Wenn die Farbe vom Himmel fällt
In die anfangs so triste und dunkle deutsche Nachkriegsmalerei hat er das Leuchten und die Farbe zurückgebracht: Ernst Wilhelm Nay (1902-1968). Heute gilt der mehrfache documenta-Teilnehmer als der führende Kolorist dieser abstrakten Gründergeneration. Die Frankfurter Schirn Kunsthalle entdeckt ihn jetzt mit seinem Spätwerk als „aufregenden Vorläufer für heutige Tendenzen“ und zeigt aus dem Spätwerk 30 Gemälde und 85 Arbeiten auf Papier.
Der Raum war lang und schmal und ziemlich hoch, und die Besucher der „documenta III“ in Kassel mussten ordentlich die Hälse recken, um die drei großen Bilder zu betrachten, die der Maler Ernst Wilhelm Nay dort 1964 ausgestellt hatte. Die Bilder nämlich hingen oben in leichter Schräge von der Decke – eine spektakuläre Idee des documenta-Machers Arnold Bode, und die Frankfurter Schirn Kunsthalle hat die Situation von damals rekonstruiert, wovon die Kuratorin Ingrid Pfeiffer ganz begeistert ist:
„Arnold Bode hatte Nay damals gebeten, für die documenta, für einen bestimmten schmalen, hohen Raum dort, Bilder zu malen, 4 x 4 Meter groß. Sie zeigen Motive, die an Augen erinnern, in Rot, Schwarzweiß und in Blau, und das Besondere daran ist, dass man Bilder erstmals nicht wie üblich an der Wand erlebt, sondern als Installation, die über dem Betrachter an der Decke hängt, gestaffelt hintereinander, und diese riesigen 4x4 Meter-Bilder scheinen zu schweben.“
Normalerweise hängen die drei abstrakten Bilder im Berliner Bundeskanzleramt, und zwar nebeneinander an der Wand. Gerhard Schröder, der ja von Statur ein eher kleiner Kanzler war, hatten die großen Augen im Rücken immer gestört; deshalb ließ er das mittlere Bild, vor dem er bei den Pressekonferenzen saß, durch den Bundesadler verdecken.
Doch in Frankfurt steht man nun und schaut nach oben und wird aus großen Augen gleichsam zurückgeschaut – ein Dialog mit dem Raum, der auch heute, nach 45 Jahren, noch funktioniert und die Bilder erstaunlich leicht erscheinen lässt.
„Jedes wiegt über 150 Kilogramm, wir haben sie nur mit großer Logistik hier an die Decke bekommen. Sie sind vielleicht wie große Schmetterlinge. Man muss gar nicht so viel den Kopf recken, sondern man ist im Bild. Das ist eigentlich das Raumerlebnis.“
Ernst Wilhelm Nay war der documenta-Auftritt damals übrigens nicht gut bekommen. Der Kritiker Hans Platschek, selbst ein Maler, hatte damals in der Wochenzeitung „Die Zeit“ eine regelrechte Kampagne gegen Nay losgetreten. Er nahm dem Kollegen übel, wie er die Farben vom Himmel fallen ließ und bezichtigte ihn einer inhaltsleeren, dekorativen Abstraktion.
Vermutlich war auch eine Prise Neid im Spiel, denn Nay war der damals erfolgreichste deutsche Künstler mit Kundschaft bis nach Amerika, wo man seine Großformate ebenfalls schätzte. Doch der Zeitgeist hatte sich geändert. Aus den USA kam damals die Pop Art, es kamen Fluxus, Installationskunst und auch Beuys, und nach der öffentlichen Schelte wandten sich die Sammler von dem Künstler ab.
„Nay wurde sozusagen abgeurteilt für eine ganze Generation, kann man fast so sagen. Er eben als besonders erfolgreicher Maler wurde stellvertretend angegriffen für eine Generation, die eben die reine Malerei, eigentlich die klassische Kunst repräsentierte.“
Mit dem Stigma hatte Nay, der 1968 starb, sich trotzig arrangiert. Mit der gleichen Sturheit des Einzelgängers, die ihn auch das Dritte Reich überstehen ließ, setzte er zu seinem Spätwerk an und schuf die Serie der so genannten „elementaren Bilder“.
Ein ganzer Saal in der Schau ist voll von diesen Großformaten, die meist nur aus zwei, drei Farben bestehen, die Flächen klar gegeneinander abgegrenzt: Kreisformen, Halbkreise, Spindeln, geschlossene Flächen, offene Flächen, gelegentlich auch kleine, kontrollierte Explosionen.
Es sind vitale Kompositionen, die ganz auf die Kraft der Farbe setzen und den Raum mit einbeziehen. Ein Bild gibt dabei das andere, und manches erinnert an die Scherenschnitte von Matisse. „Bilder kommen aus Bildern“, sagte Nay dazu ganz lapidar und meinte damit auch die eigenen.
„Also alles hat miteinander zu tun, entwickelt sich organisch, die Kunst entwickelt sich aus seiner Kunst. Er hat immer wieder reflektiert, wie die Bilder entstehen. Er sagt, Bilder verbinden die Menschen stärker als Worte. Also er hat das auch als so eine Weltsprache angesehen.“
Mit Aufbruchstimmung und Optimismus hat man Nays farbenfrohe Bildsprache damals gleichgesetzt – eigentlich ein Missverständnis, meint Ingrid Pfeiffer.
„Nay war ein tiefgründiger Denker, ein Grübler, aber seine Bilder sprechen eine ganz andere Sprache: leuchtende Farben, Zitronengelb, oder dieses Petrolgrün im Spätwerk, diese Rottöne. Es ist ein scheinbarer Optimismus, der aus dem Werk spricht.“
Deutlich wird das dort, wo Nay auf die Farbe verzichtet, nämlich in seinen Zeichnungen. Mit schwarzem Filzstift und sicherem Strich hat er unzählige DIN-A-4-Blätter gefüllt, dicht an dicht hängt eine Auswahl in Dreierreihen übereinander. Hier kann man Nay quasi zusehen, wie er Bilder erfindet, wie er denkt: immer klar in der Form.
Merkwürdig dennoch, dieser späte Nay. Man fühlt sich an die Dekors von damals erinnert, an Nierentisch-Ästhetik, an waghalsig gekurvte Stoffmuster, an den Schwung der Wirtschaftswunderjahre.
Aber gerade dieser Retro-Chic, glaubt die Kuratorin, macht die Schau so reizvoll und wieder zeitgemäß.
„Die so genannten elementaren Bilder, die erscheinen absolut frisch und fast schon zeitgenössisch. Also wir staunen selbst, wie gut diese Ästhetik in unsere Zeit wieder passt, wie klar sie sind, wie eindeutig, wie kühl, wie überbordend phantastisch auch. Ich denke, dass diese Ausstellung eine große Überraschung wird.“
„Arnold Bode hatte Nay damals gebeten, für die documenta, für einen bestimmten schmalen, hohen Raum dort, Bilder zu malen, 4 x 4 Meter groß. Sie zeigen Motive, die an Augen erinnern, in Rot, Schwarzweiß und in Blau, und das Besondere daran ist, dass man Bilder erstmals nicht wie üblich an der Wand erlebt, sondern als Installation, die über dem Betrachter an der Decke hängt, gestaffelt hintereinander, und diese riesigen 4x4 Meter-Bilder scheinen zu schweben.“
Normalerweise hängen die drei abstrakten Bilder im Berliner Bundeskanzleramt, und zwar nebeneinander an der Wand. Gerhard Schröder, der ja von Statur ein eher kleiner Kanzler war, hatten die großen Augen im Rücken immer gestört; deshalb ließ er das mittlere Bild, vor dem er bei den Pressekonferenzen saß, durch den Bundesadler verdecken.
Doch in Frankfurt steht man nun und schaut nach oben und wird aus großen Augen gleichsam zurückgeschaut – ein Dialog mit dem Raum, der auch heute, nach 45 Jahren, noch funktioniert und die Bilder erstaunlich leicht erscheinen lässt.
„Jedes wiegt über 150 Kilogramm, wir haben sie nur mit großer Logistik hier an die Decke bekommen. Sie sind vielleicht wie große Schmetterlinge. Man muss gar nicht so viel den Kopf recken, sondern man ist im Bild. Das ist eigentlich das Raumerlebnis.“
Ernst Wilhelm Nay war der documenta-Auftritt damals übrigens nicht gut bekommen. Der Kritiker Hans Platschek, selbst ein Maler, hatte damals in der Wochenzeitung „Die Zeit“ eine regelrechte Kampagne gegen Nay losgetreten. Er nahm dem Kollegen übel, wie er die Farben vom Himmel fallen ließ und bezichtigte ihn einer inhaltsleeren, dekorativen Abstraktion.
Vermutlich war auch eine Prise Neid im Spiel, denn Nay war der damals erfolgreichste deutsche Künstler mit Kundschaft bis nach Amerika, wo man seine Großformate ebenfalls schätzte. Doch der Zeitgeist hatte sich geändert. Aus den USA kam damals die Pop Art, es kamen Fluxus, Installationskunst und auch Beuys, und nach der öffentlichen Schelte wandten sich die Sammler von dem Künstler ab.
„Nay wurde sozusagen abgeurteilt für eine ganze Generation, kann man fast so sagen. Er eben als besonders erfolgreicher Maler wurde stellvertretend angegriffen für eine Generation, die eben die reine Malerei, eigentlich die klassische Kunst repräsentierte.“
Mit dem Stigma hatte Nay, der 1968 starb, sich trotzig arrangiert. Mit der gleichen Sturheit des Einzelgängers, die ihn auch das Dritte Reich überstehen ließ, setzte er zu seinem Spätwerk an und schuf die Serie der so genannten „elementaren Bilder“.
Ein ganzer Saal in der Schau ist voll von diesen Großformaten, die meist nur aus zwei, drei Farben bestehen, die Flächen klar gegeneinander abgegrenzt: Kreisformen, Halbkreise, Spindeln, geschlossene Flächen, offene Flächen, gelegentlich auch kleine, kontrollierte Explosionen.
Es sind vitale Kompositionen, die ganz auf die Kraft der Farbe setzen und den Raum mit einbeziehen. Ein Bild gibt dabei das andere, und manches erinnert an die Scherenschnitte von Matisse. „Bilder kommen aus Bildern“, sagte Nay dazu ganz lapidar und meinte damit auch die eigenen.
„Also alles hat miteinander zu tun, entwickelt sich organisch, die Kunst entwickelt sich aus seiner Kunst. Er hat immer wieder reflektiert, wie die Bilder entstehen. Er sagt, Bilder verbinden die Menschen stärker als Worte. Also er hat das auch als so eine Weltsprache angesehen.“
Mit Aufbruchstimmung und Optimismus hat man Nays farbenfrohe Bildsprache damals gleichgesetzt – eigentlich ein Missverständnis, meint Ingrid Pfeiffer.
„Nay war ein tiefgründiger Denker, ein Grübler, aber seine Bilder sprechen eine ganz andere Sprache: leuchtende Farben, Zitronengelb, oder dieses Petrolgrün im Spätwerk, diese Rottöne. Es ist ein scheinbarer Optimismus, der aus dem Werk spricht.“
Deutlich wird das dort, wo Nay auf die Farbe verzichtet, nämlich in seinen Zeichnungen. Mit schwarzem Filzstift und sicherem Strich hat er unzählige DIN-A-4-Blätter gefüllt, dicht an dicht hängt eine Auswahl in Dreierreihen übereinander. Hier kann man Nay quasi zusehen, wie er Bilder erfindet, wie er denkt: immer klar in der Form.
Merkwürdig dennoch, dieser späte Nay. Man fühlt sich an die Dekors von damals erinnert, an Nierentisch-Ästhetik, an waghalsig gekurvte Stoffmuster, an den Schwung der Wirtschaftswunderjahre.
Aber gerade dieser Retro-Chic, glaubt die Kuratorin, macht die Schau so reizvoll und wieder zeitgemäß.
„Die so genannten elementaren Bilder, die erscheinen absolut frisch und fast schon zeitgenössisch. Also wir staunen selbst, wie gut diese Ästhetik in unsere Zeit wieder passt, wie klar sie sind, wie eindeutig, wie kühl, wie überbordend phantastisch auch. Ich denke, dass diese Ausstellung eine große Überraschung wird.“