hündin Lille Pus. Auf dem Sofa liegen neben bunten Schulheften von Töchterchen Carlotta die zwei Katzen Betty und Leo. Die beiden schnurren zufrieden. Vor Karin Müller steht ein aufgeklappter Laptop.
Die Tierdolmetscherin hält das Foto von einem großen schwarzen Hund in der Hand, der etwas traurig in die Kamera schaut:
"Das ist ein Labrador. Der hat einiges auf dem Herzen. Also bei dem Hund ist es jetzt so, dass ich das ganz starke Gefühl habe, dass dem die Nierengegend schmerzt und auch bisschen dieser Lendenwirbelbereich. Irgendetwas ist gar nicht so, wie es soll."
Die 44-Jährige löst sich nur schwer von dem Foto. Als würden die Gedanken des Tieres sie noch gefangen nehmen:
"Das Foto ist für mich einfach nur die Telefonnummer von dem Tier. Zu diesem Wesen möchte ich mit meiner Aufmerksamkeit gehen. Da klinke ich mich ein, da möchte ich anrufen."
Lange war Karin Müller gar nicht bewusst, dass sie wohl eine besondere Fähigkeit besitzt. In Mainfranken wächst sie als Jüngste von drei Geschwistern mit vielen Tieren auf. Die meisten davon hat die kleine Karin selber in den Haushalt gebracht:
"Meine Eltern oder auch meine Geschwister haben mir dann immer wieder erzählt, ich hätte so einen besonderen Draht zu Tieren. Für mich war das ganz normal, dass ich wusste: So, jetzt müssen wir aber zum Tierarzt oder der Hund ist traurig oder den Meerschweinchen geht es nicht gut."
Bevor sich Karin Müller der Tierkommunikation widmet, arbeitet die studierte Kulturwissenschaftlerin und gelernte Journalistin beim Hörfunk, später bei einer Tageszeitung. Sie veröffentlicht erfolgreich Kinder- und Jugendbücher. Um die Jahrtausendwende reist sie zu den Wurzeln ihrer Familie nach Schweden. Sie verbringt ein halbes Jahr im Land ihrer Urgroßeltern. Hier trifft sie zum ersten Mal andere Tierdolmetscher. Die Begegnungen geben ihrem Leben einen neuen Impuls. Denn jetzt versteht die sensible junge Frau, dass sie mir ihrer Begabung nicht alleine ist. Sie lernt, ihre Fähigkeit einzusetzen. Erste Erfolge lassen nicht lange auf sich warten:
"Ich habe mich zum Beispiel sehr gefreut, als ein recht gut dotiertes Sportpferd durch die Kommunikation von den Besitzern die Möglichkeit bekam, jeden Tag auf die Weide zu dürfen, was vorher nicht möglich war. Ein anderes wurde dann eben doch nicht verkauft, sondern durfte bleiben und hat seine Rente bekommen. Solche kleinen Schicksale erfüllen mich einfach mit Freude."
Wenn sie das sagt, blitzt etwas in ihren Augen auf. Die Begeisterung für ihre Arbeit ist so groß, dass sie ihr Wissen gerne teilt. Denn die engagierte Tierschützerin ist überzeugt, dass jeder diese besondere Form der Kommunikation lernen kann. Dafür müsste man nur wieder seinen Wahrnehmungen trauen:
"Das Gefühl, mit seinem eigenen Tier in Verbindung zu sein, das hat eigentlich jeder Tierbesitzer. Nur die meisten bewerten diese Informationen, die sie da schon lange bekommen als Zufall. Und ich sage halt: Nee, nee, das ist einfach nur das falsche Schubfach. Hier geht es eigentlich schon los mit Telepathie, mit dem sechsten Sinn. Damit, dass man eigentlich genau weiß, worum es geht."
Dass sie für ihre Arbeit belächelt wird, quittiert die selbstbewusste Frau mit einem Schulterzucken. Sie schaut auf ihre Hühner und – glaubt an ihre Arbeit. Wohl wissend, dass auch die Tierkommunikation ihre Grenzen hat:
"Tierkommunikation ersetzt niemals den Gang zum Tierarzt und Tierkommunikation macht auch nicht alles gut, was wir als Menschen versauen – an Haltungsbedingungen zum Beispiel. Wenn ich ein Tier einsperre in einen engen kleinen Käfig oder ihm kein vernünftiges Futter gebe, dann brauche ich auch keinen Tierdolmetscher."
Homepage von Karin Müller
"Ach Ernchen, du gefällst mir heute nicht, was ist los mit dir? Tut irgendetwas weh? Bist du traurig? Irgendwie hat sie Bauchweh heute."
Mit ihrer feingliedrigen Hand streicht die Tierdolmetscherin über die Federn der Henne. Erna gackert entspannt:
"Also ich habe jetzt gerade das Gefühl, dass sie Heimweh hat heute. Die ist noch nicht so lange bei uns und die anderen müssen sie auch erst noch mal in den Klub aufnehmen. Das dauert ein bisschen."
Karin Müller ist eine zierliche Frau. Ihre blonden langen Haare fallen über die Schultern. Aus grünen Augen schaut sie ihr Gegenüber fest und freundlich an. Sie trägt kein Make-up, das erste Lachfältchen überdecken würde.
Ihr Austausch mit den Tieren findet auf Gedankenebene statt. Die Kommunikation läuft zum Beispiel über Bilder im Kopf:
"Es können Bilder sein, es können innere Filme sein. Es können aber auch Gedanken im Sinn von Wort sein, dass mir ein Satz in den Sinn kommt. Es kann sein, dass ich Gefühle erlebe, dass ich Körperwahrnehmungen habe. Also es kann sein, dass ich durch einen Stall gehe und auf einmal tut mir die rechte Schulter weh, und ich weiß, eigentlich ist meine rechte Schulter in Ordnung. Dann muss ich eigentlich nur durch die Boxengasse gucken: Wem tut denn hier die Schulter weh."
Für ihre Arbeit muss Karin Müller den Tieren nicht unbedingt begegnen. Oft findet die Kontaktaufnahme aus ihrem gemütlichen Fachwerkhaus heraus statt. Braune Balken durchziehen das Wohnzimmer. In der Ecke döst Hündin Lille Pus. Auf dem Sofa liegen neben bunten Schulheften von Töchterchen Carlotta die zwei Katzen Betty und Leo. Die beiden schnurren zufrieden. Vor Karin Müller steht ein aufgeklappter Laptop.
Die Tierdolmetscherin hält das Foto von einem großen schwarzen Hund in der Hand, der etwas traurig in die Kamera schaut:
"Das ist ein Labrador. Der hat einiges auf dem Herzen. Also bei dem Hund ist es jetzt so, dass ich das ganz starke Gefühl habe, dass dem die Nierengegend schmerzt und auch bisschen dieser Lendenwirbelbereich. Irgendetwas ist gar nicht so, wie es soll."
Die 44-Jährige löst sich nur schwer von dem Foto. Als würden die Gedanken des Tieres sie noch gefangen nehmen:
"Das Foto ist für mich einfach nur die Telefonnummer von dem Tier. Zu diesem Wesen möchte ich mit meiner Aufmerksamkeit gehen. Da klinke ich mich ein, da möchte ich anrufen."
Lange war Karin Müller gar nicht bewusst, dass sie wohl eine besondere Fähigkeit besitzt. In Mainfranken wächst sie als Jüngste von drei Geschwistern mit vielen Tieren auf. Die meisten davon hat die kleine Karin selber in den Haushalt gebracht:
"Meine Eltern oder auch meine Geschwister haben mir dann immer wieder erzählt, ich hätte so einen besonderen Draht zu Tieren. Für mich war das ganz normal, dass ich wusste: So, jetzt müssen wir aber zum Tierarzt oder der Hund ist traurig oder den Meerschweinchen geht es nicht gut."
Bevor sich Karin Müller der Tierkommunikation widmet, arbeitet die studierte Kulturwissenschaftlerin und gelernte Journalistin beim Hörfunk, später bei einer Tageszeitung. Sie veröffentlicht erfolgreich Kinder- und Jugendbücher. Um die Jahrtausendwende reist sie zu den Wurzeln ihrer Familie nach Schweden. Sie verbringt ein halbes Jahr im Land ihrer Urgroßeltern. Hier trifft sie zum ersten Mal andere Tierdolmetscher. Die Begegnungen geben ihrem Leben einen neuen Impuls. Denn jetzt versteht die sensible junge Frau, dass sie mir ihrer Begabung nicht alleine ist. Sie lernt, ihre Fähigkeit einzusetzen. Erste Erfolge lassen nicht lange auf sich warten:
"Ich habe mich zum Beispiel sehr gefreut, als ein recht gut dotiertes Sportpferd durch die Kommunikation von den Besitzern die Möglichkeit bekam, jeden Tag auf die Weide zu dürfen, was vorher nicht möglich war. Ein anderes wurde dann eben doch nicht verkauft, sondern durfte bleiben und hat seine Rente bekommen. Solche kleinen Schicksale erfüllen mich einfach mit Freude."
Wenn sie das sagt, blitzt etwas in ihren Augen auf. Die Begeisterung für ihre Arbeit ist so groß, dass sie ihr Wissen gerne teilt. Denn die engagierte Tierschützerin ist überzeugt, dass jeder diese besondere Form der Kommunikation lernen kann. Dafür müsste man nur wieder seinen Wahrnehmungen trauen:
"Das Gefühl, mit seinem eigenen Tier in Verbindung zu sein, das hat eigentlich jeder Tierbesitzer. Nur die meisten bewerten diese Informationen, die sie da schon lange bekommen als Zufall. Und ich sage halt: Nee, nee, das ist einfach nur das falsche Schubfach. Hier geht es eigentlich schon los mit Telepathie, mit dem sechsten Sinn. Damit, dass man eigentlich genau weiß, worum es geht."
Dass sie für ihre Arbeit belächelt wird, quittiert die selbstbewusste Frau mit einem Schulterzucken. Sie schaut auf ihre Hühner und – glaubt an ihre Arbeit. Wohl wissend, dass auch die Tierkommunikation ihre Grenzen hat:
"Tierkommunikation ersetzt niemals den Gang zum Tierarzt und Tierkommunikation macht auch nicht alles gut, was wir als Menschen versauen – an Haltungsbedingungen zum Beispiel. Wenn ich ein Tier einsperre in einen engen kleinen Käfig oder ihm kein vernünftiges Futter gebe, dann brauche ich auch keinen Tierdolmetscher."
Homepage von Karin Müller