Wenn der Wald verholzt
Deutschland gilt mit seinen reichen Waldbeständen als profitabler Holzstandort. Staatliche Revierförster kontrollieren, dass in den Wäldern nur soviel Holz geerntet wird, wie gleichzeitig nachwächst. In Thüringen wird auf Anregung eines Unternehmers etwas Neues ausprobiert: eine "Public-Private-Partnership" im Wald.
Tonnenschwere, drei Meter lange Baumstücke fahren quer hinein in die Sägehalle: Rotbuchen – circa 120 Jahre alt. Stählerne Haken krallen sich in grüngraue Rinde. Ein grell-roter Laserstrahl vermisst das Holz. Vollautomatisch. Dann schiebt die Maschine die Buche voran, dem rasant rotierenden Sägeblatt entgegen. Pfeifend verschwindet es im Holz.
" Es gibt zwei Sägenführer, die diese Säge steuern bzw. überwachen. Einer sitzt drinnen in der Kabine und einer sitzt hier draußen und der hier draußen ist für die Qualität verantwortlich, der schaut sich den Stamm von Stirn und Mantelfläche an und entscheidet immer von welcher Seite der nächste Schnitt gemacht wird. Und zwar immer mit der möglichst besten, höchsten Qualität. "
Rund eine halbe Million Buchenstämme pro Jahr werden hier zu Brettern verarbeitet, sagt Lars Schmidt, Marketingleiter bei der Firma Pollmeier Massivholz in Creuzburg. Im Dreischicht-Betrieb wird hier gesägt – rund um die Uhr. Die Bäume kommen aus den Wäldern im Umkreis von 150 Kilometern - aus Thüringen und aus Hessen. Die fertigen Bretter werden getrocknet, geschliffen, sortiert - und dann in alle Welt verkauft. An Möbelhersteller, Fußböden- und Treppenbauer. Aber auch alle Holzreste, die nicht mehr als Bretter taugen, werden noch zu Geld gemacht. Gehen an Spanplattenhersteller oder als Holzhackschnitzel in Biokraftwerke.
" Wir sind ein Zerlegebetrieb, ähnlich wie eine Großschlachterei, die aus dem Stamm eine Vielzahl von Produkten eben marktgerecht aufbereitet und eben eine hundertprozentige Ausnutzung des Stammes erzielt. "
Vor allem Bäume der unteren Qualitätsklassen werden bei Pollmeier l verarbeitet. Krumme Stämme mit vielen Astlöchern, die früher nur als Brennholz taugten oder allenfalls für die Herstellung von Paletten. Die Besten Bretter aus billigster Buche – das ist das Erfolgsrezept, mit dem sich Ralf Pollmeier vom thüringischen Creuzburg aus an die Spitze des Weltmarktes gesägt hat. In einer Zeit, da viele in der Holzbranche dem Standort Deutschland keine Chance mehr gaben.
" Es gibt ja tausend andere Laubholzsäger. Denen es zehn Jahre zuvor schlecht gegangen ist. Die haben immer nur geschimpft auf die hohen Holzpreise, auf die faulen Arbeitnehmer, auf die Scheißindustrie, auf die zu vielen Steuergesetze und ich weiß nicht was – das ist ja alles Kokolores, die haben sich schlicht und einfach zu wenig Gedanken macht. "
Ralf Pollmeier ist 44 Jahre alt, trägt Bluejeans, schwarzes Sweatshirt und Sportschuhe. Wirkt lässig und eher zurückhaltend. "Zu Anfang wurden wir häufig unterschätzt", sagt der Chef des Sägewerk-Unternehmens mit insgesamt 700 Mitarbeitern. Mit Mitte zwanzig hatte der westfälische Tischlersohn sein Maschinenbau- und Betriebswirtschaftsstudium abgebrochen, um einige Jahre Sägewerkserfahrung in den USA zu sammeln. Machte sich dort auch selbstständig. Doch dann 1995 – ging er zurück nach Deutschland - in das Waldland Thüringen. Angelockt durch großzügige staatliche Fördergelder, die Investoren in den neuen Bundesländern damals gewährt wurden, und getrieben von der Idee mit deutschen Buchenholz-Brettern den Markt zu erobern.
" Wir haben an sich nur ein gutes nordamerikanisches Sägewerk kopiert. Sind gar nicht mal selber so kreativ gewesen. Ich bin immer wieder erstaunt, dass anderen das nicht früher eingefallen ist und auch dass wir so wenig kopiert werden. Wir haben relativ wenig Wettbewerb. Ich verstehe es nicht."
Fast die Hälfte des 30 Millionen Euro teueren Sägewerkes, das Pollmeier in Creuzburg baute, bekam er als Investitionszuschuss von der EU. 50 Millionen Euro kosten pro Stück, kosten die beiden neuesten, gigantischen Sägewerke in Bayern und in Baden-Württemberg. Aber inzwischen kommt Pollmeier auch ohne staatliche Investitionshilfen zurecht. Nach der EU-Erweiterung gäbe es zwar wieder Subventionen, für Investitionen in den Beitrittsländern. Aber während andere der Branche versuchen, mit Schnittholz-Importen aus Osteuropa über die Runden zu kommen, setzt Pollmeier ganz bewusst auf den Holzstandort Deutschland.
" Das machen wir, weil die Infrastruktur in Deutschland, sei es Straßen, Eisenbahnen, Abnehmer im Restholzbereich ist einfach besser als in Osteuropa. Wir haben vor allem in Deutschland – das ist für uns das wichtigste Argument – eine bessere Forstwirtschaft. Die ist einfach besser organisiert. Wir können in Deutschland besser Holz einkaufen als in Osteuropa. "
Dass der thüringische Groß-Säger in Deutschland sich zuverlässig mit dem nachwachsenden Rohstoff versorgen kann, liegt an einer Forstwirtschaft, die seit rund 200 Jahren auf das Prinzip der Nachhaltigkeit setzt. Das heißt: Staatliche Forstämter und Revierförster kontrollieren, dass in den Wäldern nur soviel Holz im Wald geerntet wird , wie gleichzeitig nachwächst. Und tragen Sorge dafür, dass der Wald nicht nur als Holzproduzent, sondern auch der Umwelt und der Erholung dient. Dieses Prinzip gilt nicht nur für staatseigene, sondern auch für private Wälder. Und es hat sich bewährt.
" Wir profitieren letztendlich von der guten Waldwirtschaft unserer Vorfahren vor hundert Jahren. Wir sind die Nutznießer. "
Schmidt: " Die Nachfrage nach Holz, nach Buche aus Deutschland wächst auf den Weltmärkten kontinuierlich. Das große Problem, was wir zukünftig haben werden, ist unsere Werke kontinuierlich mit Holz zu versorgen. "
… sagt Marketingleiter Lars Schmidt. Holz ist in deutschen Wäldern im Überfluss vorhanden, weil die Zuwächse dort seit Jahren deutlich über der Entnahme liegen. Das belegen die Zahlen der jährlichen Bundeswaldinventur. Doch die größten ungenutzten Ressourcen, so zeigen die Bestandsaufnahmen, schlummern nicht in den staatlichen Wäldern, sondern im privaten Waldbesitz. Aber gerade dort wird es immer schwieriger, die Holzvorräte zu erschließen.
Schmidt: " Der Staat zieht sich mehr und mehr aus Kostengründen aus der Privatwaldbetreuung zurück, das kostet nun mal Geld. Aber wir stellen fest: Wenn der Staat sich aus der Privatwaldbetreuung zurückzieht, dann sinkt das Holzaufkommen in dem jeweiligen Bundesland, weil einfach die Betreuungsintensität nachlässt. "
Hinzu kommt, dass der Staat immer mehr seine eigenen Wälder verkauft. Das Bundesland Schleswig-Holstein zum Beispiel will seinen gesamten Waldbesitz privatisieren, um mit den Verkaufserlösen die Landeskasse zu sanieren. Im Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern, wo die Firma Pollmeier ein Zweigwerk betreibt, machen sich die Folgen der Wald-Privatisierung schon jetzt drastisch bemerkbar.
Schmidt: " In Mecklenburg haben wir genug Buche, der Rohstoff ist sicherlich da. Aber mit zunehmender Privatisierung stellen wir fest, dass dort immer weniger Holzaufkommen auf der Fläche ist. Dass heißt, es macht den Holzeinkauf dort zunehmend schwierig, wir kriegen einfach nicht dieses Werk in ausreichendem Maße versorgt. Und wir müssen das Holz aus Baden-Württemberg dorthin fahren, um überhaupt einschichtig fahren zu können und das trotz guter Marktlage. "
Auch in Thüringen – wo das Stammwerk von Pollmeiers Sägeunternehmen steht – gibt es viele kleine Privatwaldbesitzer. 180.000 insgesamt. Bis zu 60 Prozent ließe sich die Holznutzung dort theoretisch noch steigern, sagen Forstleute. In Thüringen werden die privaten Waldbesitzer noch von den staatlichen Forstämtern und Revierförstern mit betreut, wenn sie es wollen. Aber auch hier wird gespart.
Die Zahl der Revierförstereien wurde in den letzten Jahren von 380 auf 300 fast um ein Viertel reduziert. Die Zahl der Forstämter sogar um mehr als die Hälfte. Von 60 auf 28. Auf der einen Seite gibt es immer weniger Förster, die sich um den Privatwald kümmern können. Auf der anderen Seite ist die Sägeindustrie scharf auf die dort wachsenden, ungenutzten Holzvorräte. Deshalb soll in Thüringen auf Anregung des Creuzburger Unternehmers Pollmeier und des Sägewerkerverbandes jetzt etwas völlig Neues ausprobiert werden: "Eine Public-Private-Partnership im Wald."
Das Dorfgasthaus von Altdörnfeld kann den Besucheransturm kaum bewältigen. Der kleine Festsaal ist übervoll. Ein Teil der rund 150 Gäste steht an den Wänden und im Flur. Bauern, Ingenieure, Sozialpädagogen, Hausfrauen – die alle eines gemeinsam haben: Sie besitzen ein Stück Wald. Zumeist ererbt und ziemlich klein.
1. Mann: " Ich hab nur fünf Hektar. Buche, Eiche, Fichte."
2. Mann: " Knapp zwei. Vorwiegend Fichte. "
3. Mann: " Zwei-fünf. Fichte und Buche.
Frau: '' Ich selber hab keinen Wald ich bin nur in Vertretung für meinen Sohn hier, der hat 1,38 Hektar. "
Die anwesenden Waldbesitzer blicken gespannt nach vorne zum Podium.
Fünf grün uniformierte Forstleute und zwei Mitarbeiter der Firma Pollmeier. "Waldpflege und Waldbewirtschaftung zur Walderhaltung für kommende Generationen" so lautet – etwas hölzern - das Thema des heutigen, ersten Informationsabends. Eingeladen hat die "Privatwald-Förderung Thüringen", die gerade gegründete Public-Private-Partnership aus Landesforstverwaltung und Mitteldeutschen Sägewerkerverband. Nach einer kurzen Begrüßungsansprache kommt ein Herr Otto vom Forstamt Bad Berka zur Sache. Hinter ihm, auf einer Leinwand erscheint eine grüne Computergrafik:
Otto: " Wie Sie im ersten Punkt sehen ist das Problem, was wir in Thüringen haben, dass circa 70.000 Hektar Privatwald nicht beförstert sind. Das heißt nicht, dass sie nicht bewirtschaftet sind, aber das bezieht sich in der Regel auf Brennholz-Nutzung."
Die anwesenden Klein- und Kleinst-Waldbesitzer nicken. Hin und wieder ein bisschen Brennholz, das machen hier viele in ihrem Wald. Aber mehr auch nicht. Die meisten lassen ihren Wald einfach nur wachsen. Aber das ist verkehrt, jedenfalls im Sinne einer nachhaltigen Forstwirtschaft, erläutert Forstmann Otto:
" Wenn Sie beim Wald nichts entnehmen, das heißt nicht durchforsten und nicht pflegen, verschlechtert sich Ihr Waldzustand. Er wird sehr viel mehr anfälliger gegen Schadereignisse wie Stürme oder auch Insekten. Sie tun also ihrem Wald nichts Gutes, wenn sie nicht eingreifen. "
Auf der Leinwand erscheinen nun zwei Bilder. Links: Eine ungepflegte, trockene und dunkle Dickung. Rechts daneben: Ein lichter Hochwald mit artenreichem Unterwuchs. So sieht ein gepflegter, naturnaher Wirtschaftswald aus, erfahren die Waldbesitzer. Es folgt ein neues Bild: Eine Baumscheibe, deren Jahresringe nach außen hin plötzlich sichtbar stärker werden: Das zusätzliche Wachstum nach einer Durchforstung, sagt der thüringische Forstbeamte. Seit Jahrhunderten hätten die Förster Erfahrungen mit der optimalen Pflege und Nutzung der Wälder. Ein Fachwissen, das vielen privaten Waldbesitzern fehlt.
" Deshalb wollen wir mit Ihnen über Ihren Wald reden und uns ihre Waldbestände draußen anschauen und geeigneten Maßnahmen, wie zum Beispiel Pflegeeingriffe oder Durchforstungen zu sprechen, um im Sinne einer naturnahen Waldwirtschaft auch nachhaltig Forstwirtschaft richtig zu betreiben. "
Eine gute Bewirtschaftung des Waldes ist von ökologischem und ökonomischem Vorteil – das ist die immer wiederkehrende Botschaft. Und dass man sich als Waldbesitzer ab sofort an die neue "Privatwald-Förderung Thüringen" wenden kann. Welche Aufgabe bei der "Privatwald-Förderung" die Mitarbeiter aus der Sägeindustrie eigentlich übernehmen sollen, bleibt den anwesenden Waldbesitzern jedoch schleierhaft. Sie sind skeptisch:
" So ganz habe ich das jetzt hier noch nicht verstanden, das muss ich echt sagen. Für mich ist jetzt hier der Förster zuständig, und zu dem gehe ich und der berät mich, ich weiß nicht, was die Herrschaften da drüben machen. "
Die Pollmeier-Leute sollen die Förster nur bei der ersten Kontaktaufnahme zu Waldbesitzern unterstützen, heißt es vom Podium. Bislang war es für viele Kleinwaldbesitzer ein Verlustgeschäft, ihren Wald zu durchforsten, sagt Herr Heyne vom Verband der privaten Waldbesitzer. Die Preise, die von der Sägeindustrie geboten wurden, waren einfach zu niedrig. Vor allem für die einfachen Baum-Qualitäten, die bei der Durchforstung anfallen. Doch nun hat sich der Wind gedreht. Die hohen Öl- und Gaspreise haben im Wald eine starke Nachfrage nach Brennholz ausgelöst. Das sei ein interessantes Geschäft auch für kleine Waldbesitzer. Weil sich die Brennholzkäufer ihre Bäume selber fällen, außerdem gut und sofort bezahlen. Darauf müsse sich auch die Sägeindustrie einstellen, gibt Heyne zu bedenken:
" Wenn der Säger nicht viel mehr zahlt als der Selbstwerber für Brennholz, der natürlich jedes Jahr eine bestimmte Menge für das Kaminholz immer wieder haben will oder für seine moderne Holzheizung, wenn da nicht mehr gezahlt wird, wird ein erheblicher Teil der Holzmenge in die energetische Verwertung gehen. "
Genau das will man bei Pollmeier verhindern. Denn dort will man aus den Bäumen Bretter sägen, anstatt sie einfach im Ofen zu verheizen. Aber man könne mit den Privatwald-Besitzern durchaus zu guten Kompromissen kommen, sagt Sägewerks-Manager Lars Schmidt:
" Wir argumentieren in der Richtung und sagen, wenn Du deinen Wald nutzt, wenn Du einen Baum umschlägst, da sind dann - na ja – 30 Prozent Stammholz dran, ein bißchen Industrieholz, dass kann man verkaufen, vermarkten und dann ist immer noch sehr viel Kronenholz da für dich als Brennholz. "
Die Waldbesitzer-Versammlung im Altdörnfelder Dorfgasthaus neigt sich dem Ende zu. Einige Anwesende stellen noch Fragen zu Fördergeldern. Der Wirt kassiert schnell die letzten Biere, dann ist die erste Informationsveranstaltung der Initiative Privatwald-Förderung Thüringen beendet. Das große Interesse hat vor allem eines gezeigt. Die Privatwald-Besitzer wollen Rat und Hilfe vom unabhängigen Förster.
" Ich persönlich wäre der Meinung, der Forst sollte wieder Förster für den Privatwald einstellen, der sich um die Belange der Privatwaldbesitzer kümmert. "
Mehr Förster statt immer weniger und eine staatliche Betreuung des Privatwaldes – genau das fordert auch der Sägewerker Ralf Pollmeier. Nicht nur weil das für die Ökologie des Waldes am besten ist, sondern weil der Staat ihm damit kostengünstig hilft, seinen Holznachschub zu sichern. Aber davon könne schließlich auch die Volkswirtschaft profitieren argumentiert der findige Unternehmer
" Wenn man berücksichtigt, dass mit jedem Festmeter Holz, der eingeschlagen wird und stofflich genutzt wird, zum Beispiel zu Brettern verarbeitet wird, zwischen 50 und 70 Euro Steuereinnahmen für den Fiskus entstehen, dann ist es denke ich durchaus zu vertreten, dass man bei der Betreuung des Waldes pro Kubikmeter mit 15 Euro bezuschusst, wenn der Saldo unter dem Strich ja 40 Euro plus ist. "
Der größte Laubholzsäger Europas nutzt seinen Einfluss auch, um der bewährten deutschen Forstwirtschaft den Rücken zu stärken, sie gegen neoliberale Privatisierungstendenzen zu verteidigen. Auch zum eigenem Vorteil natürlich.
" Es gibt zwei Sägenführer, die diese Säge steuern bzw. überwachen. Einer sitzt drinnen in der Kabine und einer sitzt hier draußen und der hier draußen ist für die Qualität verantwortlich, der schaut sich den Stamm von Stirn und Mantelfläche an und entscheidet immer von welcher Seite der nächste Schnitt gemacht wird. Und zwar immer mit der möglichst besten, höchsten Qualität. "
Rund eine halbe Million Buchenstämme pro Jahr werden hier zu Brettern verarbeitet, sagt Lars Schmidt, Marketingleiter bei der Firma Pollmeier Massivholz in Creuzburg. Im Dreischicht-Betrieb wird hier gesägt – rund um die Uhr. Die Bäume kommen aus den Wäldern im Umkreis von 150 Kilometern - aus Thüringen und aus Hessen. Die fertigen Bretter werden getrocknet, geschliffen, sortiert - und dann in alle Welt verkauft. An Möbelhersteller, Fußböden- und Treppenbauer. Aber auch alle Holzreste, die nicht mehr als Bretter taugen, werden noch zu Geld gemacht. Gehen an Spanplattenhersteller oder als Holzhackschnitzel in Biokraftwerke.
" Wir sind ein Zerlegebetrieb, ähnlich wie eine Großschlachterei, die aus dem Stamm eine Vielzahl von Produkten eben marktgerecht aufbereitet und eben eine hundertprozentige Ausnutzung des Stammes erzielt. "
Vor allem Bäume der unteren Qualitätsklassen werden bei Pollmeier l verarbeitet. Krumme Stämme mit vielen Astlöchern, die früher nur als Brennholz taugten oder allenfalls für die Herstellung von Paletten. Die Besten Bretter aus billigster Buche – das ist das Erfolgsrezept, mit dem sich Ralf Pollmeier vom thüringischen Creuzburg aus an die Spitze des Weltmarktes gesägt hat. In einer Zeit, da viele in der Holzbranche dem Standort Deutschland keine Chance mehr gaben.
" Es gibt ja tausend andere Laubholzsäger. Denen es zehn Jahre zuvor schlecht gegangen ist. Die haben immer nur geschimpft auf die hohen Holzpreise, auf die faulen Arbeitnehmer, auf die Scheißindustrie, auf die zu vielen Steuergesetze und ich weiß nicht was – das ist ja alles Kokolores, die haben sich schlicht und einfach zu wenig Gedanken macht. "
Ralf Pollmeier ist 44 Jahre alt, trägt Bluejeans, schwarzes Sweatshirt und Sportschuhe. Wirkt lässig und eher zurückhaltend. "Zu Anfang wurden wir häufig unterschätzt", sagt der Chef des Sägewerk-Unternehmens mit insgesamt 700 Mitarbeitern. Mit Mitte zwanzig hatte der westfälische Tischlersohn sein Maschinenbau- und Betriebswirtschaftsstudium abgebrochen, um einige Jahre Sägewerkserfahrung in den USA zu sammeln. Machte sich dort auch selbstständig. Doch dann 1995 – ging er zurück nach Deutschland - in das Waldland Thüringen. Angelockt durch großzügige staatliche Fördergelder, die Investoren in den neuen Bundesländern damals gewährt wurden, und getrieben von der Idee mit deutschen Buchenholz-Brettern den Markt zu erobern.
" Wir haben an sich nur ein gutes nordamerikanisches Sägewerk kopiert. Sind gar nicht mal selber so kreativ gewesen. Ich bin immer wieder erstaunt, dass anderen das nicht früher eingefallen ist und auch dass wir so wenig kopiert werden. Wir haben relativ wenig Wettbewerb. Ich verstehe es nicht."
Fast die Hälfte des 30 Millionen Euro teueren Sägewerkes, das Pollmeier in Creuzburg baute, bekam er als Investitionszuschuss von der EU. 50 Millionen Euro kosten pro Stück, kosten die beiden neuesten, gigantischen Sägewerke in Bayern und in Baden-Württemberg. Aber inzwischen kommt Pollmeier auch ohne staatliche Investitionshilfen zurecht. Nach der EU-Erweiterung gäbe es zwar wieder Subventionen, für Investitionen in den Beitrittsländern. Aber während andere der Branche versuchen, mit Schnittholz-Importen aus Osteuropa über die Runden zu kommen, setzt Pollmeier ganz bewusst auf den Holzstandort Deutschland.
" Das machen wir, weil die Infrastruktur in Deutschland, sei es Straßen, Eisenbahnen, Abnehmer im Restholzbereich ist einfach besser als in Osteuropa. Wir haben vor allem in Deutschland – das ist für uns das wichtigste Argument – eine bessere Forstwirtschaft. Die ist einfach besser organisiert. Wir können in Deutschland besser Holz einkaufen als in Osteuropa. "
Dass der thüringische Groß-Säger in Deutschland sich zuverlässig mit dem nachwachsenden Rohstoff versorgen kann, liegt an einer Forstwirtschaft, die seit rund 200 Jahren auf das Prinzip der Nachhaltigkeit setzt. Das heißt: Staatliche Forstämter und Revierförster kontrollieren, dass in den Wäldern nur soviel Holz im Wald geerntet wird , wie gleichzeitig nachwächst. Und tragen Sorge dafür, dass der Wald nicht nur als Holzproduzent, sondern auch der Umwelt und der Erholung dient. Dieses Prinzip gilt nicht nur für staatseigene, sondern auch für private Wälder. Und es hat sich bewährt.
" Wir profitieren letztendlich von der guten Waldwirtschaft unserer Vorfahren vor hundert Jahren. Wir sind die Nutznießer. "
Schmidt: " Die Nachfrage nach Holz, nach Buche aus Deutschland wächst auf den Weltmärkten kontinuierlich. Das große Problem, was wir zukünftig haben werden, ist unsere Werke kontinuierlich mit Holz zu versorgen. "
… sagt Marketingleiter Lars Schmidt. Holz ist in deutschen Wäldern im Überfluss vorhanden, weil die Zuwächse dort seit Jahren deutlich über der Entnahme liegen. Das belegen die Zahlen der jährlichen Bundeswaldinventur. Doch die größten ungenutzten Ressourcen, so zeigen die Bestandsaufnahmen, schlummern nicht in den staatlichen Wäldern, sondern im privaten Waldbesitz. Aber gerade dort wird es immer schwieriger, die Holzvorräte zu erschließen.
Schmidt: " Der Staat zieht sich mehr und mehr aus Kostengründen aus der Privatwaldbetreuung zurück, das kostet nun mal Geld. Aber wir stellen fest: Wenn der Staat sich aus der Privatwaldbetreuung zurückzieht, dann sinkt das Holzaufkommen in dem jeweiligen Bundesland, weil einfach die Betreuungsintensität nachlässt. "
Hinzu kommt, dass der Staat immer mehr seine eigenen Wälder verkauft. Das Bundesland Schleswig-Holstein zum Beispiel will seinen gesamten Waldbesitz privatisieren, um mit den Verkaufserlösen die Landeskasse zu sanieren. Im Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern, wo die Firma Pollmeier ein Zweigwerk betreibt, machen sich die Folgen der Wald-Privatisierung schon jetzt drastisch bemerkbar.
Schmidt: " In Mecklenburg haben wir genug Buche, der Rohstoff ist sicherlich da. Aber mit zunehmender Privatisierung stellen wir fest, dass dort immer weniger Holzaufkommen auf der Fläche ist. Dass heißt, es macht den Holzeinkauf dort zunehmend schwierig, wir kriegen einfach nicht dieses Werk in ausreichendem Maße versorgt. Und wir müssen das Holz aus Baden-Württemberg dorthin fahren, um überhaupt einschichtig fahren zu können und das trotz guter Marktlage. "
Auch in Thüringen – wo das Stammwerk von Pollmeiers Sägeunternehmen steht – gibt es viele kleine Privatwaldbesitzer. 180.000 insgesamt. Bis zu 60 Prozent ließe sich die Holznutzung dort theoretisch noch steigern, sagen Forstleute. In Thüringen werden die privaten Waldbesitzer noch von den staatlichen Forstämtern und Revierförstern mit betreut, wenn sie es wollen. Aber auch hier wird gespart.
Die Zahl der Revierförstereien wurde in den letzten Jahren von 380 auf 300 fast um ein Viertel reduziert. Die Zahl der Forstämter sogar um mehr als die Hälfte. Von 60 auf 28. Auf der einen Seite gibt es immer weniger Förster, die sich um den Privatwald kümmern können. Auf der anderen Seite ist die Sägeindustrie scharf auf die dort wachsenden, ungenutzten Holzvorräte. Deshalb soll in Thüringen auf Anregung des Creuzburger Unternehmers Pollmeier und des Sägewerkerverbandes jetzt etwas völlig Neues ausprobiert werden: "Eine Public-Private-Partnership im Wald."
Das Dorfgasthaus von Altdörnfeld kann den Besucheransturm kaum bewältigen. Der kleine Festsaal ist übervoll. Ein Teil der rund 150 Gäste steht an den Wänden und im Flur. Bauern, Ingenieure, Sozialpädagogen, Hausfrauen – die alle eines gemeinsam haben: Sie besitzen ein Stück Wald. Zumeist ererbt und ziemlich klein.
1. Mann: " Ich hab nur fünf Hektar. Buche, Eiche, Fichte."
2. Mann: " Knapp zwei. Vorwiegend Fichte. "
3. Mann: " Zwei-fünf. Fichte und Buche.
Frau: '' Ich selber hab keinen Wald ich bin nur in Vertretung für meinen Sohn hier, der hat 1,38 Hektar. "
Die anwesenden Waldbesitzer blicken gespannt nach vorne zum Podium.
Fünf grün uniformierte Forstleute und zwei Mitarbeiter der Firma Pollmeier. "Waldpflege und Waldbewirtschaftung zur Walderhaltung für kommende Generationen" so lautet – etwas hölzern - das Thema des heutigen, ersten Informationsabends. Eingeladen hat die "Privatwald-Förderung Thüringen", die gerade gegründete Public-Private-Partnership aus Landesforstverwaltung und Mitteldeutschen Sägewerkerverband. Nach einer kurzen Begrüßungsansprache kommt ein Herr Otto vom Forstamt Bad Berka zur Sache. Hinter ihm, auf einer Leinwand erscheint eine grüne Computergrafik:
Otto: " Wie Sie im ersten Punkt sehen ist das Problem, was wir in Thüringen haben, dass circa 70.000 Hektar Privatwald nicht beförstert sind. Das heißt nicht, dass sie nicht bewirtschaftet sind, aber das bezieht sich in der Regel auf Brennholz-Nutzung."
Die anwesenden Klein- und Kleinst-Waldbesitzer nicken. Hin und wieder ein bisschen Brennholz, das machen hier viele in ihrem Wald. Aber mehr auch nicht. Die meisten lassen ihren Wald einfach nur wachsen. Aber das ist verkehrt, jedenfalls im Sinne einer nachhaltigen Forstwirtschaft, erläutert Forstmann Otto:
" Wenn Sie beim Wald nichts entnehmen, das heißt nicht durchforsten und nicht pflegen, verschlechtert sich Ihr Waldzustand. Er wird sehr viel mehr anfälliger gegen Schadereignisse wie Stürme oder auch Insekten. Sie tun also ihrem Wald nichts Gutes, wenn sie nicht eingreifen. "
Auf der Leinwand erscheinen nun zwei Bilder. Links: Eine ungepflegte, trockene und dunkle Dickung. Rechts daneben: Ein lichter Hochwald mit artenreichem Unterwuchs. So sieht ein gepflegter, naturnaher Wirtschaftswald aus, erfahren die Waldbesitzer. Es folgt ein neues Bild: Eine Baumscheibe, deren Jahresringe nach außen hin plötzlich sichtbar stärker werden: Das zusätzliche Wachstum nach einer Durchforstung, sagt der thüringische Forstbeamte. Seit Jahrhunderten hätten die Förster Erfahrungen mit der optimalen Pflege und Nutzung der Wälder. Ein Fachwissen, das vielen privaten Waldbesitzern fehlt.
" Deshalb wollen wir mit Ihnen über Ihren Wald reden und uns ihre Waldbestände draußen anschauen und geeigneten Maßnahmen, wie zum Beispiel Pflegeeingriffe oder Durchforstungen zu sprechen, um im Sinne einer naturnahen Waldwirtschaft auch nachhaltig Forstwirtschaft richtig zu betreiben. "
Eine gute Bewirtschaftung des Waldes ist von ökologischem und ökonomischem Vorteil – das ist die immer wiederkehrende Botschaft. Und dass man sich als Waldbesitzer ab sofort an die neue "Privatwald-Förderung Thüringen" wenden kann. Welche Aufgabe bei der "Privatwald-Förderung" die Mitarbeiter aus der Sägeindustrie eigentlich übernehmen sollen, bleibt den anwesenden Waldbesitzern jedoch schleierhaft. Sie sind skeptisch:
" So ganz habe ich das jetzt hier noch nicht verstanden, das muss ich echt sagen. Für mich ist jetzt hier der Förster zuständig, und zu dem gehe ich und der berät mich, ich weiß nicht, was die Herrschaften da drüben machen. "
Die Pollmeier-Leute sollen die Förster nur bei der ersten Kontaktaufnahme zu Waldbesitzern unterstützen, heißt es vom Podium. Bislang war es für viele Kleinwaldbesitzer ein Verlustgeschäft, ihren Wald zu durchforsten, sagt Herr Heyne vom Verband der privaten Waldbesitzer. Die Preise, die von der Sägeindustrie geboten wurden, waren einfach zu niedrig. Vor allem für die einfachen Baum-Qualitäten, die bei der Durchforstung anfallen. Doch nun hat sich der Wind gedreht. Die hohen Öl- und Gaspreise haben im Wald eine starke Nachfrage nach Brennholz ausgelöst. Das sei ein interessantes Geschäft auch für kleine Waldbesitzer. Weil sich die Brennholzkäufer ihre Bäume selber fällen, außerdem gut und sofort bezahlen. Darauf müsse sich auch die Sägeindustrie einstellen, gibt Heyne zu bedenken:
" Wenn der Säger nicht viel mehr zahlt als der Selbstwerber für Brennholz, der natürlich jedes Jahr eine bestimmte Menge für das Kaminholz immer wieder haben will oder für seine moderne Holzheizung, wenn da nicht mehr gezahlt wird, wird ein erheblicher Teil der Holzmenge in die energetische Verwertung gehen. "
Genau das will man bei Pollmeier verhindern. Denn dort will man aus den Bäumen Bretter sägen, anstatt sie einfach im Ofen zu verheizen. Aber man könne mit den Privatwald-Besitzern durchaus zu guten Kompromissen kommen, sagt Sägewerks-Manager Lars Schmidt:
" Wir argumentieren in der Richtung und sagen, wenn Du deinen Wald nutzt, wenn Du einen Baum umschlägst, da sind dann - na ja – 30 Prozent Stammholz dran, ein bißchen Industrieholz, dass kann man verkaufen, vermarkten und dann ist immer noch sehr viel Kronenholz da für dich als Brennholz. "
Die Waldbesitzer-Versammlung im Altdörnfelder Dorfgasthaus neigt sich dem Ende zu. Einige Anwesende stellen noch Fragen zu Fördergeldern. Der Wirt kassiert schnell die letzten Biere, dann ist die erste Informationsveranstaltung der Initiative Privatwald-Förderung Thüringen beendet. Das große Interesse hat vor allem eines gezeigt. Die Privatwald-Besitzer wollen Rat und Hilfe vom unabhängigen Förster.
" Ich persönlich wäre der Meinung, der Forst sollte wieder Förster für den Privatwald einstellen, der sich um die Belange der Privatwaldbesitzer kümmert. "
Mehr Förster statt immer weniger und eine staatliche Betreuung des Privatwaldes – genau das fordert auch der Sägewerker Ralf Pollmeier. Nicht nur weil das für die Ökologie des Waldes am besten ist, sondern weil der Staat ihm damit kostengünstig hilft, seinen Holznachschub zu sichern. Aber davon könne schließlich auch die Volkswirtschaft profitieren argumentiert der findige Unternehmer
" Wenn man berücksichtigt, dass mit jedem Festmeter Holz, der eingeschlagen wird und stofflich genutzt wird, zum Beispiel zu Brettern verarbeitet wird, zwischen 50 und 70 Euro Steuereinnahmen für den Fiskus entstehen, dann ist es denke ich durchaus zu vertreten, dass man bei der Betreuung des Waldes pro Kubikmeter mit 15 Euro bezuschusst, wenn der Saldo unter dem Strich ja 40 Euro plus ist. "
Der größte Laubholzsäger Europas nutzt seinen Einfluss auch, um der bewährten deutschen Forstwirtschaft den Rücken zu stärken, sie gegen neoliberale Privatisierungstendenzen zu verteidigen. Auch zum eigenem Vorteil natürlich.