Wenn der Rubel nicht rollt
Ob Händler, Handwerker oder Dienstleister - fast alle Branchen klagen über die zunehmend schlechte Zahlungsmoral innerhalb ihrer Kundschaft. Die Zeiten sind hart: Viele Verbraucher haben keine Arbeit und können ihre Rechnungen deshalb nicht bezahlen, Firmen sind wegen der schlechten Auftragslage und einer niedrigen Kapitalausstattung klamm.
Rund 650 Inkasso-Unternehmen haben im vergangenen Jahr in der Bundesrepublik zusammen vier Milliarden Euro von rund 22 Milliarden Euro offener Forderungen eingetrieben. Wenn der Rubel nicht rollt, dann ist das schlecht fürs Unternehmen - nicht wenigen droht als Folge die Insolvenz.
Schmidt: "Das ist, als wenn sie gegen eine Wand sprechen. Die Leute sind abgestumpft. "
Es ist nicht wirklich schön, Geld einzutreiben.
Schmidt: "Wir haben Schuldnergenerationen. Die Großmutter ist Schuldnerin, die Mutter ist Schuldnerin, das Kind ist Schuldnerin, und in einem Fall weiß ich persönlich auch: Sogar das Enkelkind, obwohl es erst... wie alt ist es jetzt?... "
Uwe Schmidt. Die Inkasso-Branche ist sein Geschäft.
Schmidt: "...Acht oder neun Jahre. Aber man hat mal 18 oder 19 draus gemacht. Weil man ja, gerade wenn man bei Versendern bestellt, auch ein bisschen manipulieren kann. Und dann haben sie ein achtjähriges Kind schon zum Schuldner gemacht. "
Der Außendienst ist der härteste Teil des Metiers. Rausgehen, die Schuldner aufsuchen, nachsehen, ob nicht doch noch Geld da ist für die offene Rechnung. Inkasso von lateinisch incassare, Geld einziehen.
Schmidt: "Mein Auftraggeber erwartet von mir, dass ich eine Lösung finde mit seinem ehemaligen Kunden, dem jetzigen Schuldner. Das Suchen nach dieser Lösung basiert immer auf dem Gespräch, das man führen muss. "
Von den 200 Außendienstmitarbeitern bei EOS Fields Services in Hamburg sind 70 Prozent Frauen, sagt Geschäftsführer Uwe Schmidt. Frauen haben bessere Inkasso-Eigenschaften als Männer.
Schmidt: "Es sind Eigenschaften, die das heißen: Einfühlungsvermögen, Respekt vor dem anderen, man muss sich mit dem Gegenüber, mit dem Menschen, der da in der Bredouille steckt, auf eine Stufe stellen können und nicht von oben herab das Ganze bearbeiten wollen. "
Nähe herstellen und gleichzeitig Distanz: Das Paradoxon erfolgreichen Inkassos.
Schmidt: "Problematisch wird es dann, wenn diese Menschen, ob jetzt Männer oder Frauen, das ist egal, die Probleme, die sie draußen sehen, mit nach Hause nehmen. Dann wird’s eng, denn das wird man auf Dauer nicht aushalten. "
Es ist nicht wirklich schön, Geld einzutreiben.
Ruhland: "Ein Kunde bestellt, wir führen Arbeiten aus, der Kunde bekommt eine Rechnung, der Kunde bekommt eine Mahnung.... "
Und auf unbezahlten Rechnungen zu sitzen, ist auch nicht erfreulich.
Ruhland: "Im Moment sind es bei uns 40.000 Euro, die draußen sind. "
Das ist viel Geld für den Elektro-Installateurmeister Egon-Eckhard Ruhland, Inhaber eines kleinen Fachgeschäftes in Hamburg. Früher hat sein Vater den Betrieb geführt, davor der Großvater.
Ruhland: "Wenn ich mein Geld nicht pünktlich bekomme, dann kann ich es auch nicht pünktlich weiter geben, das ist so ein gewisser Bumerang-Effekt... "
Seine Mitarbeiter wollen pünktlich ihren Lohn, das Finanzamt will Vorsteuern aus jeder geschriebenen Rechnung – egal ob die bezahlt wird oder nicht. Ruhland ist sauer. Auf die Schuldner, auf den Staat.
Ruhland: "Der Gesetzgeber verkennt da also wirklich die Situation, die da im kleinen Handwerksbetrieb oder im mittelständischen Betrieb herrscht, denen fehlen die Mittel, und wenn man Arbeitsplätze schaffen will, dann sollte man das stärken, dann sollte man gerade auf den Mittelstand und die kleineren Betriebe, denn die sind der Motor, und nicht die Großindustrie, die im Ausland produziert. "
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat gerade die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, die er bei 13.700 Handwerksbetrieben in der Bundesrepublik gestartet hatte: Im Jahr 2004 haben 81,3 Prozent aller Betriebe säumige Zahler unter den Kunden, bei 56,7 Prozent sind Zahlungen komplett ausgefallen. Hochgerechnet auf den Gesamtjahresumsatz des Handwerks heißt das: 66 Milliarden Euro wurden zeitverzögert auf das Konto des Handwerkers überwiesen, 5,2 Milliarden sind gar nicht bezahlt worden.
Becker: "Ich habe eine Bäckerei, und das ist traditionell in der Regel ein Bargeschäft. "
Das ist gut für Peter Becker, Präsident der Hamburger Handwerkskammer. Geld gegen Ware, und zwar direkt und sofort, ist der einzige Schutz vor miserabler Zahlungsmoral.
Becker: "Das hat ganz klar seine Gründe in der schlechter gewordenen Konjunkturlage. Alle Betriebe haben enge wirtschaftliche Situationen, und da versucht man natürlich die Liquidität zu erhöhen, indem man einfach seine Rechnungen später begleicht. Gott sei Dank haben wir in Hamburg jetzt mit dem Finanzsenator eine Regelung getroffen, dass wir hier Einhalt gebieten, der Senat hat sich verpflichtet, vorbildlich zu zahlen, wir haben eine Schiedsstelle eingerichtet, insofern hoffe ich, dass zumindest der Bereich öffentliche Hand bei uns in Hamburg kein Thema mehr sein wird, aber auch im privaten Bereich muss man sagen, hat das hier Formen angenommen, die die Betriebe wirklich an die Existenzgrenze bringen. "
Die Hamburger Handwerkskammer versuche so gut es geht, ihre Mitglieder zu unterstützen, sagt der Präsident, sei es bei Bankgesprächen, sei es beim Eintreiben der Forderungen.
Becker: "Wir haben selbst eine Inkassostelle hier, das heißt, die Betriebe können ihre Forderungen abgeben, zu einem relativ günstigen Inkasso-Beitrag, den wir dafür nehmen, das erleichtert ihnen das ganze Handling, das ganze Mahnverfahren, und nachher die juristische Verfolgung dieses Vorganges. (…) Die Betriebe haben eben die Problematik, wenn sie mahnen, dann wird die erste Mahnung in der Regel nicht beachtet, man weiß ja, da kommt noch eine zweite Mahnung, insofern macht das schon mehr Eindruck beim Verbraucher, wenn eine offizielle Firma dieses macht, die dieses Handling auch beherrscht und alle Tricks kennt und nachhaltig das betreibt. "
" Mit rüden Mitteln wollte ein Kleinunternehmer einen Restbetrag über 250 Euro für Renovierungsarbeiten eintreiben lassen. "
Einen "nachhaltigen Eindruck" beim Schuldner zu hinterlassen, ist das einzige Vermögen einer speziellen Sorte von Inkasso-Unternehmen.
" Der Auftraggeber hatte wegen Mängel nicht zahlen wollen. Prompt stand ein zunächst unbekannter Mann vor seiner Tür, der den ausstehenden Betrag plus 50 Euro "Bearbeitungsgebühr" forderte. Bei Nichtzahlung, so kündigte er an, werde er dem 37-Jährigen ins Knie schießen. – Die Welt, Dezember 2004. "
Mehr als 39.000 Unternehmen in Deutschland sind insolvent, Millionen Privathaushalte überschuldet. Angesichts knapper Kassen versuchen immer mehr Menschen, ihre Außenstände mit rabiaten Schlägertrupps einzutreiben.
" "Ihr Schuldner muss kein Russisch können - er wird uns auch so verstehen." Werbeslogan eines Geldeintreibers."
Ohle: "Schwarze Schafe als Geldeintreiber sind keine Inkasso-Unternehmen. "
Dr. Carsten Ohle, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen.
Ohle: "Inkasso-Unternehmen benötigen für ihre Tätigkeit eine spezielle Erlaubnis. "
Immer wieder wird seine Branche mit Vorurteilen konfrontiert, die ihn und die Unternehmen seines Verbandes in die Nähe mysteriöser Schlägertrupps stellen.
Ohle: "Sicherlich, diese Firmen sagen nicht, wie sie vorgehen, und sie sagen, sie gehen korrekt vor. Sie können doch nicht sagen, wir drohen den Leuten an, dass wir ihnen die Arme brechen oder Schlimmeres. Damit machen sie sich ja von Anfang an schon strafbar, wenn sie so etwas ankündigen. (…) Die Bestrafung trifft nicht nur den, der das tatsächlich ausübt, sondern sie kann genauso den treffen, der ein solches Individuum beauftragt. Stichwort Anstiftung. "
Carsten Ohle, seit 15 Jahren im Bundesverband und um den guten Ruf der Branche bemüht, will in Kooperation mit der Handelskammer Hamburg erreichen, dass es künftig mehr seriöse und vor allem besser geschulte Inkasso-Mitarbeiter gibt.
Ohle: "Das muss so 2000/2001 gewesen sein, als die Handelskammer Hamburg mal ein Brainstorming machte und in einer Mitteilung darüber berichtete, in welche neuen Berufsgruppen vielleicht investiert werden sollte in Richtung Ausbildung. Daraus wuchs dann der Gedanke, dass wir sicherlich noch keinen eigenen Lehrberuf des Inkassokaufmanns damit initiieren könnten, aber wir kamen auf die Idee, der Ausbildung Bürokauffrau/Bürokaufmann eine Zusatzqualifikation zu verleihen, nämlich Zusatzqualifikation Inkasso, (...) Und gerade dieses Jahr im Juni 2005 hat der erste Durchgang erfolgreich abgeschlossen. "
Imelmann: "Es ist kein Geld da. Da kann auch ein Inkasso-Büro nichts machen. "
Horst Imelmann. Er führt ein Bestattungsunternehmen, in dritter Generation.
Imelmann: "Im Moment habe ich ... aktuell vier Fälle, nur, Gott sei Dank. Nur vier Fälle. Aber der eine Fall, der hat 9200 Euro, ein Fall sind 4500 Euro, und denn noch ein paar kleinere. (…) So, jetzt hab ich Außenstände von, ich sach jetzt mal eine Summe, 15.000 Euro, kann ich meine Mitarbeiter noch halten? Oder muss ich einen von den Mitarbeitern entlassen? Das sind Fragen, die sich jetzt langsam auftun. "
Wenn Kunden nicht bezahlen, dann ist das schlecht für den Betrieb. Was aber den Bestatter Imelmann genauso wie den Elektro-Installateur Ruhland noch zusätzlich frustriert, ist die Abgebrühtheit, mit der manche vorsätzlich um Arbeitslöhne betrügen.
Imelmann: "Man wird mit der Zeit immer stinkiger. Sach ich jetzt mal so flapsig. "
Ruhland: "Ein Kunde bestellt, wir führen Arbeiten aus, der Kunde bekommt eine Rechnung, der Kunde bekommt eine Mahnung, er wird angeschrieben, und dann teilt der Kunde dann, in dem Moment, wo es jetzt zum Prozess kommt, mit, ja, ich bin gar nicht der Auftraggeber, Auftrag gegeben hat mein Vater oder eine sonstige Person, obwohl Arbeitszettel, Auftrag, alles, Unterschriften, alles auf den Kunden lauten. "
Imelmann: "Ich habe einen Fall, da habe ich die Tochter, die mir 4500 Euro schuldet, nachdem sie also die Rechnung bekommen hat und eine Zahlungsaufforderung, hat sie mir geschrieben: Es tut mir leid, Herr Imelmann, ich kann die Bestattungskosten nicht zahlen, meine Mutter hat mir nichts hinterlassen, ich bin Hausfrau, mein Mann ist Alleinverdiener. Da hab ich sie verklagt, wegen Betruges, denn das hat sie ja vorher gewusst, sie hat ja eine Beerdigung in Auftrag gegeben mit allem, was dazu gehört. "
Da läuft etwas schief, findet auch Uwe Schmidt vom Inkasso-Unternehmen EOS Field Services.
Schmidt: "Ich bin jetzt mit meinen 56 auch nicht mehr der Jüngste, aber ich kann mich noch gut dran erinnern, dass bei uns zu Hause wirklich Wert darauf gelegt wurde, dass die Rechnung, wenn sie kam, auch bezahlt wurde, und das so schnell wie möglich. Und das war ja in der 50er Jahren, da war ja nun auch nicht alles rosig. Aber man hatte ein anderes Gefühl dazu, man hatte eine andere Verantwortung dazu. Man hat gesagt: Wenn ich mir was kaufe, dann muss ich es auch zahlen. "
Schon junge Leute knapp über 18 gehören zu den Schuldnern, die Schmidt und seine Leute tagtäglich aufsuchen. Oft geht es um unbezahlte Handyrechnungen von 500, 600 Euro. Luxus, den sich viele Menschen leisten, obwohl sie es nicht können. Aber viele der Schuldner, die Uwe Schmidt trifft, leben am Existenzminimum und haben einfach keinen Cent mehr übrig.
Schmidt: "Natürlich will unser Auftraggeber immer Geld sehen, das ist klar. Nur was soll ich denn tun? Was soll ich denn tun, wenn nichts da ist? "
Honorar bekommen die Mitarbeiter von EOS Field Services nur, wenn sie erfolgreich sind, und die Höhe der Gage ist an den Aufwand gekoppelt.
Schmidt: "Erzwingen kann man gar nichts. Natürlich gibt es andere Inkasso-Unternehmen, die da auch anders vorgehen. Natürlich kann man einen Schuldner nehmen und ihn in die Ecke stellen und würgen, ich meine verbal. Und dann gibt er ihnen auch die letzten 50 Euro, die er hat, nur kommen sie da je wieder rein? Kommen sie je wieder ins Gespräch mit so einem, den sie so behandelt haben? Niemals. "
Wer nichts hat, der bekommt von Schmidt immerhin eine Beratung, wie die Finanzen aus der Schieflage zu holen sind. So wie die junge Frau, bei der der Inkasso-Mann ganz am Anfang seiner Laufbahn mal 300 Euro eintreiben sollte.
Schmidt: "Es ging um den Fall eines Versenders, der Ware geliefert hatte und jetzt eben auf die Begleichung seiner Rechnung wartete, die nicht kam. (...) Es wurde ein Inkasso-Auftrag, und ich bin mit einem Kollegen damals draußen gewesen. Und das Gespräch dann mit der jungen Frau, die Schuldnerin war, war für mich also wirklich bezeichnend. Zwei kleine Kinder, der Mann hat sich wohl aus dem Staub gemacht, die Frau war jetzt alleine mit den Kindern, es konnte nicht mehr so richtig gezahlt werden. (…) Wir haben einfach mal geordnet. Was hat sie für Einkünfte, wo bekommt sie Geld her, was braucht sie, man macht eine Haushaltsrechnung, was braucht sie für die Miete, was braucht sie zum Leben, wo sind noch andere Rechnungen, die bezahlt werden müssen, was bleibt über, was ist zur freien Verfügung, in dem Sinne, dass man es benutzen kann, um Forderungen zu begleichen. (…) Das Schlimme an der Situation für mich persönlich, und es hat mich damals wirklich sehr, sehr betroffen gemacht, das war, dass in diesem Chaos, dem wirklichen Chaos, was da herrschte, eben ein ganz kleines Kind noch herum krabbelte, das im Grunde genommen in einer Situation aufwachsen musste, die da heißt: Ich werde genauso enden. "
Service:
Nähere Informationen über seriöse Inkasso-Unternehmen finden Sie im Internet auf der Homepage des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen, www.bdiu.de, und auch die Handwerks- und Handelskammern informieren über Möglichkeiten, die man hat, wenn Rechnungen nicht bezahlt werden. Die Verbraucherzentralen in den Bundesländern bieten wiederum Hilfestellung bei finanziellen Krisen an, ebenso die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, im Internet auf der Seite www.bag-sb.de.
Schmidt: "Das ist, als wenn sie gegen eine Wand sprechen. Die Leute sind abgestumpft. "
Es ist nicht wirklich schön, Geld einzutreiben.
Schmidt: "Wir haben Schuldnergenerationen. Die Großmutter ist Schuldnerin, die Mutter ist Schuldnerin, das Kind ist Schuldnerin, und in einem Fall weiß ich persönlich auch: Sogar das Enkelkind, obwohl es erst... wie alt ist es jetzt?... "
Uwe Schmidt. Die Inkasso-Branche ist sein Geschäft.
Schmidt: "...Acht oder neun Jahre. Aber man hat mal 18 oder 19 draus gemacht. Weil man ja, gerade wenn man bei Versendern bestellt, auch ein bisschen manipulieren kann. Und dann haben sie ein achtjähriges Kind schon zum Schuldner gemacht. "
Der Außendienst ist der härteste Teil des Metiers. Rausgehen, die Schuldner aufsuchen, nachsehen, ob nicht doch noch Geld da ist für die offene Rechnung. Inkasso von lateinisch incassare, Geld einziehen.
Schmidt: "Mein Auftraggeber erwartet von mir, dass ich eine Lösung finde mit seinem ehemaligen Kunden, dem jetzigen Schuldner. Das Suchen nach dieser Lösung basiert immer auf dem Gespräch, das man führen muss. "
Von den 200 Außendienstmitarbeitern bei EOS Fields Services in Hamburg sind 70 Prozent Frauen, sagt Geschäftsführer Uwe Schmidt. Frauen haben bessere Inkasso-Eigenschaften als Männer.
Schmidt: "Es sind Eigenschaften, die das heißen: Einfühlungsvermögen, Respekt vor dem anderen, man muss sich mit dem Gegenüber, mit dem Menschen, der da in der Bredouille steckt, auf eine Stufe stellen können und nicht von oben herab das Ganze bearbeiten wollen. "
Nähe herstellen und gleichzeitig Distanz: Das Paradoxon erfolgreichen Inkassos.
Schmidt: "Problematisch wird es dann, wenn diese Menschen, ob jetzt Männer oder Frauen, das ist egal, die Probleme, die sie draußen sehen, mit nach Hause nehmen. Dann wird’s eng, denn das wird man auf Dauer nicht aushalten. "
Es ist nicht wirklich schön, Geld einzutreiben.
Ruhland: "Ein Kunde bestellt, wir führen Arbeiten aus, der Kunde bekommt eine Rechnung, der Kunde bekommt eine Mahnung.... "
Und auf unbezahlten Rechnungen zu sitzen, ist auch nicht erfreulich.
Ruhland: "Im Moment sind es bei uns 40.000 Euro, die draußen sind. "
Das ist viel Geld für den Elektro-Installateurmeister Egon-Eckhard Ruhland, Inhaber eines kleinen Fachgeschäftes in Hamburg. Früher hat sein Vater den Betrieb geführt, davor der Großvater.
Ruhland: "Wenn ich mein Geld nicht pünktlich bekomme, dann kann ich es auch nicht pünktlich weiter geben, das ist so ein gewisser Bumerang-Effekt... "
Seine Mitarbeiter wollen pünktlich ihren Lohn, das Finanzamt will Vorsteuern aus jeder geschriebenen Rechnung – egal ob die bezahlt wird oder nicht. Ruhland ist sauer. Auf die Schuldner, auf den Staat.
Ruhland: "Der Gesetzgeber verkennt da also wirklich die Situation, die da im kleinen Handwerksbetrieb oder im mittelständischen Betrieb herrscht, denen fehlen die Mittel, und wenn man Arbeitsplätze schaffen will, dann sollte man das stärken, dann sollte man gerade auf den Mittelstand und die kleineren Betriebe, denn die sind der Motor, und nicht die Großindustrie, die im Ausland produziert. "
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat gerade die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, die er bei 13.700 Handwerksbetrieben in der Bundesrepublik gestartet hatte: Im Jahr 2004 haben 81,3 Prozent aller Betriebe säumige Zahler unter den Kunden, bei 56,7 Prozent sind Zahlungen komplett ausgefallen. Hochgerechnet auf den Gesamtjahresumsatz des Handwerks heißt das: 66 Milliarden Euro wurden zeitverzögert auf das Konto des Handwerkers überwiesen, 5,2 Milliarden sind gar nicht bezahlt worden.
Becker: "Ich habe eine Bäckerei, und das ist traditionell in der Regel ein Bargeschäft. "
Das ist gut für Peter Becker, Präsident der Hamburger Handwerkskammer. Geld gegen Ware, und zwar direkt und sofort, ist der einzige Schutz vor miserabler Zahlungsmoral.
Becker: "Das hat ganz klar seine Gründe in der schlechter gewordenen Konjunkturlage. Alle Betriebe haben enge wirtschaftliche Situationen, und da versucht man natürlich die Liquidität zu erhöhen, indem man einfach seine Rechnungen später begleicht. Gott sei Dank haben wir in Hamburg jetzt mit dem Finanzsenator eine Regelung getroffen, dass wir hier Einhalt gebieten, der Senat hat sich verpflichtet, vorbildlich zu zahlen, wir haben eine Schiedsstelle eingerichtet, insofern hoffe ich, dass zumindest der Bereich öffentliche Hand bei uns in Hamburg kein Thema mehr sein wird, aber auch im privaten Bereich muss man sagen, hat das hier Formen angenommen, die die Betriebe wirklich an die Existenzgrenze bringen. "
Die Hamburger Handwerkskammer versuche so gut es geht, ihre Mitglieder zu unterstützen, sagt der Präsident, sei es bei Bankgesprächen, sei es beim Eintreiben der Forderungen.
Becker: "Wir haben selbst eine Inkassostelle hier, das heißt, die Betriebe können ihre Forderungen abgeben, zu einem relativ günstigen Inkasso-Beitrag, den wir dafür nehmen, das erleichtert ihnen das ganze Handling, das ganze Mahnverfahren, und nachher die juristische Verfolgung dieses Vorganges. (…) Die Betriebe haben eben die Problematik, wenn sie mahnen, dann wird die erste Mahnung in der Regel nicht beachtet, man weiß ja, da kommt noch eine zweite Mahnung, insofern macht das schon mehr Eindruck beim Verbraucher, wenn eine offizielle Firma dieses macht, die dieses Handling auch beherrscht und alle Tricks kennt und nachhaltig das betreibt. "
" Mit rüden Mitteln wollte ein Kleinunternehmer einen Restbetrag über 250 Euro für Renovierungsarbeiten eintreiben lassen. "
Einen "nachhaltigen Eindruck" beim Schuldner zu hinterlassen, ist das einzige Vermögen einer speziellen Sorte von Inkasso-Unternehmen.
" Der Auftraggeber hatte wegen Mängel nicht zahlen wollen. Prompt stand ein zunächst unbekannter Mann vor seiner Tür, der den ausstehenden Betrag plus 50 Euro "Bearbeitungsgebühr" forderte. Bei Nichtzahlung, so kündigte er an, werde er dem 37-Jährigen ins Knie schießen. – Die Welt, Dezember 2004. "
Mehr als 39.000 Unternehmen in Deutschland sind insolvent, Millionen Privathaushalte überschuldet. Angesichts knapper Kassen versuchen immer mehr Menschen, ihre Außenstände mit rabiaten Schlägertrupps einzutreiben.
" "Ihr Schuldner muss kein Russisch können - er wird uns auch so verstehen." Werbeslogan eines Geldeintreibers."
Ohle: "Schwarze Schafe als Geldeintreiber sind keine Inkasso-Unternehmen. "
Dr. Carsten Ohle, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen.
Ohle: "Inkasso-Unternehmen benötigen für ihre Tätigkeit eine spezielle Erlaubnis. "
Immer wieder wird seine Branche mit Vorurteilen konfrontiert, die ihn und die Unternehmen seines Verbandes in die Nähe mysteriöser Schlägertrupps stellen.
Ohle: "Sicherlich, diese Firmen sagen nicht, wie sie vorgehen, und sie sagen, sie gehen korrekt vor. Sie können doch nicht sagen, wir drohen den Leuten an, dass wir ihnen die Arme brechen oder Schlimmeres. Damit machen sie sich ja von Anfang an schon strafbar, wenn sie so etwas ankündigen. (…) Die Bestrafung trifft nicht nur den, der das tatsächlich ausübt, sondern sie kann genauso den treffen, der ein solches Individuum beauftragt. Stichwort Anstiftung. "
Carsten Ohle, seit 15 Jahren im Bundesverband und um den guten Ruf der Branche bemüht, will in Kooperation mit der Handelskammer Hamburg erreichen, dass es künftig mehr seriöse und vor allem besser geschulte Inkasso-Mitarbeiter gibt.
Ohle: "Das muss so 2000/2001 gewesen sein, als die Handelskammer Hamburg mal ein Brainstorming machte und in einer Mitteilung darüber berichtete, in welche neuen Berufsgruppen vielleicht investiert werden sollte in Richtung Ausbildung. Daraus wuchs dann der Gedanke, dass wir sicherlich noch keinen eigenen Lehrberuf des Inkassokaufmanns damit initiieren könnten, aber wir kamen auf die Idee, der Ausbildung Bürokauffrau/Bürokaufmann eine Zusatzqualifikation zu verleihen, nämlich Zusatzqualifikation Inkasso, (...) Und gerade dieses Jahr im Juni 2005 hat der erste Durchgang erfolgreich abgeschlossen. "
Imelmann: "Es ist kein Geld da. Da kann auch ein Inkasso-Büro nichts machen. "
Horst Imelmann. Er führt ein Bestattungsunternehmen, in dritter Generation.
Imelmann: "Im Moment habe ich ... aktuell vier Fälle, nur, Gott sei Dank. Nur vier Fälle. Aber der eine Fall, der hat 9200 Euro, ein Fall sind 4500 Euro, und denn noch ein paar kleinere. (…) So, jetzt hab ich Außenstände von, ich sach jetzt mal eine Summe, 15.000 Euro, kann ich meine Mitarbeiter noch halten? Oder muss ich einen von den Mitarbeitern entlassen? Das sind Fragen, die sich jetzt langsam auftun. "
Wenn Kunden nicht bezahlen, dann ist das schlecht für den Betrieb. Was aber den Bestatter Imelmann genauso wie den Elektro-Installateur Ruhland noch zusätzlich frustriert, ist die Abgebrühtheit, mit der manche vorsätzlich um Arbeitslöhne betrügen.
Imelmann: "Man wird mit der Zeit immer stinkiger. Sach ich jetzt mal so flapsig. "
Ruhland: "Ein Kunde bestellt, wir führen Arbeiten aus, der Kunde bekommt eine Rechnung, der Kunde bekommt eine Mahnung, er wird angeschrieben, und dann teilt der Kunde dann, in dem Moment, wo es jetzt zum Prozess kommt, mit, ja, ich bin gar nicht der Auftraggeber, Auftrag gegeben hat mein Vater oder eine sonstige Person, obwohl Arbeitszettel, Auftrag, alles, Unterschriften, alles auf den Kunden lauten. "
Imelmann: "Ich habe einen Fall, da habe ich die Tochter, die mir 4500 Euro schuldet, nachdem sie also die Rechnung bekommen hat und eine Zahlungsaufforderung, hat sie mir geschrieben: Es tut mir leid, Herr Imelmann, ich kann die Bestattungskosten nicht zahlen, meine Mutter hat mir nichts hinterlassen, ich bin Hausfrau, mein Mann ist Alleinverdiener. Da hab ich sie verklagt, wegen Betruges, denn das hat sie ja vorher gewusst, sie hat ja eine Beerdigung in Auftrag gegeben mit allem, was dazu gehört. "
Da läuft etwas schief, findet auch Uwe Schmidt vom Inkasso-Unternehmen EOS Field Services.
Schmidt: "Ich bin jetzt mit meinen 56 auch nicht mehr der Jüngste, aber ich kann mich noch gut dran erinnern, dass bei uns zu Hause wirklich Wert darauf gelegt wurde, dass die Rechnung, wenn sie kam, auch bezahlt wurde, und das so schnell wie möglich. Und das war ja in der 50er Jahren, da war ja nun auch nicht alles rosig. Aber man hatte ein anderes Gefühl dazu, man hatte eine andere Verantwortung dazu. Man hat gesagt: Wenn ich mir was kaufe, dann muss ich es auch zahlen. "
Schon junge Leute knapp über 18 gehören zu den Schuldnern, die Schmidt und seine Leute tagtäglich aufsuchen. Oft geht es um unbezahlte Handyrechnungen von 500, 600 Euro. Luxus, den sich viele Menschen leisten, obwohl sie es nicht können. Aber viele der Schuldner, die Uwe Schmidt trifft, leben am Existenzminimum und haben einfach keinen Cent mehr übrig.
Schmidt: "Natürlich will unser Auftraggeber immer Geld sehen, das ist klar. Nur was soll ich denn tun? Was soll ich denn tun, wenn nichts da ist? "
Honorar bekommen die Mitarbeiter von EOS Field Services nur, wenn sie erfolgreich sind, und die Höhe der Gage ist an den Aufwand gekoppelt.
Schmidt: "Erzwingen kann man gar nichts. Natürlich gibt es andere Inkasso-Unternehmen, die da auch anders vorgehen. Natürlich kann man einen Schuldner nehmen und ihn in die Ecke stellen und würgen, ich meine verbal. Und dann gibt er ihnen auch die letzten 50 Euro, die er hat, nur kommen sie da je wieder rein? Kommen sie je wieder ins Gespräch mit so einem, den sie so behandelt haben? Niemals. "
Wer nichts hat, der bekommt von Schmidt immerhin eine Beratung, wie die Finanzen aus der Schieflage zu holen sind. So wie die junge Frau, bei der der Inkasso-Mann ganz am Anfang seiner Laufbahn mal 300 Euro eintreiben sollte.
Schmidt: "Es ging um den Fall eines Versenders, der Ware geliefert hatte und jetzt eben auf die Begleichung seiner Rechnung wartete, die nicht kam. (...) Es wurde ein Inkasso-Auftrag, und ich bin mit einem Kollegen damals draußen gewesen. Und das Gespräch dann mit der jungen Frau, die Schuldnerin war, war für mich also wirklich bezeichnend. Zwei kleine Kinder, der Mann hat sich wohl aus dem Staub gemacht, die Frau war jetzt alleine mit den Kindern, es konnte nicht mehr so richtig gezahlt werden. (…) Wir haben einfach mal geordnet. Was hat sie für Einkünfte, wo bekommt sie Geld her, was braucht sie, man macht eine Haushaltsrechnung, was braucht sie für die Miete, was braucht sie zum Leben, wo sind noch andere Rechnungen, die bezahlt werden müssen, was bleibt über, was ist zur freien Verfügung, in dem Sinne, dass man es benutzen kann, um Forderungen zu begleichen. (…) Das Schlimme an der Situation für mich persönlich, und es hat mich damals wirklich sehr, sehr betroffen gemacht, das war, dass in diesem Chaos, dem wirklichen Chaos, was da herrschte, eben ein ganz kleines Kind noch herum krabbelte, das im Grunde genommen in einer Situation aufwachsen musste, die da heißt: Ich werde genauso enden. "
Service:
Nähere Informationen über seriöse Inkasso-Unternehmen finden Sie im Internet auf der Homepage des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen, www.bdiu.de, und auch die Handwerks- und Handelskammern informieren über Möglichkeiten, die man hat, wenn Rechnungen nicht bezahlt werden. Die Verbraucherzentralen in den Bundesländern bieten wiederum Hilfestellung bei finanziellen Krisen an, ebenso die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, im Internet auf der Seite www.bag-sb.de.