Wenn ein Verleger den eigen Verlag verkauft

Von Jörg Plath |
Durch die Ankündigung des Verlegers des Aufbau Verlages, Bernd F. Lunkewitz, seinem Unternehmen keine weiteren Gelder zur Verfügung zu stellen, ist der Verlag ins Trudeln geraten und die Fronten verhärtet: Geschäftsführung und Mitarbeiter fühlen sich von Lunkewitz hintergangen und kündigen die Fortführung des Betriebes an.
Gestern noch zeitweiliger Sitz des Millionärs und Frankfurter Immobilienhändlers Bernd F. Lunkewitz, heute schon Hort subkultureller Diversion: An der Fassade des Aufbau-Verlagshauses am Hackeschen Markt in Berlin verkündet ein selbstgemaltes Transparent "Wir sind Aufbau".

Die Aufbau-Verlagsgruppe befindet sich in rapidem Wandel, und Tom Erben, einer der zwei Aufbau-Geschäftsführer, beschwört die Normalität:

"Der Verlag hat nachgewiesen, dass er kostendeckend arbeiten kann. Der Verlag ist im Besitz von Rechten, mit denen er fortführen kann. Und der dritte Punkt ist, dass es keine Ansprüche gibt, wie es Herr Lunkewitz jetzt in der Presse darstellt, die den Verlag jetzt umwerfen würden oder umgeworfen hätten. Es gibt hier keine Grundlage, dass der Verlag ohne Not als Pokereinsatz quasi gegen die Treuhand auf die Schlachtbank gelegt wird. Und das sind wir nicht gewillt im Interesse der Autoren und der Mitarbeiter, so hinzunehmen"."

Auf die Schlachtbank fühlt sich die Aufbau-Verlagsgruppe von niemand anderem als dem bisherigen Verleger gezerrt. Lunkewitz wollte seinem Unternehmen nämlich keine weiteren Gelder zur Verfügung stellen und forderte stattdessen 48,8 Millionen Euro Schadensersatz für entgangene Lizenzeinnahmen und frühere Investitionen.

Zweimal hat der Frankfurter den Verlag erworben, und erst im März dieses Jahres hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass der 1995 mit dem Kulturbund geschlossene Kaufvertrag rechtmäßig ist, jener zwischen der Treuhand und drei Investoren um Lunkewitz aus dem Jahr 1991 jedoch ungültig.

Für diesen von ihm erhofften Fall hatte Lunkewitz bisher angekündigt, Mitarbeiter der Verlagsgruppe und deren Buchrechte in den Aufbau-Verlag zu übernehmen, falle die Verlagsgruppe doch an den Verkäufer, die Treuhand bzw. deren Dienstherrn, das Bundesfinanzministerium, zurück.

Doch nun hat er sich letzte Woche entschieden, der Verlagsgruppe die geforderten 2,5 Millionen Euro nicht zu gewähren, weil, so sagte Lunkewitz dem Fachblatt "Buchmarkt", der Bundesfinanzminister die "kriminelle Vorgehensweise" der Treuhand noch immer decke.

Das klingt, als ob Lunkewitz, der seine Interviewpartner zur Zeit handverliest, Rache und Geld wichtiger sind als das Unternehmen, die Angestellten und sein bisher achtbares verlegerisches Wirken.

Doch René Strien, ebenso wie Tom Erben Aufbau-Geschäftsführer, ist keinesfalls der Lunkewitzschen Auffassung, die Verlagsgruppe gehöre wieder der Treuhand.

""Die Tatsache, dass sein Rechtsberater oder er, ich weiß nicht, wo es herkommt, der Auffassung ist, dass hier die Treuhand Gesellschafter sei, die hätte man beseitigen können, diese irrige Auffassung, durch einen Blick ins GmbH-Gesetz. Da steht nämlich schlicht und ergreifend: Gesellschafter ist der, der notariell als solcher auch niedergelegt ist, und solange wir keine Urkunde bekommen, die uns sagt, wir haben einen anderen Gesellschafter, haben wir keinen Gesellschafter. Und das Gesetz hat nicht vorgesehen, dass es da ein Hintertürchen gibt, durch das man aus welchen Gründen auch immer sich bei Nacht und Nebel rausschleichen kann, sondern dass muss man an anderer Stelle regeln ... "

Wenn der Aufbau-Fall bisher schon äußerst verwickelt war - mit dem dritten Akteur neben Lunkewitz und Treuhand, der Aufbau-Verlagsgruppe, nimmt er labyrinthische Züge an. Einig sind sich alle drei nur in einem: Recht zu haben. Ansonsten bemühte man sich auf der Pressekonferenz nach den scharfen Erklärungen beider Seiten der letzten Tage um Sachlichkeit und Ruhe.

Dass Lunkewitz am Freitag damit scheiterte, der Verlagsgruppe die Büroräume fristlos zu kündigen, verschafft dieser nun Mietfreiheit. Insolvenzverwalter Joachim Voigt-Salus bezeichnete dies durchaus nicht scherzhaft als Einlage des Gesellschafters. Er sieht gute Chancen, den Verlag zu verkaufen, was schon Lunkewitz geplant hatte.

"Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand ist das wahrscheinlich die eleganteste und schnellste Lösung, hier auch Zukunft herzustellen. Weil die Geschäftsführung ja selber bei ihren Überlegungen zur weiteren Zukunft des Verlages auch vor Insolvenz schon gesagt hat, man braucht vielleicht ein besseres Umfeld, um noch effizienter und günstiger in der Zukunft zu wirken."

Bis dahin gilt business as usual: Die Bücher des Herbstes erscheinen, die des Frühjahrs werden vorbereitet. Das verschafft interessierten Journalisten und Hörern Zeit, sich schon mal mit Vokabeln wie "Eigenkapitalersatzrecht" und "gefangene Verbindlichkeiten" vertraut machen. Die nächsten juristischen Winkelzüge kommen bestimmt.
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