Wenn der Vater den Text beherrscht
Josef Winklers Bücher kreisten stets um Kärnten und um seinen Vater. In "Roppongi" wird der Tod des Vaters zum Anlass, Kindheitserinnerungen assoziativ heraufzubeschwören. Die Motive, die schon in anderen Büchern anklangen, werden hier noch einmal verdichtet.
Schon immer hat Josef Winkler die Abgründe Kärntens durchleuchtet, Kärnten ist sein ständig neu angeschlagenes Thema: die Bauern, der Katholizismus, die Familie. Seit dem Debüt "Menschenkind" von 1979 skandiert Winkler diesen Komplex, er tut dies in immer wieder neuen Rhythmen und Rhythmuswechseln, und der Katholizismus fächert sich vor allem auf in die Sexualität, die Gewalt und den Tod.
Alle seine Bücher - und sie sind sehr variantenreich - kreisen darum, Winklers Stil lebt von Wiederholungen, die in ihrer Eigenart auch etwas Meditatives haben können. Der Tod, ein vor allem in Österreich in der Kunst hochkultivierter Topos, wird dabei obsessiv besetzt.
Winklers neuestes Buch ist von daher in gewisser Weise ein Höhe- und Umkehrpunkt seiner Prosa, denn im Zentrum steht der Tod seines Vaters - des Vaters, der Ausgangspunkt all seiner Leiden war, seiner autobiographisch durchdrungenen Wortkaskaden. "Der Ackermann aus Kärnten", Winklers zweites Buch aus dem Jahr 1980, hatte den Vater sogar zur Titelfigur erhoben.
Im Herbst 2004 ist Josef Winkler nicht in seiner Heimat, sondern auf Lesereise in Japan. Da erfährt er vom Tod seines 99-jährigen Vaters. Sofort tauchen aus der Erinnerung jene Sätze auf, mit denen der Vater den Sohn einmal am Telefon anschrie: "Sepp! Was bist denn du für ein Schwein, ein richtiger Sauhund bist du!" Und danach: "Ich sag dir nur eines! Wenn ich einmal nicht mehr bin, dann möchte ich nicht, dass du zu meinem Begräbnis kommst!"
Das hat der Vater jetzt auf jeden Fall erreicht. Im japanischen Roppongi hätte Josef Winkler eh kaum eine Möglichkeit, Flüge umzubuchen und rechtzeitig im entlegenen Kärnten aufzukreuzen. Aber diese Situation bietet natürlich den Anlass, sämtliche Motive seiner Literatur auf dieses Ereignis hin zuzuspitzen. Der Tod des Vaters wird assoziativ zusammengedacht mit all den Erinnerungen an die Kindheit, die schon oft beschworen worden sind und hier noch einmal konzentriert vorgeführt werden, eine neue Dichte erreichen. Vor allem aber die Einäscherungsplätze im indischen Varanasi, die Winkler bereits in "Domra - Am Ufer des Ganges" von 1996 aufgesucht und aufgerufen hat, treten jetzt mit dem Vater in Verbindung.
Winkler bündelt aber nicht nur seine Motive neu, sondern mischt auch die literarischen Formen. Eingangs zitiert er einen Brief, den er an den Schriftstellerkollegen Bodo Kirchhoff aus Indien schrieb, über das Sterben der Geier, und aus diesem kolloquialen Beginn erwachsen essayistische, poetische, expressive Prosaschübe. Der "Ackermann" ist tot. Ob Winkler aber in Zukunft anders schreiben wird, andere Themen in den Vordergrund rücken werden, ist offen. Er ist ein Virtuose, der nur wenige Akkordfolgen braucht.
Rezensiert von Helmut Böttiger
Josef Winkler: Roppongi. Requiem für einen Vater
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
130 Seiten, 17,80 Euro
Alle seine Bücher - und sie sind sehr variantenreich - kreisen darum, Winklers Stil lebt von Wiederholungen, die in ihrer Eigenart auch etwas Meditatives haben können. Der Tod, ein vor allem in Österreich in der Kunst hochkultivierter Topos, wird dabei obsessiv besetzt.
Winklers neuestes Buch ist von daher in gewisser Weise ein Höhe- und Umkehrpunkt seiner Prosa, denn im Zentrum steht der Tod seines Vaters - des Vaters, der Ausgangspunkt all seiner Leiden war, seiner autobiographisch durchdrungenen Wortkaskaden. "Der Ackermann aus Kärnten", Winklers zweites Buch aus dem Jahr 1980, hatte den Vater sogar zur Titelfigur erhoben.
Im Herbst 2004 ist Josef Winkler nicht in seiner Heimat, sondern auf Lesereise in Japan. Da erfährt er vom Tod seines 99-jährigen Vaters. Sofort tauchen aus der Erinnerung jene Sätze auf, mit denen der Vater den Sohn einmal am Telefon anschrie: "Sepp! Was bist denn du für ein Schwein, ein richtiger Sauhund bist du!" Und danach: "Ich sag dir nur eines! Wenn ich einmal nicht mehr bin, dann möchte ich nicht, dass du zu meinem Begräbnis kommst!"
Das hat der Vater jetzt auf jeden Fall erreicht. Im japanischen Roppongi hätte Josef Winkler eh kaum eine Möglichkeit, Flüge umzubuchen und rechtzeitig im entlegenen Kärnten aufzukreuzen. Aber diese Situation bietet natürlich den Anlass, sämtliche Motive seiner Literatur auf dieses Ereignis hin zuzuspitzen. Der Tod des Vaters wird assoziativ zusammengedacht mit all den Erinnerungen an die Kindheit, die schon oft beschworen worden sind und hier noch einmal konzentriert vorgeführt werden, eine neue Dichte erreichen. Vor allem aber die Einäscherungsplätze im indischen Varanasi, die Winkler bereits in "Domra - Am Ufer des Ganges" von 1996 aufgesucht und aufgerufen hat, treten jetzt mit dem Vater in Verbindung.
Winkler bündelt aber nicht nur seine Motive neu, sondern mischt auch die literarischen Formen. Eingangs zitiert er einen Brief, den er an den Schriftstellerkollegen Bodo Kirchhoff aus Indien schrieb, über das Sterben der Geier, und aus diesem kolloquialen Beginn erwachsen essayistische, poetische, expressive Prosaschübe. Der "Ackermann" ist tot. Ob Winkler aber in Zukunft anders schreiben wird, andere Themen in den Vordergrund rücken werden, ist offen. Er ist ein Virtuose, der nur wenige Akkordfolgen braucht.
Rezensiert von Helmut Böttiger
Josef Winkler: Roppongi. Requiem für einen Vater
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
130 Seiten, 17,80 Euro