Wenn die Mieze Muse wird
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatten Katzen einen schlechten Ruf und galten als eigenwillig und untreu. Der Blickwinkel änderte sich dann und Katzen wurden fortan als eigenwillig und anhänglich geschätzt. Eine Schau in Karlsruhe zeigt nun die Wandlung des Vierpföters in der Kunst vom Schmusetier zum Symbol von Sexualität und Unabhängigkeit.
Unlängst las man wieder einmal in der Zeitung, Jugendliche in einer süddeutschen Kleinstadt hätten eine Katze mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und angezündet. Die Polizei, die dem Leiden des gequälten Tiers mit einem Schuss ein Ende setzte, konnte die Täter fassen, doch Vorfälle wie diese haben eine lange Tradition.
Im Mittelalter noch war die Katze ein pures Nutztier, das man sich allenfalls als Mäusefänger hielt. Vor allem die Kirche verteufelte den nachtaktiven Jäger als Hexenbegleiter und Urheber des einen oder anderen Unglücks; man warf ihn lebendig ins Feuer und hängte der geheimnisvollen Kreatur so manchen Aberglauben an, der sich zum Teil bis heute hält. Allein die Existenz eines populären Katzenhasser-Buchs spricht Bände, sagt Galerieleiterin Erika Rödiger-Diruf:
"Bis etwa 1840/50 hatte die Katze einen sehr schlechten Ruf. Sie wäre eigenwillig, sie wäre untreu, sie wäre sexistisch, und man hatte keine gute Meinung. Und dann kam die große Wende in der Bewertung der Katze durch einen französischen Autor, der hieß Jules Jean Floré, der hat 1868 ein Buch 'Les Chats' herausgegeben. Und plötzlich war die Katze anhänglich, liebevoll, vor allen Dingen mütterlich, und das war ganz erstaunlich, wie plötzlich eine ganz andere Projektion auf dieses Tier erfolgte. Plötzlich gab es eine Masse von reinen Katzenmalern, die nur dadurch ihr Geld verdienten."
Über 180 Maler hatten sich damals in ganz Europa schlagartig auf das Schmusetier spezialisiert, und so schleicht der Stubentiger zunächst als Attribut der heilen Welt durch die Schau: rote Wände, goldene Rahmen, bürgerliches Idyll. Possierliche Katzenfamilien turnen und tapsen über die Leinwände, posieren als Schoßtier, vor dem Fressnapf oder behaglich dösend.
Die Schau schnurrt also eingangs das ganze Repertoire der populären Katzenmaler herunter - und so etwa hatte sich der Kunstfreund das auch vorgestellt, dem sich beim Stichwort Katze erst einmal die Haare sträuben. Doch das Thema erweist sich als erstaunlich kitschresistent. Die Mieze mutiert alsbald zum Künstlertier und mausert sich zur Muse.
"Vor allen Dingen bei den Literaten war das Tier eigentlich sehr geschätzt eben wegen seiner Eigenwilligkeit und Unabhängigkeit. Also diese Dimension der Projektion auf dieses Tier hat damals schon existiert und es gab viele Künstler wie zum Beispiel Renoir oder Bonnard, die dann ab den 1870er Jahren der Katze einen großen Stellenwert in ihrem Werk eingeräumt haben."
Auf Bilder von Renoir oder Picasso muss die Schau zwar verzichten, doch Edouard Manets berühmte "Olympia" ist immerhin als Radierung präsent: Die nackte Schöne auf dem Diwan, flankiert von einer schwarzen Dienerin, und am Fußende thront, gewissermaßen als Höhepunkt:
"Eine Katze mit erigiertem Schwanz. Und das wurde natürlich damals schon genau als das gesehen, als was es gemeint war: Diese erotische Freiheit, die damit verbunden war."
Es sind nicht nur ihre Qualitäten als Symbol für Sexualität und unberechenbare Triebnatur, die der Katze bis heute einen festen Platz in der Kunstgeschichte sichern. Franz Marc verklärt sie zu einem höheren Wesen, Kirchner dämonisiert sie als bildfüllendes Motiv, Andy Warhol trivialisiert sie äußerst dekorativ. Ob Klee oder Kandinsky, Pechstein, Macke und Schmidt-Rottluff, Dix oder Grosz, Kokoschka oder Janssen - selbst Zyniker wie Kippenberger oder Baselitz kommen an der Katze nicht vorbei.
Auffallend, wie sie in den 20er Jahren mit rätselhaften Blicken lauert und ihre glühenden Augen zu schmalen Schlitzen verengt - eine magische Verführerin, aus der man nicht schlau wird und deren Funktion im Bild immer wieder neu gedeutet werden muss. Nicht von ungefähr verbirgt sich manche schöne Frau hinter einer Katzenmaske.
Welchen Stellenwert das selbstbewusste Tier sich in manchen Haushalten erobert hat, demonstriert ein stattliches Gemälde von Richard Lindner aus dem New Yorker Museum of Modern Art. Eine menschengroße Riesenkatze mischt sich da als gleichwertiges Mitglied zwischen die Personen eines Gruppenbilds.
Doch egal ob Fotografie, naive Kunst oder Plastik, man kommt dem launischen Tier auch durch thematische Kategorien nicht so richtig bei. Vergnüglicher Höhepunkt ist zweifelsfrei die Sektion mit satirischen Zeichnungen und Comics, von Wilhelm Busch bis zu Robert Gernhardt oder Tomi Ungerer, der mit den flotten Miezen seine Spielchen treibt.
Und wo Katzen sind, sind auch die Mäuse nicht weit, sei es im makabren "Maus"-Comic des amerikanischen Juden Art Spiegelman, bei dem Katzen als böse KZ-Aufseher die armen Mäuse drangsalieren, oder bei Tom und Jerry, wo der im Verein mit einem frechen Mäuserich zu allerlei Scherzen aufgelegte Kater auch mal tüchtig auf die Pfoten kriegt:
Eine komplett familientaugliche Schau also, bei der es allenfalls um eine Grundsatzfrage geht: Entweder man mag sie, die Katzen, oder eben nicht. Eine Psychosoziologie der komplizierten Beziehung zwischen Katze und Mensch kann die Ausstellung ohnehin nur ansatzweise bieten, aber als künstlerisches Motiv hat sie die Katze rehabilitiert: So viel Kunst, so wenig Kitsch - die Katze bleibt halt doch ein faszinierend rätselhaftes Tier.
Service:
Die Ausstellung "Auf leisen Pfoten - Die Katze in der Kunst" ist in der Städtischen Galerie Karlsruhe bis zum 15. April 2007 zu sehen.
Im Mittelalter noch war die Katze ein pures Nutztier, das man sich allenfalls als Mäusefänger hielt. Vor allem die Kirche verteufelte den nachtaktiven Jäger als Hexenbegleiter und Urheber des einen oder anderen Unglücks; man warf ihn lebendig ins Feuer und hängte der geheimnisvollen Kreatur so manchen Aberglauben an, der sich zum Teil bis heute hält. Allein die Existenz eines populären Katzenhasser-Buchs spricht Bände, sagt Galerieleiterin Erika Rödiger-Diruf:
"Bis etwa 1840/50 hatte die Katze einen sehr schlechten Ruf. Sie wäre eigenwillig, sie wäre untreu, sie wäre sexistisch, und man hatte keine gute Meinung. Und dann kam die große Wende in der Bewertung der Katze durch einen französischen Autor, der hieß Jules Jean Floré, der hat 1868 ein Buch 'Les Chats' herausgegeben. Und plötzlich war die Katze anhänglich, liebevoll, vor allen Dingen mütterlich, und das war ganz erstaunlich, wie plötzlich eine ganz andere Projektion auf dieses Tier erfolgte. Plötzlich gab es eine Masse von reinen Katzenmalern, die nur dadurch ihr Geld verdienten."
Über 180 Maler hatten sich damals in ganz Europa schlagartig auf das Schmusetier spezialisiert, und so schleicht der Stubentiger zunächst als Attribut der heilen Welt durch die Schau: rote Wände, goldene Rahmen, bürgerliches Idyll. Possierliche Katzenfamilien turnen und tapsen über die Leinwände, posieren als Schoßtier, vor dem Fressnapf oder behaglich dösend.
Die Schau schnurrt also eingangs das ganze Repertoire der populären Katzenmaler herunter - und so etwa hatte sich der Kunstfreund das auch vorgestellt, dem sich beim Stichwort Katze erst einmal die Haare sträuben. Doch das Thema erweist sich als erstaunlich kitschresistent. Die Mieze mutiert alsbald zum Künstlertier und mausert sich zur Muse.
"Vor allen Dingen bei den Literaten war das Tier eigentlich sehr geschätzt eben wegen seiner Eigenwilligkeit und Unabhängigkeit. Also diese Dimension der Projektion auf dieses Tier hat damals schon existiert und es gab viele Künstler wie zum Beispiel Renoir oder Bonnard, die dann ab den 1870er Jahren der Katze einen großen Stellenwert in ihrem Werk eingeräumt haben."
Auf Bilder von Renoir oder Picasso muss die Schau zwar verzichten, doch Edouard Manets berühmte "Olympia" ist immerhin als Radierung präsent: Die nackte Schöne auf dem Diwan, flankiert von einer schwarzen Dienerin, und am Fußende thront, gewissermaßen als Höhepunkt:
"Eine Katze mit erigiertem Schwanz. Und das wurde natürlich damals schon genau als das gesehen, als was es gemeint war: Diese erotische Freiheit, die damit verbunden war."
Es sind nicht nur ihre Qualitäten als Symbol für Sexualität und unberechenbare Triebnatur, die der Katze bis heute einen festen Platz in der Kunstgeschichte sichern. Franz Marc verklärt sie zu einem höheren Wesen, Kirchner dämonisiert sie als bildfüllendes Motiv, Andy Warhol trivialisiert sie äußerst dekorativ. Ob Klee oder Kandinsky, Pechstein, Macke und Schmidt-Rottluff, Dix oder Grosz, Kokoschka oder Janssen - selbst Zyniker wie Kippenberger oder Baselitz kommen an der Katze nicht vorbei.
Auffallend, wie sie in den 20er Jahren mit rätselhaften Blicken lauert und ihre glühenden Augen zu schmalen Schlitzen verengt - eine magische Verführerin, aus der man nicht schlau wird und deren Funktion im Bild immer wieder neu gedeutet werden muss. Nicht von ungefähr verbirgt sich manche schöne Frau hinter einer Katzenmaske.
Welchen Stellenwert das selbstbewusste Tier sich in manchen Haushalten erobert hat, demonstriert ein stattliches Gemälde von Richard Lindner aus dem New Yorker Museum of Modern Art. Eine menschengroße Riesenkatze mischt sich da als gleichwertiges Mitglied zwischen die Personen eines Gruppenbilds.
Doch egal ob Fotografie, naive Kunst oder Plastik, man kommt dem launischen Tier auch durch thematische Kategorien nicht so richtig bei. Vergnüglicher Höhepunkt ist zweifelsfrei die Sektion mit satirischen Zeichnungen und Comics, von Wilhelm Busch bis zu Robert Gernhardt oder Tomi Ungerer, der mit den flotten Miezen seine Spielchen treibt.
Und wo Katzen sind, sind auch die Mäuse nicht weit, sei es im makabren "Maus"-Comic des amerikanischen Juden Art Spiegelman, bei dem Katzen als böse KZ-Aufseher die armen Mäuse drangsalieren, oder bei Tom und Jerry, wo der im Verein mit einem frechen Mäuserich zu allerlei Scherzen aufgelegte Kater auch mal tüchtig auf die Pfoten kriegt:
Eine komplett familientaugliche Schau also, bei der es allenfalls um eine Grundsatzfrage geht: Entweder man mag sie, die Katzen, oder eben nicht. Eine Psychosoziologie der komplizierten Beziehung zwischen Katze und Mensch kann die Ausstellung ohnehin nur ansatzweise bieten, aber als künstlerisches Motiv hat sie die Katze rehabilitiert: So viel Kunst, so wenig Kitsch - die Katze bleibt halt doch ein faszinierend rätselhaftes Tier.
Service:
Die Ausstellung "Auf leisen Pfoten - Die Katze in der Kunst" ist in der Städtischen Galerie Karlsruhe bis zum 15. April 2007 zu sehen.