Wenn die Chemie stimmt
Mit 37 Jahren ist Tobias Ritter einer der jüngeren Harvard-Professoren. Nun hat der Chemiker für seine Forschung am Fluor-Atom den mit 75.000 Euro dotierten Klung-Wilhelmy-Weberbank-Preis bekommen. Einen Teil des Preisgeldes will er in neue Forschungsideen investieren.
Dass Tobias Ritter lösungsorientiert denkt, merkt man sofort. Nachdem der Geräuschpegel in der Lobby sich als sehr laut herausstellt, schlägt er kurzerhand den Fitnessraum des Hotels für ein Interview vor. Da wäre um diese Zeit niemand. Das hat der 37-Jährige bereits herausgefunden, als er gleich nach der Ankunft aus Boston vor wenigen Stunden das Laufband nutzte.
In seinem schwarzen Anzug - direkt im Anschluss beginnt die Preisverleihung - schwingt er sich auf die Entspannungsliege vor der Sauna. Die rote Krawatte passt zumindest farblich zur Outdoorjacke im gleichen Ton, die Tobias Ritter über die Kopfstütze wirft.
Auf Äußerlichkeiten scheint er nicht unnötig viel Zeit zu verwenden. Denn die ist im arbeitsreichen Leben von Tobias Ritter kostbar.
"Ich fang vielleicht um sieben an, aber ich arbeite nie mehr nach zehn Uhr abends. Ich arbeite sechs Tage die Woche, am Samstag arbeite ich nicht so lange. Samstag arbeite ich sicher nicht nach sechs Uhr abends."
Ein paar Stunden eher nach Europa fliegen, um sich nach der anstrengenden Reise erst mal zu akklimatisieren? Nein, dann hätte der junge Professor seine Vorlesungen in Harvard ausfallen lassen müssen.
Und das stand nicht zur Debatte. Dort, in Cambridge, auf dem Campus der berühmten Harvard University, betreibt Tobias Ritter mit einer Gruppe angehender Wissenschaftler seine Fluor-Forschung.
"Fluor ist ein chemisches Element mit dem Symbol F und der Ordnungszahl neun. Im Periodensystem steht es in der siebten Hauptgruppe und gehört damit zu den Halogenen."
"Wir benutzen Fluor viel. Teflon zum Beispiel ist zum größten Teil Fluor."
Aber nicht nur als Basis für Teflon, Kunststoffe oder Lösungsmittel, auch in der Medizin ist Fluor ein gängiges, wenn nicht lebenswichtiges Element. Weil Medikamente, die Fluor eingebunden haben, vom Körper langsamer abgebaut werden – und damit länger wirken.
Auch wenn es darum geht, Krankheiten überhaupt erst zu entdecken, ist Fluor derzeit unersetzlich.
Etwa bei der Suche nach Tumoren: Der Patient bekommt vor der Computertomografie eine mit dem Radionuklid Fluor-18 angereicherte Zuckerlösung.
Die Krebszellen nehmen mehr von dem dann schwach radioaktiv strahlenden Zucker auf als die gesunden Zellen. Und heben sich so als helle Stellen deutlich auf dem Tomografie-Bild ab.
"Das ist schon alles gemacht worden, bevor ich überhaupt angefangen habe, daran zu forschen. Aber das ist nur dieses eine Molekül, was relativ einfach ist. Es ist ein Zucker-Molekül, und das ist mit gängiger Chemie einfach herzustellen.
Aber wir möchten noch ganz andere Moleküle herstellen, denn wir möchten nicht nur was lernen über Tumoren, wir möchten auch was lernen, wie das Gehirn funktioniert, oder wie neurodegenerative Krankheiten entstehen oder wie man sie vielleicht verhindern könnte. Und all das gibt es noch nicht."
Wir. Ganz selten sagt Tobias Ritter einmal "ich". Wissenschaft ist für ihn Teamarbeit.
"Absolut, ja! Also ich habe noch nie eine Kohlenstoff-Fluor-Verbindung gemacht."
Alleine kommt man nicht an gegen Parkinson, Schizophrenie oder Depressionen, nur drei der neurologischen Erkrankungen, denen Tobias Ritter mit Hilfe des Fluors auf die Schliche kommen will. Und mit seinem Team hat er bereits einen großen Schritt in diese Richtung gemacht.
Sie haben einen Weg gefunden, Fluor-Atome leichter und schneller als bisher auf die gewünschten Moleküle zu übertragen. Und damit den Weg geebnet für wirksamere Medikamente und einen neuen Blick auf die Ursachen neurologischer Erkrankungen.
Diese Anwendungsnähe war es, die Tobias Ritter schon immer an der Chemie fasziniert hat.
"Was ich damals schon spannend fand ist, dass die Chemie eine grundlegende Naturwissenschaft ist, aber mit ihren eigenen Anwendungen. Also, der Zusammenhang zur Grundlagenforschung, also zu neuen Erkenntnissen, mit der relativ schnell möglichen Anwendung, das reizt mich schon auch immer noch sehr stark."
Auch wenn der Mann mit dem blonden Haar und den hellen Augen mit seiner Vorliebe für diese Wissenschaft durchaus auch auf Unverständnis stößt.
"Au ja, absolut. Also wenn mich jemand fragt, was ich mache, und ich sage ‚Ich bin Chemieprofessor’, dann, äh, 90 Prozent der Reaktionen sind ‚Oh, Chemie hab ich noch nie verstanden’ und zehn Prozent finden das dann immer ganz toll."
Man hört den amerikanischen Zungenschlag - und dass Tobias Ritter ab und an nach deutschen Wörtern suchen muss. Kein Wunder. Nachdem er sich 1995 für ein Chemie-Studium in Braunschweig eingeschrieben hat, beginnen die Wanderjahre: Bordeaux, Lausanne, Stanford.
In der Schweiz lernt der Doktorand seine spätere Frau kennen, eine Französin, ebenfalls Chemikerin. 2005 gehen die beiden gemeinsam nach Harvard. Hier unterrichtet der gebürtige Lübecker auf Englisch, spricht mit seiner Frau Französisch.
"Ich spreche relativ viel Deutsch, aber vermutlich auf dem Niveau von Drei- und Vierjährigen, denn so alt sind meine Kinder."
Nach 13 Jahren im Ausland kann sich Tobias Ritter durchaus vorstellen, wieder nach Deutschland zu kommen. Die Bedingungen für die Forschung wären hierzulande sehr gut. Und wie man hört, wird bereits um ihn gebuhlt. Der Wissenschaftler sieht es pragmatisch.
"Ja, ich war in Frankreich, ich war in der Schweiz, in den USA und in Deutschland. Na ja gut, es ist überall die gleiche Chemie."
In seinem schwarzen Anzug - direkt im Anschluss beginnt die Preisverleihung - schwingt er sich auf die Entspannungsliege vor der Sauna. Die rote Krawatte passt zumindest farblich zur Outdoorjacke im gleichen Ton, die Tobias Ritter über die Kopfstütze wirft.
Auf Äußerlichkeiten scheint er nicht unnötig viel Zeit zu verwenden. Denn die ist im arbeitsreichen Leben von Tobias Ritter kostbar.
"Ich fang vielleicht um sieben an, aber ich arbeite nie mehr nach zehn Uhr abends. Ich arbeite sechs Tage die Woche, am Samstag arbeite ich nicht so lange. Samstag arbeite ich sicher nicht nach sechs Uhr abends."
Ein paar Stunden eher nach Europa fliegen, um sich nach der anstrengenden Reise erst mal zu akklimatisieren? Nein, dann hätte der junge Professor seine Vorlesungen in Harvard ausfallen lassen müssen.
Und das stand nicht zur Debatte. Dort, in Cambridge, auf dem Campus der berühmten Harvard University, betreibt Tobias Ritter mit einer Gruppe angehender Wissenschaftler seine Fluor-Forschung.
"Fluor ist ein chemisches Element mit dem Symbol F und der Ordnungszahl neun. Im Periodensystem steht es in der siebten Hauptgruppe und gehört damit zu den Halogenen."
"Wir benutzen Fluor viel. Teflon zum Beispiel ist zum größten Teil Fluor."
Aber nicht nur als Basis für Teflon, Kunststoffe oder Lösungsmittel, auch in der Medizin ist Fluor ein gängiges, wenn nicht lebenswichtiges Element. Weil Medikamente, die Fluor eingebunden haben, vom Körper langsamer abgebaut werden – und damit länger wirken.
Auch wenn es darum geht, Krankheiten überhaupt erst zu entdecken, ist Fluor derzeit unersetzlich.
Etwa bei der Suche nach Tumoren: Der Patient bekommt vor der Computertomografie eine mit dem Radionuklid Fluor-18 angereicherte Zuckerlösung.
Die Krebszellen nehmen mehr von dem dann schwach radioaktiv strahlenden Zucker auf als die gesunden Zellen. Und heben sich so als helle Stellen deutlich auf dem Tomografie-Bild ab.
"Das ist schon alles gemacht worden, bevor ich überhaupt angefangen habe, daran zu forschen. Aber das ist nur dieses eine Molekül, was relativ einfach ist. Es ist ein Zucker-Molekül, und das ist mit gängiger Chemie einfach herzustellen.
Aber wir möchten noch ganz andere Moleküle herstellen, denn wir möchten nicht nur was lernen über Tumoren, wir möchten auch was lernen, wie das Gehirn funktioniert, oder wie neurodegenerative Krankheiten entstehen oder wie man sie vielleicht verhindern könnte. Und all das gibt es noch nicht."
Wir. Ganz selten sagt Tobias Ritter einmal "ich". Wissenschaft ist für ihn Teamarbeit.
"Absolut, ja! Also ich habe noch nie eine Kohlenstoff-Fluor-Verbindung gemacht."
Alleine kommt man nicht an gegen Parkinson, Schizophrenie oder Depressionen, nur drei der neurologischen Erkrankungen, denen Tobias Ritter mit Hilfe des Fluors auf die Schliche kommen will. Und mit seinem Team hat er bereits einen großen Schritt in diese Richtung gemacht.
Sie haben einen Weg gefunden, Fluor-Atome leichter und schneller als bisher auf die gewünschten Moleküle zu übertragen. Und damit den Weg geebnet für wirksamere Medikamente und einen neuen Blick auf die Ursachen neurologischer Erkrankungen.
Diese Anwendungsnähe war es, die Tobias Ritter schon immer an der Chemie fasziniert hat.
"Was ich damals schon spannend fand ist, dass die Chemie eine grundlegende Naturwissenschaft ist, aber mit ihren eigenen Anwendungen. Also, der Zusammenhang zur Grundlagenforschung, also zu neuen Erkenntnissen, mit der relativ schnell möglichen Anwendung, das reizt mich schon auch immer noch sehr stark."
Auch wenn der Mann mit dem blonden Haar und den hellen Augen mit seiner Vorliebe für diese Wissenschaft durchaus auch auf Unverständnis stößt.
"Au ja, absolut. Also wenn mich jemand fragt, was ich mache, und ich sage ‚Ich bin Chemieprofessor’, dann, äh, 90 Prozent der Reaktionen sind ‚Oh, Chemie hab ich noch nie verstanden’ und zehn Prozent finden das dann immer ganz toll."
Man hört den amerikanischen Zungenschlag - und dass Tobias Ritter ab und an nach deutschen Wörtern suchen muss. Kein Wunder. Nachdem er sich 1995 für ein Chemie-Studium in Braunschweig eingeschrieben hat, beginnen die Wanderjahre: Bordeaux, Lausanne, Stanford.
In der Schweiz lernt der Doktorand seine spätere Frau kennen, eine Französin, ebenfalls Chemikerin. 2005 gehen die beiden gemeinsam nach Harvard. Hier unterrichtet der gebürtige Lübecker auf Englisch, spricht mit seiner Frau Französisch.
"Ich spreche relativ viel Deutsch, aber vermutlich auf dem Niveau von Drei- und Vierjährigen, denn so alt sind meine Kinder."
Nach 13 Jahren im Ausland kann sich Tobias Ritter durchaus vorstellen, wieder nach Deutschland zu kommen. Die Bedingungen für die Forschung wären hierzulande sehr gut. Und wie man hört, wird bereits um ihn gebuhlt. Der Wissenschaftler sieht es pragmatisch.
"Ja, ich war in Frankreich, ich war in der Schweiz, in den USA und in Deutschland. Na ja gut, es ist überall die gleiche Chemie."