Wenn Distelblüten am Plattenteller kratzen
Der Berliner Klangkünstler Ignaz Schick lässt unter anderem getrocknete Distelblüten, Borsten von Straßenkehrmaschinen und Plastiklöffel am Plattenteller kratzen und verstärkt die Geräusche mit einem Mikrofon. Schick ist einer der bekanntesten Vertreter dieser Szene, die immer mehr von sich reden macht.
Ignaz Schick: "Was ich mache, ist nur solche Prinzipien, dass ein Objekt in Schwingungen versetzt wird. Das ist jetzt nicht ideal …"
Der Plastiklöffel, den Ignaz Schick an den Rand seines Plattentellers drückt, vibriert zwar, aber er produziert kaum Geräusche. Ein kleiner Messinggong ist da schon effektiver …
Ignaz Schick: "…solche Prinzipien, aber das ist jetzt viel zu scharf vom Klang her. Vielleicht packe ich doch mal ein paar Sachen aus …"
Ignaz Schick ist gerade erst von einer Italientournee zurückgekehrt und hat den größten Teil seines Equipments noch im Reisekoffer - Gongs, Becken, Plastikteller, Gummimatten und Geigenbögen. Dazu eine Schraubzwinge, um ein Mikrofon am Rand des Plattentellers zu fixieren. Ohne Verstärkung wären viele Geräusche, die er produziert, im Konzertsaal kaum zu hören.
Ignaz Schick: "Ich gehe so nah ran teilweise, dass das Mikrofon direkt angeschlagen wird. Dann wird das Mikrofon zu ’nem Instrument."
Ignaz Schick ist 37 und eher klein von Statur. Am liebsten trägt er schwarz. Das wirkt intellektuell und passt zu seinen kurzen schwarzen Haaren und der Brille mit dem modisch-schwarzen Plastikgestell. Er ist ein Tüftler, einer der viel nachdenkt und selten lacht. Sein Studio hat er in einem barackenartigen Gebäude, auf einem verlassenen Industriegelände in Berlin-Friedrichshain eingerichtet. Möbel gibt es dort kaum – dafür Regale mit vielen Kisten.
Ignaz Schick: "Es ist eher der Probe-, Arbeits-, Atelierraum, kein klassisches Studio. Deswegen ist alles verpackt und weggelagert im Regal, weil ich ihn leer haben möchte, wenn ein Ensemble reinkommt, damit ich sofort aufbauen kann."
Ignaz Schick arbeitet mit vielen Musikern zusammen, und für alle macht er andere Musik. Mal produziert er Sounds, die so laut sind, dass sie wehtun, dann spielt er Free Jazz oder er verfremdet elektronische Klubmusik.
Aufgewachsen ist Ignaz Schick in Niederbayern. Seine Eltern gründeten Anfang der 70er-Jahre in Marktl am Inn einen der ersten Ökobauernhöfe.
Ignaz Schick: "Ich bin aufgewachsen in dem politischen Klima, zu versuchen, der Gesellschaft konkret was entgegenzusetzen und ne Utopie zu entwickeln, dass man Dinge eben auch anders machen kann, aber unter extrem sparsamen Verhältnissen - weil wir wirklich von zwei Kühen und zwei Schweinen und ’nem großen Gemüsefeld gelebt haben …"
… und die Familie wirklich versuchte, sich selbst zu versorgen. Den Nachbarn kam es ärmlich vor, doch Ignaz Schick empfand es als ungeheuren Reichtum. Da seine Eltern keinen Fernseher hatten, hörte er viel Radio. Als Elfjähriger wurde er von einem Freund zu einem Konzert des Jazzmusikers Don Cherry mitgenommen.
Ignaz Schick: "Und aus der Auseinandersetzung mit seiner Biografie und auch mit den anderen Musikern, die auf dem Festival waren, habe ich mich in den kommenden ein, zwei Jahren mich mit der kompletten Geschichte der avantgardistischen Musik des 20. Jahrhunderts auseinandergesetzt."
Ignaz Schick begann, Saxofon zu spielen und machte erste Experimente mit Plattenspielern und Bandmaschinen. Nach dem Abitur studierte er an der Kunstakademie in München:
"Natürlich musste ich Zeichnen und eine Aufnahmeprüfung machen. Aber ich habe meinem Professor von Anfang an gesagt: ich werde keine Bilder malen und auch nicht Kunsterzieher werden. Ich will an meinen Klanggeschichten arbeiten."
1995 kommt Ignaz Schick nach Berlin und steigt in die sich gerade entwickelnde Echtzeitmusikszene ein, eine Szene, die sich von den opulenten Klangschöpfungen früherer Jahre abwendet und konsequent auf musikalischen Minimalismus setzt.
Ignaz Schick: "So gegenüber so dem alten Expressionismus der 60er-Jahre – ‚Wir stürmen gegen alles, was besteht’ - auch politisch - war es eher so in unserer Generation, dass man so eine Geste nicht mehr vertreten konnte, so dass dann ruhigere, leisere Töne kamen - wo kann man was eigenes definieren."
Inzwischen gehört der 37-Jährige zu den wichtigsten Vertretern der Szene. Er hat ein Label gegründet, Konzerte und kleine Festivals organisiert. Trotzdem kommt er finanziell nur gerade so über die Runden.
Ignaz Schick: "Also wenn ich nur hier sitzen würde, müsste ich zu Hartz IV gehen oder einen Job finden. Aber den gibt es nicht für mich. Berlin hat zwar extrem niedrige Kosten und den Luxus, dass man Raum hat zu entwickeln und zu produzieren, aber es zu vermarkten ist extrem schwierig."
Ignaz Schick hat in den USA gespielt, in Russland, Polen und Australien. Sein Terminkalender ist immer voll. Da bleibt für Privates wenig Zeit. Seine Freundin, eine Landschaftsarchitektin, die in Paris lebt, sieht er nur alle paar Wochen. Anders geht das auch gar nicht. Ignaz Schick lebt für seine Musik.
Ignaz Schick: "Für mich ist Freizeit eigentlich Zeitverschwendung. Also ich hab kein Interesse, groß in den Urlaub zu fahren, … es gibt so viele Dinge, die ich realisieren möchte, dass ich keine Zeit verschwenden möchte mit irgendwo am Strand sitzen."
Der Plastiklöffel, den Ignaz Schick an den Rand seines Plattentellers drückt, vibriert zwar, aber er produziert kaum Geräusche. Ein kleiner Messinggong ist da schon effektiver …
Ignaz Schick: "…solche Prinzipien, aber das ist jetzt viel zu scharf vom Klang her. Vielleicht packe ich doch mal ein paar Sachen aus …"
Ignaz Schick ist gerade erst von einer Italientournee zurückgekehrt und hat den größten Teil seines Equipments noch im Reisekoffer - Gongs, Becken, Plastikteller, Gummimatten und Geigenbögen. Dazu eine Schraubzwinge, um ein Mikrofon am Rand des Plattentellers zu fixieren. Ohne Verstärkung wären viele Geräusche, die er produziert, im Konzertsaal kaum zu hören.
Ignaz Schick: "Ich gehe so nah ran teilweise, dass das Mikrofon direkt angeschlagen wird. Dann wird das Mikrofon zu ’nem Instrument."
Ignaz Schick ist 37 und eher klein von Statur. Am liebsten trägt er schwarz. Das wirkt intellektuell und passt zu seinen kurzen schwarzen Haaren und der Brille mit dem modisch-schwarzen Plastikgestell. Er ist ein Tüftler, einer der viel nachdenkt und selten lacht. Sein Studio hat er in einem barackenartigen Gebäude, auf einem verlassenen Industriegelände in Berlin-Friedrichshain eingerichtet. Möbel gibt es dort kaum – dafür Regale mit vielen Kisten.
Ignaz Schick: "Es ist eher der Probe-, Arbeits-, Atelierraum, kein klassisches Studio. Deswegen ist alles verpackt und weggelagert im Regal, weil ich ihn leer haben möchte, wenn ein Ensemble reinkommt, damit ich sofort aufbauen kann."
Ignaz Schick arbeitet mit vielen Musikern zusammen, und für alle macht er andere Musik. Mal produziert er Sounds, die so laut sind, dass sie wehtun, dann spielt er Free Jazz oder er verfremdet elektronische Klubmusik.
Aufgewachsen ist Ignaz Schick in Niederbayern. Seine Eltern gründeten Anfang der 70er-Jahre in Marktl am Inn einen der ersten Ökobauernhöfe.
Ignaz Schick: "Ich bin aufgewachsen in dem politischen Klima, zu versuchen, der Gesellschaft konkret was entgegenzusetzen und ne Utopie zu entwickeln, dass man Dinge eben auch anders machen kann, aber unter extrem sparsamen Verhältnissen - weil wir wirklich von zwei Kühen und zwei Schweinen und ’nem großen Gemüsefeld gelebt haben …"
… und die Familie wirklich versuchte, sich selbst zu versorgen. Den Nachbarn kam es ärmlich vor, doch Ignaz Schick empfand es als ungeheuren Reichtum. Da seine Eltern keinen Fernseher hatten, hörte er viel Radio. Als Elfjähriger wurde er von einem Freund zu einem Konzert des Jazzmusikers Don Cherry mitgenommen.
Ignaz Schick: "Und aus der Auseinandersetzung mit seiner Biografie und auch mit den anderen Musikern, die auf dem Festival waren, habe ich mich in den kommenden ein, zwei Jahren mich mit der kompletten Geschichte der avantgardistischen Musik des 20. Jahrhunderts auseinandergesetzt."
Ignaz Schick begann, Saxofon zu spielen und machte erste Experimente mit Plattenspielern und Bandmaschinen. Nach dem Abitur studierte er an der Kunstakademie in München:
"Natürlich musste ich Zeichnen und eine Aufnahmeprüfung machen. Aber ich habe meinem Professor von Anfang an gesagt: ich werde keine Bilder malen und auch nicht Kunsterzieher werden. Ich will an meinen Klanggeschichten arbeiten."
1995 kommt Ignaz Schick nach Berlin und steigt in die sich gerade entwickelnde Echtzeitmusikszene ein, eine Szene, die sich von den opulenten Klangschöpfungen früherer Jahre abwendet und konsequent auf musikalischen Minimalismus setzt.
Ignaz Schick: "So gegenüber so dem alten Expressionismus der 60er-Jahre – ‚Wir stürmen gegen alles, was besteht’ - auch politisch - war es eher so in unserer Generation, dass man so eine Geste nicht mehr vertreten konnte, so dass dann ruhigere, leisere Töne kamen - wo kann man was eigenes definieren."
Inzwischen gehört der 37-Jährige zu den wichtigsten Vertretern der Szene. Er hat ein Label gegründet, Konzerte und kleine Festivals organisiert. Trotzdem kommt er finanziell nur gerade so über die Runden.
Ignaz Schick: "Also wenn ich nur hier sitzen würde, müsste ich zu Hartz IV gehen oder einen Job finden. Aber den gibt es nicht für mich. Berlin hat zwar extrem niedrige Kosten und den Luxus, dass man Raum hat zu entwickeln und zu produzieren, aber es zu vermarkten ist extrem schwierig."
Ignaz Schick hat in den USA gespielt, in Russland, Polen und Australien. Sein Terminkalender ist immer voll. Da bleibt für Privates wenig Zeit. Seine Freundin, eine Landschaftsarchitektin, die in Paris lebt, sieht er nur alle paar Wochen. Anders geht das auch gar nicht. Ignaz Schick lebt für seine Musik.
Ignaz Schick: "Für mich ist Freizeit eigentlich Zeitverschwendung. Also ich hab kein Interesse, groß in den Urlaub zu fahren, … es gibt so viele Dinge, die ich realisieren möchte, dass ich keine Zeit verschwenden möchte mit irgendwo am Strand sitzen."