Wenn der Baum austrocknet
Der Wald verschwindet nicht, aber er ändert sich. Dies konstatiert das Forstamt im Stuttgarter Norden. Es untersucht die Folgen des Klimawandels für das Ökosystem Wald. Grund: Bäume reagieren besonders anfällig auf Temperaturveränderungen.
Die Eiche, im Volkslied oft und gerne besungen; die Eichen, lat. Quercus, in Religionen und Mythen ein heiliger Baum; die Deutsche Eiche, immer wieder als Symbol gebraucht und missbraucht; das Symbol für die Ewigkeit … ist schwer angeschlagen.
Ein Eichenleben überdauert 30 Generationen, wussten unsere Altvorderen zu berichten. Und heute? Die Borke löst sich, der Baum stirbt. Tote Eichen sind Zeugen des Klimawandels. Auch hier, im Forst im Stuttgarter Norden.
"Der Anteil kranker Bäume in den Wäldern Baden-Württembergs ist auf einen Rekordwert gestiegen. 43,3 Prozent der Waldfläche im Land sind deutlich geschädigt. Die stärksten Schäden zeigen die Eichen. Das geht aus dem Waldzustandsbericht hervor. Deutlich erhöht hat sich auch das Schadensniveau bei Buchen. Der Weg hin zu naturnahen Mischwäldern müsse konsequent fortgesetzt werden, erklärte der baden-württembergische Agrarminister Peter Hauk. Auch gelte es den Ausstoß klimarelevanter Gase, vor allem von Kohlendioxid, deutlich zu reduzieren."
Hagenmüller: "Wir stehen hier jetzt am Heukopf, das ist ein Bereich im Stuttgarter Wald, wo wir zum ersten Mal nach dem Jahrhundertsommer 2003, einige Monate später, die ersten Anzeichen von diesen großen Trockenschäden gesehen haben. Wenn Sie hier jetzt reingucken, sehen Sie, da sind schon viele Bäume komplett abgestorben. Die anderen verlieren in der Peripherie – im Kronenbereich - bereits das Laub und das sind mehr oder weniger alles Todeskandidaten. Wir haben im ersten Moment gedacht, dass ist hier eine Momentaufnahme, zumal hier auch von den Voraussetzungen der Boden sehr trocken ist und der ganze Hang hier südexponiert ist, das sei nur eine kleine lokale Geschichte, und haben die Sache einfach mal beobachtet, haben nicht eingegriffen – zumal auch der Holzwert der Bäume hier relativ gering ist, also der wirtschaftliche Schaden sich finanziell noch in Grenzen hält."
Etwa drei Jahre beobachtete Revierförster Dieter Hagenmüller und sein Team das Waldgebiet um den Feuerbacher Heukopf, ein Waldstück im Stuttgarter Norden.
Ziel war es, festzustellen, wie sich der Klimawandel langfristig auf den großstädtischen Wald auswirkt. Jetzt steht es fest: der Forst nahe Stuttgart ist so krank wie in kaum einer anderen Gegend der Stadt.
Vor wenigen Monaten kamen Experten der Forstlichen Versuchanstalt Freiburg zum Ortstermin in den Wald:
"Und die haben uns dann zusätzlich ein wenig die Augen geöffnet; dass es nicht nur die Trockenschäden sind, sondern wir haben hier zusätzlich den Eichenprachtkäfer, den Zweipunkteichenprachtkäfer, der im Prinzip hier bei uns der Borkenkäfer ist der Eichen."
Förster Hagenmüller schlägt mit der Axt in den Stamm der Eiche. Unter der Rinde sind Gänge zu sehen. Eine gesunde Eiche, die genügend Wasser bekommt, kann sich gegen den Eichenprachtkäfer wehren, aber die lang anhaltende Trockenheit hat die Bäume derart geschwächt, dass fast alle Eichen im Stuttgarter Norden befallen sind.
"Das ist jetzt hier auch eine Eiche und die ist auch bereits von diesem Eichenprachtkäfer befallen. Wenn Sie oben reingucken, sehen sie, dass die Krone sich oben völlig verlichtet, sind nur noch trockene Äste dran und die gesamte Krone hat sich hier nach unten verlagert. Der Eichenprachtkäfer, der sich hier eingebohrt hat, bewirkt bei der Eiche, dass diese sich wehrt. Das ist ähnlich wie ein Harzfluss bei einer Fichte, man kann hier diese schwarzen oder dunklen Schleimflecken erkennen."
Wie Mikadostäbe lehnen bereits abgestorbene Bäume blattlos aneinander. Die Sicht zum Himmel ist frei, nur trockene Äste schieben sich ins Bild. Ein gespenstischer Anblick.
Erdin-Schwill: "Diese Fläche, auf der wir gerade stehen, ist unsere extremste Fläche, das haben wir Gott sei Dank in anderen Waldgebieten in der Größe nicht. Aber, wir haben überall, in allen Beständen, sowohl bei der Eiche als auch bei der Buche, derartige Schadbilder, wo einzelne Bäume absterben. Und es sind vor allem die älteren Bäume und das ist auch so ein Thema für unsere Waldbesucher, weil die alten Bäume, da hängt man emotional sehr dran und von dem her ist dann das Verständnis, dass wir jetzt gerade die alten Bäume fällen müssen, manchmal doch sehr gering."
Die Natur scheint gnadenlos die Antwort auf Versäumtes zu geben. Schon in den nächsten Jahren, ja Monaten müssen um Stuttgart herum jahrhundertealte Bäume gefällt werden, um neuen Bäumen Platz zu machen. Christa Erdin-Schwill, Leiterin der Abteilung Forstamt in Stuttgart, schaut nachdenklich auf die Baumkronen.
"Wir sehen ja, dass die alten Bäume sich zuerst verabschieden, dass wir aber in Stuttgart Gott sei Dank mit vielen Anstrengungen Naturverjüngung in unseren Beständen haben und das ist die nächste Waldgeneration. Der Wald wird jünger werden, weil die älteren sich verabschieden – im Prinzip ist das im Wald auch ein demografisches Problem."
Das Waldbild wird sich bereits in den nächsten Jahren völlig verändern. Darüber sind sich nicht nur die Stuttgarter Förster einig. Ein Jahr nach dem Jahrhundertsommer 2003 wurden die ersten Hitzeschäden im Wald sichtbar und mittlerweile ist der Wald im Norden Stuttgarts auf etwa vier bis fünf Hektar flächig abgestorben. Seit Jahren regnet es viel zu wenig und auch die letzen Monate war es viel zu trocken. Wird es bald gar kein grün mehr um Stuttgart geben?
Erdin-Schwill: "Es wäre von der Optik eine Katastrophe, weil diese Stadt wirklich bestimmt wird das Stadtbild durch das Grün; das Grün in den Wohngebieten, aber auch das Grün unserer Wälder, die praktisch den gesamten Kesselrand einfassen und auch die Hänge, die bis in die Stadt gehen. Und klimatisch sind diese Wälder auch ganz wichtig für die Frischluftzufuhr – in den Stadtkessel, weil hier entsteht die frische kühle Luft und die Stadtklimatologen wissen, wo diese Frischluftschneisen sind und von aus die frische unverbrauchte Luft in die Stadt fließen kann. Und dafür sind gerade unsere Waldgebiete hier in Stuttgart unheimlich wichtig."
Es ist lange her, da wurde unter der Eiche Gericht gehalten. In vielen Orten standen sie oder eine Linde in der Mitte des Dorfes – Symbol und Treffpunkt gleichermaßen.
Die Eiche wurde in Vorzeiten für den Schiffbau genutzt, die Früchte des Baums, die Eicheln, für die Eichelmast der Schweine. Gerbstoffe für die Lohgerberei wurden aus der Rinde gewonnen, die Volksheilkunde nutzte die borkenlose Eichenrinde gegen Entzündungen im Mund.
Baumüller: "Hier in Stuttgart haben wir die Situation, dass wir durch diese Tal- und Kessellage ne schlechte Belüftung haben und das ist schon seit dem Mittelalter bekannt und bei allen städteplanerischen Maßnahmen war immer die Frage nach Veränderung des Klimas in Verbindung mit Durchlüftung und Luftverschmutzung ein Thema."
Professor Jürgen Baumüller leitet das Amt für Umweltschutz der Stadt Stuttgart, Abteilung Stadtklimatologie.
Noch vor ein paar Jahren wussten viele Stuttgarter nichts von der Existenz eines solchen Amtes, geschweige denn von seinen Aufgaben. Doch die nächsten Jahre werden wohl die Stadtklimatologen zu den begehrtesten Ratgebern zählen. Denn mittlerweile stöhnen immer mehr Stuttgarter über die Folgen des Klimawandels. Nicht ohne Grund. Bereits in der Vergangenheit war es im Kessel von Stuttgart schon immer ein paar Grad wärmer als im Umland, aber künftig wird es wohl immer wieder richtig heiß:
Baumüller. "Das sind Hot–spots, so kann man das nennen. Es ist so, dass insbesondere in der Nacht die Temperaturen um bis zu zehn Grad höher sind als in der Umgebung, in Stuttgart sind es etwa sechs Grad. Und vor dem Hintergrund des Klimawandels, dass wir solche Sommer, wie den Sommer 2003, in den nächsten 50 bis 60 Jahren fast als Normsommer bezeichnen müssen, kommt der Belüftung der Stadt speziell in der Nacht eine große Bedeutung zu und ein Ausgleich können eben auch die Grünflächen darstellen."
25 Prozent Waldfläche gibt es bezogen auf das Stadtgebiet von Stuttgart. Hinzu kommen Parkanlagen und Grünflächen. 50 Prozent der Fläche ist bebaut; insgesamt geht der Stadtklimatologe von einem Grünflächenanteil von 60 bis 70 Prozent in Stuttgart aus. Doch wie abhängig ist die Schwabenmetropole von ihren Bäumen? Was könnte passieren, wenn immer mehr Wälder in Folge des Klimawandels absterben?
Baumüller: "Wir können nicht sagen, wie viele Bäume dann einen Kollaps bewirken. Es gibt auch keinen Kollaps; es gibt andere Städte in derselben Größenordnung. Zum Beispiel Osaka in Japan hat auch 200 Quadratkilometer Fläche und haben einen Grünflächenanteil von fünf Prozent. Dort leben auch Menschen. Die haben aber alle Klimaanlagen. Die Frage ist, ob wir so etwas wollen. Das wollen wir sicher nicht. Das heißt, wir wollen eigentlich dem Klima angepasst eine Stadtplanung und eine Bebauung haben – und unsere Klimaanlagen sind die Grünflächen und die sollte man möglichst in der Form auch erhalten."
Schon lange haben die Klimaforscher sich auf das nun eintretende Szenario vorbereitet. Wer heutzutage in Stuttgart baut oder umbaut, bekommt das zu spüren: in Stuttgart wird künftig Grün – in welcher Form auch immer - zur Pflicht:
Baumüller. "Das eine ist, dass man die Grünflächen erhält, da wo Kaltluft entsteht, wo Kaltluft abfließen kann und, dass im Sanierungsfall – es ist ja so, dass in der Stadtplanung mehr die Innenentwicklung vorangetrieben ist, dass wir da auch die Möglichkeit haben, Verbesserungen zu machen. Indem beispielsweise bei den neuen Gebäuden grüne Dächer vorgeschrieben werden, die Regenwasser speichern, die verdunsten und damit eine Abkühlung bringen; indem auch im Umfeld der Häuser mehr Grün angelegt wird, mehr Bäume entstehen. Und das anders ist dann, dass man die Häuser in der Art und Weise baut, dass man möglichst wenig Energie zur Heizung, aber auch zur Kühlung aufwenden muss. Das heißt, man muss sich mit der Verschattung und mit der Solarenergienutzung zukünftig verstärkt auseinandersetzen. Und das andere ist dann die Anpassung der Menschen. Wir sind mitten im Klimawandel, den können wir auch nicht mehr stoppen, wir können ihn vielleicht vermindern, wobei ich dabei keine so positiven Ansichten vertrete, weil die Menschheit für solche Probleme nicht ausgelegt ist, dass wir uns auch anpassen müssen in unserem Verhalten."
Die Probleme sind in Stuttgart längst erkannt, aber noch fehlt es an konkreten Umsetzungsmaßnahmen. So haben sich das Umweltministerium und kommunale Spitzenverbände im April darauf verständigt, die Einrichtung der Umweltzone in der Landeshauptstadt zu verschieben. Aufgrund der hohen Feinstaubbelastung sollte in der Landeshauptstadt zum 1. Juli 2007 die Umweltzone eingerichtet und Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit einem zu hohen Ausstoß von Feinstaubpartikeln eingeführt werden. Vermutlich tritt nun die Verordnung erst im Januar 2008 in Kraft. Darüber hinaus gilt bereits heute schon ein Durchfahrverbot für Lastkraftwagen in Stuttgart.
Nach Meinung der Umweltschützer kommt die Umweltplakette zu spät. Gerhart Pfeifer, Regionalgeschäftsführer beim BUND Stuttgart:
"Im Prinzip ja und sinnvoll, wir wünschten, dass es früher greift und dass es eben nicht nur dabei bleibt und noch viele andere Maßnahmen dazu kommen."
Auch den möglichen Ausbau des Stuttgarter Flughafens, konkret der Bau einer zweiten Startbahn, hält Pfeifer für absolut verzichtbar. Schon die jetzigen Ein- und Ausflugschneisen befinden sich genau über den Stuttgarter Wäldern:
"Hier diese Bevorteilung des Flugverkehrs, da gibt es eine Menge Möglichkeiten und Ansätze. Von Start- und Landegebühren, abhängig von den Emissionen der Flugzeuge einzuführen – das könnte man in Stuttgart sofort umsetzen. Das Land ist ja mit 50 Prozent am Flughafen beteiligt, ebenso die Stadt. Natürlich auch eine Bundesratsinitiative anzustreben, dass die Umsatzsteuerbefreiung bei Flügen über die Ländergrenzen hinweg endlich mal weg fällt. Das heißt, hier wird ja Flugverkehr auch privilegiert."
Ein klares Nein erteilen die Umweltschützer auch dem milliardenschweren Bahnprojekt Stuttgart 21. Nur wenige Bahnfahrer würden, so der BUND, von dem Umbau des Stuttgarter Bahnhofs profitieren:
"98 Prozent in Stuttgart wird aus- und umgestiegen und die profitieren von diesem Bahnhof überhaupt nicht. Im Gegenteil: haben sogar Nachteile, weil bestimmte Anschlussverbindungen verloren gehen. Dann ist natürlich schon die Frage, warum sollen die Leute umsteigen aufgrund von Stuttgart 21. Wenn ich aber eine neue Stadtbahn baue zwischen Markgröningen und Ludwigsburg, wo momentan gar nichts da ist, dann habe ich einen Verlagerungseffekt und dann habe ich in der Summe auch weniger CO 2-Emissionen."
Unabhängig davon werden schon in Kürze massive Veränderungen nicht nur auf die Stuttgarter zu kommen. Einst erlauchte Wohngebiete rund um Stuttgart werden genauso von steigenden Temperaturen betroffen sein wie der so genannte Stuttgarter Kessel. Stadtklimatologe Prof. Baumüller:
"Es geht nicht um angenehme Wohnlagen, das kann man ja noch überleben, aber im Jahr 2003 sind 35.000 Menschen in Folge der Hitzewelle gestorben. Und die sind in ihren Häusern gestorben, nicht auf der Straße umgefallen. Das heißt, wir werden in Zukunft das Problem haben, dass wir vor Hitzewellen warnen müssen, das gibt schon vom Deutschen Wetterdienst ein Warnsystem. Und wir müssen uns in unserer Bauweise, in unserer Stadtplanung und auch in unsere Anpassung, persönlichen Anpassung, in solchen Situationen in Zukunft gewöhnen."
Doch will man im Unglück noch ein wenig Hoffnung suchen, dann wohl darin, dass man hierzulande ein recht freundliches Phänomen beobachten kann. So sieht man die vom eher lebensbeschneidenden Pietesmus geprägten Schwaben zurzeit zu regelrechten Südländern mutieren:
Baumüller: "Die offenen Fahrzeuge haben rapide zugenommen, das Freizeitverhalten hat sich verändert, der ganze Lebensstil. Also kommt sicher nicht nur der Klimawandel dazu, sondern, dass die Schwaben inzwischen sich sogar erlauben können im Cafe zu sitzen, obwohl jeder sieht, dass der nichts schafft."
Pessimisten befürchten gar, dass die Schwaben bald unter Palmen sitzen und einen eisgekühlten Latte macciatole trinken. Doch ganz so schlimm wird es nicht werden, prognostiziert Revierförster Hagenmüller:
"Wir werden nicht unbedingt neue Baumarten pflanzen, weil die Eiche ist eigentlich die standörtlich richtige Art. Wir müssen bloß hoffen, dass sich der Klimawandel nicht ganz so stark vollzieht oder, dass wir wieder Änderungen kriegen, dass auch die Eiche wieder überlebensfähig ist. Es werden sich auch junge Eichen überall wieder ansamen, dass Problem ist nur, dass diese Bäume leider nicht so alt werden, wie sie eigentlich alt werden könnten, weil einfach die alten und mittelalten Eichen in Folge der Trockenheit und dem Wassermangel absterben."
Doch auch andere Baumarten werden künftig im Wald zu finden sein. So zum Beispiel die Esskastanie und auch bisher hier nie gesehen Tierarten werden in Süddeutschland heimisch werden:
Hagenmüller: "Ja gut, es gibt hier auch immer wieder interessante Erfolgserlebnisse, aber es ist natürlich auch ganz eindeutig, dass sich die Flora und Fauna verändert. Es wird hier leider oder es wird hier mediterraner. Wobei die ganzen Prognosen ja zeigen, dass Deutschland und auch Süddeutschland noch relativ gut wegkommt, weil wir dann einfach dieses Mittelmeerflair abkriegen. Ne kleine Sache: Vor zwei, drei Jahren sahen wir zum ersten Mal das Taubenschwänzchen. Das ist so ein kleiner Schmetterling, der aussieht wie ein Kolibri und das sind dann so Geschichten, wo man denkt hoppla, eigentlich eine ganz nette Sache kannte man früher nur vom Urlaub am Mittelmeer."
Ja, wie das Päusle am Mittag eben auch. Und auch das werden die ach so fleißigen Süddeutschen vielleicht sogar per Gesetz verordnet bekommen. Zumindest geht der Klimatologe von grundlegenden Verhaltensänderungen aus:
Hagenmüller: "Im Verhalten anpassen heißt, dass wir vielleicht bald unsere Arbeitszeiten anders legen müssen und nicht erst um zehn anfangen zu arbeiten. Heute können sie ja kaum noch in ein Geschäft gehen, wenn sie um acht etwas brauchen; das ist aber die kühle Zeit und in anderen Ländern ist es so, dass über die Mittagszeit eben großzügig eine Mittagspause, eine Siesta gemacht wird, weil in diesen hohen Temperaturbereichen keiner arbeitet. Das Leistungsniveau nimmt rapide ab bei hohen Temperaturen und insofern ist das auch ein wirtschaftlicher Faktor."
Und das ist wohl eine sehr verletzliche Stelle bei den Süddeutschen. Doch nicht nur Hitzewellen drohen, auch andere Kreisläufe sind mit der Trockenheit dabei völlig aus dem Rhythmus zu geraten.
Bedingt durch die Trockenheit können auch die Frösche nicht mehr laichen. Ein fataler Kreislauf. Noch einmal Forstdirektorin Christa Erdin-Schwill:
"Die ganzen Feuchtbiotope, wo normalerweise grad die ganzen Amphibien drin laichen, die sind trocken und dann haben die ja keine Laichplätze. Also bleiben praktisch nur noch die größeren Gewässer, wo wir noch Wasser haben."
Der Feuerbacher Heukopf, dort stehen vor allem Deutsche Eichen, dient dem Stuttgarter Forst als Freilandlabor für Klima, Baum und Mensch. Die Bäume der Zukunft werden nicht mehr 150 Jahre alt werden, sondern vielleicht noch 80 oder 90 Jahre.
Die Eiche gilt in Deutschland – noch – als Baum der Bäume. Der Eichenzweig war auf der Rückseite der deutschen Pfennigstücke abgebildet, nur ziert er den Cent – Starrsinn, Zufall oder Zuversicht?
Folgt dem Klimawandel der Bewusstseinswandel?
Förster: "Also die Hoffnung stirbt zuletzt. Das Entscheidende wird sicher sein, dass wir einfach alle miteinander lernen müssen, wieder bescheidener zu leben und einfach die natürlichen Ressourcen mehr zu achten und sorgsamer mit denen Umzugehen. Wenn wir so weiter machen wie bisher, dass exzessives Autofahren oder Vielfliegerei, übers Wochenende Kurzflüge und lauter solche Geschichten weiterhin völlig normal sind, dann sehe ich relativ schwarz. Wenn sie sich heute überlegen, dass ein Flug von Stuttgart nach London oder nach Madrid billiger ist wie eine Taxifahrt von Stuttgart nach Sindelfingen, dann ist irgendwo die Sache nicht mehr in einem normalen Bereich. Und da müssen einfach viele von uns umdenken, so schwer das natürlich ist, aber ich denke, jeder einzelne ist dafür verantwortlich und nur immer der Ruf nach der Politik, dass die das richten muss, das halte ich für falsch."
Ein Eichenleben überdauert 30 Generationen, wussten unsere Altvorderen zu berichten. Und heute? Die Borke löst sich, der Baum stirbt. Tote Eichen sind Zeugen des Klimawandels. Auch hier, im Forst im Stuttgarter Norden.
"Der Anteil kranker Bäume in den Wäldern Baden-Württembergs ist auf einen Rekordwert gestiegen. 43,3 Prozent der Waldfläche im Land sind deutlich geschädigt. Die stärksten Schäden zeigen die Eichen. Das geht aus dem Waldzustandsbericht hervor. Deutlich erhöht hat sich auch das Schadensniveau bei Buchen. Der Weg hin zu naturnahen Mischwäldern müsse konsequent fortgesetzt werden, erklärte der baden-württembergische Agrarminister Peter Hauk. Auch gelte es den Ausstoß klimarelevanter Gase, vor allem von Kohlendioxid, deutlich zu reduzieren."
Hagenmüller: "Wir stehen hier jetzt am Heukopf, das ist ein Bereich im Stuttgarter Wald, wo wir zum ersten Mal nach dem Jahrhundertsommer 2003, einige Monate später, die ersten Anzeichen von diesen großen Trockenschäden gesehen haben. Wenn Sie hier jetzt reingucken, sehen Sie, da sind schon viele Bäume komplett abgestorben. Die anderen verlieren in der Peripherie – im Kronenbereich - bereits das Laub und das sind mehr oder weniger alles Todeskandidaten. Wir haben im ersten Moment gedacht, dass ist hier eine Momentaufnahme, zumal hier auch von den Voraussetzungen der Boden sehr trocken ist und der ganze Hang hier südexponiert ist, das sei nur eine kleine lokale Geschichte, und haben die Sache einfach mal beobachtet, haben nicht eingegriffen – zumal auch der Holzwert der Bäume hier relativ gering ist, also der wirtschaftliche Schaden sich finanziell noch in Grenzen hält."
Etwa drei Jahre beobachtete Revierförster Dieter Hagenmüller und sein Team das Waldgebiet um den Feuerbacher Heukopf, ein Waldstück im Stuttgarter Norden.
Ziel war es, festzustellen, wie sich der Klimawandel langfristig auf den großstädtischen Wald auswirkt. Jetzt steht es fest: der Forst nahe Stuttgart ist so krank wie in kaum einer anderen Gegend der Stadt.
Vor wenigen Monaten kamen Experten der Forstlichen Versuchanstalt Freiburg zum Ortstermin in den Wald:
"Und die haben uns dann zusätzlich ein wenig die Augen geöffnet; dass es nicht nur die Trockenschäden sind, sondern wir haben hier zusätzlich den Eichenprachtkäfer, den Zweipunkteichenprachtkäfer, der im Prinzip hier bei uns der Borkenkäfer ist der Eichen."
Förster Hagenmüller schlägt mit der Axt in den Stamm der Eiche. Unter der Rinde sind Gänge zu sehen. Eine gesunde Eiche, die genügend Wasser bekommt, kann sich gegen den Eichenprachtkäfer wehren, aber die lang anhaltende Trockenheit hat die Bäume derart geschwächt, dass fast alle Eichen im Stuttgarter Norden befallen sind.
"Das ist jetzt hier auch eine Eiche und die ist auch bereits von diesem Eichenprachtkäfer befallen. Wenn Sie oben reingucken, sehen sie, dass die Krone sich oben völlig verlichtet, sind nur noch trockene Äste dran und die gesamte Krone hat sich hier nach unten verlagert. Der Eichenprachtkäfer, der sich hier eingebohrt hat, bewirkt bei der Eiche, dass diese sich wehrt. Das ist ähnlich wie ein Harzfluss bei einer Fichte, man kann hier diese schwarzen oder dunklen Schleimflecken erkennen."
Wie Mikadostäbe lehnen bereits abgestorbene Bäume blattlos aneinander. Die Sicht zum Himmel ist frei, nur trockene Äste schieben sich ins Bild. Ein gespenstischer Anblick.
Erdin-Schwill: "Diese Fläche, auf der wir gerade stehen, ist unsere extremste Fläche, das haben wir Gott sei Dank in anderen Waldgebieten in der Größe nicht. Aber, wir haben überall, in allen Beständen, sowohl bei der Eiche als auch bei der Buche, derartige Schadbilder, wo einzelne Bäume absterben. Und es sind vor allem die älteren Bäume und das ist auch so ein Thema für unsere Waldbesucher, weil die alten Bäume, da hängt man emotional sehr dran und von dem her ist dann das Verständnis, dass wir jetzt gerade die alten Bäume fällen müssen, manchmal doch sehr gering."
Die Natur scheint gnadenlos die Antwort auf Versäumtes zu geben. Schon in den nächsten Jahren, ja Monaten müssen um Stuttgart herum jahrhundertealte Bäume gefällt werden, um neuen Bäumen Platz zu machen. Christa Erdin-Schwill, Leiterin der Abteilung Forstamt in Stuttgart, schaut nachdenklich auf die Baumkronen.
"Wir sehen ja, dass die alten Bäume sich zuerst verabschieden, dass wir aber in Stuttgart Gott sei Dank mit vielen Anstrengungen Naturverjüngung in unseren Beständen haben und das ist die nächste Waldgeneration. Der Wald wird jünger werden, weil die älteren sich verabschieden – im Prinzip ist das im Wald auch ein demografisches Problem."
Das Waldbild wird sich bereits in den nächsten Jahren völlig verändern. Darüber sind sich nicht nur die Stuttgarter Förster einig. Ein Jahr nach dem Jahrhundertsommer 2003 wurden die ersten Hitzeschäden im Wald sichtbar und mittlerweile ist der Wald im Norden Stuttgarts auf etwa vier bis fünf Hektar flächig abgestorben. Seit Jahren regnet es viel zu wenig und auch die letzen Monate war es viel zu trocken. Wird es bald gar kein grün mehr um Stuttgart geben?
Erdin-Schwill: "Es wäre von der Optik eine Katastrophe, weil diese Stadt wirklich bestimmt wird das Stadtbild durch das Grün; das Grün in den Wohngebieten, aber auch das Grün unserer Wälder, die praktisch den gesamten Kesselrand einfassen und auch die Hänge, die bis in die Stadt gehen. Und klimatisch sind diese Wälder auch ganz wichtig für die Frischluftzufuhr – in den Stadtkessel, weil hier entsteht die frische kühle Luft und die Stadtklimatologen wissen, wo diese Frischluftschneisen sind und von aus die frische unverbrauchte Luft in die Stadt fließen kann. Und dafür sind gerade unsere Waldgebiete hier in Stuttgart unheimlich wichtig."
Es ist lange her, da wurde unter der Eiche Gericht gehalten. In vielen Orten standen sie oder eine Linde in der Mitte des Dorfes – Symbol und Treffpunkt gleichermaßen.
Die Eiche wurde in Vorzeiten für den Schiffbau genutzt, die Früchte des Baums, die Eicheln, für die Eichelmast der Schweine. Gerbstoffe für die Lohgerberei wurden aus der Rinde gewonnen, die Volksheilkunde nutzte die borkenlose Eichenrinde gegen Entzündungen im Mund.
Baumüller: "Hier in Stuttgart haben wir die Situation, dass wir durch diese Tal- und Kessellage ne schlechte Belüftung haben und das ist schon seit dem Mittelalter bekannt und bei allen städteplanerischen Maßnahmen war immer die Frage nach Veränderung des Klimas in Verbindung mit Durchlüftung und Luftverschmutzung ein Thema."
Professor Jürgen Baumüller leitet das Amt für Umweltschutz der Stadt Stuttgart, Abteilung Stadtklimatologie.
Noch vor ein paar Jahren wussten viele Stuttgarter nichts von der Existenz eines solchen Amtes, geschweige denn von seinen Aufgaben. Doch die nächsten Jahre werden wohl die Stadtklimatologen zu den begehrtesten Ratgebern zählen. Denn mittlerweile stöhnen immer mehr Stuttgarter über die Folgen des Klimawandels. Nicht ohne Grund. Bereits in der Vergangenheit war es im Kessel von Stuttgart schon immer ein paar Grad wärmer als im Umland, aber künftig wird es wohl immer wieder richtig heiß:
Baumüller. "Das sind Hot–spots, so kann man das nennen. Es ist so, dass insbesondere in der Nacht die Temperaturen um bis zu zehn Grad höher sind als in der Umgebung, in Stuttgart sind es etwa sechs Grad. Und vor dem Hintergrund des Klimawandels, dass wir solche Sommer, wie den Sommer 2003, in den nächsten 50 bis 60 Jahren fast als Normsommer bezeichnen müssen, kommt der Belüftung der Stadt speziell in der Nacht eine große Bedeutung zu und ein Ausgleich können eben auch die Grünflächen darstellen."
25 Prozent Waldfläche gibt es bezogen auf das Stadtgebiet von Stuttgart. Hinzu kommen Parkanlagen und Grünflächen. 50 Prozent der Fläche ist bebaut; insgesamt geht der Stadtklimatologe von einem Grünflächenanteil von 60 bis 70 Prozent in Stuttgart aus. Doch wie abhängig ist die Schwabenmetropole von ihren Bäumen? Was könnte passieren, wenn immer mehr Wälder in Folge des Klimawandels absterben?
Baumüller: "Wir können nicht sagen, wie viele Bäume dann einen Kollaps bewirken. Es gibt auch keinen Kollaps; es gibt andere Städte in derselben Größenordnung. Zum Beispiel Osaka in Japan hat auch 200 Quadratkilometer Fläche und haben einen Grünflächenanteil von fünf Prozent. Dort leben auch Menschen. Die haben aber alle Klimaanlagen. Die Frage ist, ob wir so etwas wollen. Das wollen wir sicher nicht. Das heißt, wir wollen eigentlich dem Klima angepasst eine Stadtplanung und eine Bebauung haben – und unsere Klimaanlagen sind die Grünflächen und die sollte man möglichst in der Form auch erhalten."
Schon lange haben die Klimaforscher sich auf das nun eintretende Szenario vorbereitet. Wer heutzutage in Stuttgart baut oder umbaut, bekommt das zu spüren: in Stuttgart wird künftig Grün – in welcher Form auch immer - zur Pflicht:
Baumüller. "Das eine ist, dass man die Grünflächen erhält, da wo Kaltluft entsteht, wo Kaltluft abfließen kann und, dass im Sanierungsfall – es ist ja so, dass in der Stadtplanung mehr die Innenentwicklung vorangetrieben ist, dass wir da auch die Möglichkeit haben, Verbesserungen zu machen. Indem beispielsweise bei den neuen Gebäuden grüne Dächer vorgeschrieben werden, die Regenwasser speichern, die verdunsten und damit eine Abkühlung bringen; indem auch im Umfeld der Häuser mehr Grün angelegt wird, mehr Bäume entstehen. Und das anders ist dann, dass man die Häuser in der Art und Weise baut, dass man möglichst wenig Energie zur Heizung, aber auch zur Kühlung aufwenden muss. Das heißt, man muss sich mit der Verschattung und mit der Solarenergienutzung zukünftig verstärkt auseinandersetzen. Und das andere ist dann die Anpassung der Menschen. Wir sind mitten im Klimawandel, den können wir auch nicht mehr stoppen, wir können ihn vielleicht vermindern, wobei ich dabei keine so positiven Ansichten vertrete, weil die Menschheit für solche Probleme nicht ausgelegt ist, dass wir uns auch anpassen müssen in unserem Verhalten."
Die Probleme sind in Stuttgart längst erkannt, aber noch fehlt es an konkreten Umsetzungsmaßnahmen. So haben sich das Umweltministerium und kommunale Spitzenverbände im April darauf verständigt, die Einrichtung der Umweltzone in der Landeshauptstadt zu verschieben. Aufgrund der hohen Feinstaubbelastung sollte in der Landeshauptstadt zum 1. Juli 2007 die Umweltzone eingerichtet und Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit einem zu hohen Ausstoß von Feinstaubpartikeln eingeführt werden. Vermutlich tritt nun die Verordnung erst im Januar 2008 in Kraft. Darüber hinaus gilt bereits heute schon ein Durchfahrverbot für Lastkraftwagen in Stuttgart.
Nach Meinung der Umweltschützer kommt die Umweltplakette zu spät. Gerhart Pfeifer, Regionalgeschäftsführer beim BUND Stuttgart:
"Im Prinzip ja und sinnvoll, wir wünschten, dass es früher greift und dass es eben nicht nur dabei bleibt und noch viele andere Maßnahmen dazu kommen."
Auch den möglichen Ausbau des Stuttgarter Flughafens, konkret der Bau einer zweiten Startbahn, hält Pfeifer für absolut verzichtbar. Schon die jetzigen Ein- und Ausflugschneisen befinden sich genau über den Stuttgarter Wäldern:
"Hier diese Bevorteilung des Flugverkehrs, da gibt es eine Menge Möglichkeiten und Ansätze. Von Start- und Landegebühren, abhängig von den Emissionen der Flugzeuge einzuführen – das könnte man in Stuttgart sofort umsetzen. Das Land ist ja mit 50 Prozent am Flughafen beteiligt, ebenso die Stadt. Natürlich auch eine Bundesratsinitiative anzustreben, dass die Umsatzsteuerbefreiung bei Flügen über die Ländergrenzen hinweg endlich mal weg fällt. Das heißt, hier wird ja Flugverkehr auch privilegiert."
Ein klares Nein erteilen die Umweltschützer auch dem milliardenschweren Bahnprojekt Stuttgart 21. Nur wenige Bahnfahrer würden, so der BUND, von dem Umbau des Stuttgarter Bahnhofs profitieren:
"98 Prozent in Stuttgart wird aus- und umgestiegen und die profitieren von diesem Bahnhof überhaupt nicht. Im Gegenteil: haben sogar Nachteile, weil bestimmte Anschlussverbindungen verloren gehen. Dann ist natürlich schon die Frage, warum sollen die Leute umsteigen aufgrund von Stuttgart 21. Wenn ich aber eine neue Stadtbahn baue zwischen Markgröningen und Ludwigsburg, wo momentan gar nichts da ist, dann habe ich einen Verlagerungseffekt und dann habe ich in der Summe auch weniger CO 2-Emissionen."
Unabhängig davon werden schon in Kürze massive Veränderungen nicht nur auf die Stuttgarter zu kommen. Einst erlauchte Wohngebiete rund um Stuttgart werden genauso von steigenden Temperaturen betroffen sein wie der so genannte Stuttgarter Kessel. Stadtklimatologe Prof. Baumüller:
"Es geht nicht um angenehme Wohnlagen, das kann man ja noch überleben, aber im Jahr 2003 sind 35.000 Menschen in Folge der Hitzewelle gestorben. Und die sind in ihren Häusern gestorben, nicht auf der Straße umgefallen. Das heißt, wir werden in Zukunft das Problem haben, dass wir vor Hitzewellen warnen müssen, das gibt schon vom Deutschen Wetterdienst ein Warnsystem. Und wir müssen uns in unserer Bauweise, in unserer Stadtplanung und auch in unsere Anpassung, persönlichen Anpassung, in solchen Situationen in Zukunft gewöhnen."
Doch will man im Unglück noch ein wenig Hoffnung suchen, dann wohl darin, dass man hierzulande ein recht freundliches Phänomen beobachten kann. So sieht man die vom eher lebensbeschneidenden Pietesmus geprägten Schwaben zurzeit zu regelrechten Südländern mutieren:
Baumüller: "Die offenen Fahrzeuge haben rapide zugenommen, das Freizeitverhalten hat sich verändert, der ganze Lebensstil. Also kommt sicher nicht nur der Klimawandel dazu, sondern, dass die Schwaben inzwischen sich sogar erlauben können im Cafe zu sitzen, obwohl jeder sieht, dass der nichts schafft."
Pessimisten befürchten gar, dass die Schwaben bald unter Palmen sitzen und einen eisgekühlten Latte macciatole trinken. Doch ganz so schlimm wird es nicht werden, prognostiziert Revierförster Hagenmüller:
"Wir werden nicht unbedingt neue Baumarten pflanzen, weil die Eiche ist eigentlich die standörtlich richtige Art. Wir müssen bloß hoffen, dass sich der Klimawandel nicht ganz so stark vollzieht oder, dass wir wieder Änderungen kriegen, dass auch die Eiche wieder überlebensfähig ist. Es werden sich auch junge Eichen überall wieder ansamen, dass Problem ist nur, dass diese Bäume leider nicht so alt werden, wie sie eigentlich alt werden könnten, weil einfach die alten und mittelalten Eichen in Folge der Trockenheit und dem Wassermangel absterben."
Doch auch andere Baumarten werden künftig im Wald zu finden sein. So zum Beispiel die Esskastanie und auch bisher hier nie gesehen Tierarten werden in Süddeutschland heimisch werden:
Hagenmüller: "Ja gut, es gibt hier auch immer wieder interessante Erfolgserlebnisse, aber es ist natürlich auch ganz eindeutig, dass sich die Flora und Fauna verändert. Es wird hier leider oder es wird hier mediterraner. Wobei die ganzen Prognosen ja zeigen, dass Deutschland und auch Süddeutschland noch relativ gut wegkommt, weil wir dann einfach dieses Mittelmeerflair abkriegen. Ne kleine Sache: Vor zwei, drei Jahren sahen wir zum ersten Mal das Taubenschwänzchen. Das ist so ein kleiner Schmetterling, der aussieht wie ein Kolibri und das sind dann so Geschichten, wo man denkt hoppla, eigentlich eine ganz nette Sache kannte man früher nur vom Urlaub am Mittelmeer."
Ja, wie das Päusle am Mittag eben auch. Und auch das werden die ach so fleißigen Süddeutschen vielleicht sogar per Gesetz verordnet bekommen. Zumindest geht der Klimatologe von grundlegenden Verhaltensänderungen aus:
Hagenmüller: "Im Verhalten anpassen heißt, dass wir vielleicht bald unsere Arbeitszeiten anders legen müssen und nicht erst um zehn anfangen zu arbeiten. Heute können sie ja kaum noch in ein Geschäft gehen, wenn sie um acht etwas brauchen; das ist aber die kühle Zeit und in anderen Ländern ist es so, dass über die Mittagszeit eben großzügig eine Mittagspause, eine Siesta gemacht wird, weil in diesen hohen Temperaturbereichen keiner arbeitet. Das Leistungsniveau nimmt rapide ab bei hohen Temperaturen und insofern ist das auch ein wirtschaftlicher Faktor."
Und das ist wohl eine sehr verletzliche Stelle bei den Süddeutschen. Doch nicht nur Hitzewellen drohen, auch andere Kreisläufe sind mit der Trockenheit dabei völlig aus dem Rhythmus zu geraten.
Bedingt durch die Trockenheit können auch die Frösche nicht mehr laichen. Ein fataler Kreislauf. Noch einmal Forstdirektorin Christa Erdin-Schwill:
"Die ganzen Feuchtbiotope, wo normalerweise grad die ganzen Amphibien drin laichen, die sind trocken und dann haben die ja keine Laichplätze. Also bleiben praktisch nur noch die größeren Gewässer, wo wir noch Wasser haben."
Der Feuerbacher Heukopf, dort stehen vor allem Deutsche Eichen, dient dem Stuttgarter Forst als Freilandlabor für Klima, Baum und Mensch. Die Bäume der Zukunft werden nicht mehr 150 Jahre alt werden, sondern vielleicht noch 80 oder 90 Jahre.
Die Eiche gilt in Deutschland – noch – als Baum der Bäume. Der Eichenzweig war auf der Rückseite der deutschen Pfennigstücke abgebildet, nur ziert er den Cent – Starrsinn, Zufall oder Zuversicht?
Folgt dem Klimawandel der Bewusstseinswandel?
Förster: "Also die Hoffnung stirbt zuletzt. Das Entscheidende wird sicher sein, dass wir einfach alle miteinander lernen müssen, wieder bescheidener zu leben und einfach die natürlichen Ressourcen mehr zu achten und sorgsamer mit denen Umzugehen. Wenn wir so weiter machen wie bisher, dass exzessives Autofahren oder Vielfliegerei, übers Wochenende Kurzflüge und lauter solche Geschichten weiterhin völlig normal sind, dann sehe ich relativ schwarz. Wenn sie sich heute überlegen, dass ein Flug von Stuttgart nach London oder nach Madrid billiger ist wie eine Taxifahrt von Stuttgart nach Sindelfingen, dann ist irgendwo die Sache nicht mehr in einem normalen Bereich. Und da müssen einfach viele von uns umdenken, so schwer das natürlich ist, aber ich denke, jeder einzelne ist dafür verantwortlich und nur immer der Ruf nach der Politik, dass die das richten muss, das halte ich für falsch."