Wenn Elefanten malen
Die Kunst und Kulturfähigkeit wird allein dem Menschen zugeschrieben. Doch warum sollten Elefanten nicht malen können? Und was passiert, wenn der Künstler behauptet, ein Tier zu sein? Die Ausstellung "Tier-Werden, Mensch-Werden" in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst in Berlin beschäftigt sich mit dem Auflösungsprozesse animalischer und menschlicher Identitäten.
Vitaly Komar und Alexander Melamid haben Elefanten das Malen beigebracht. Die beiden russischen Künstler, die in New York leben, betreiben schon länger ein Elefantenschutzprojekt in Thailand, das sie mit den Gemälden ihrer Schützlinge finanzieren. Die abstrakte Kunst der Dickhäuter steht in der Kritik, weil dadurch die Tiere auf zynische Weise vermenschlicht würden. Doch das weisen die beiden menschlichen Künstler zurück. Denn sie arbeiten ausschließlich mit ohnehin domestizierten Elefanten, die sie schon vorher dabei beobachtet haben, wie die Tiere aus Langeweile in ihren Gehegen mit Stöckern im Rüssel auf den Sandboden gekritzelt haben. Und vielleicht ging es den Kritikern auch gar nicht um die Tiere, sondern eher um den Schutz der Kunst als Menschengut.
"Das ist ein Ansatz, den wir besonders interessant fanden, zu überlegen, ob man nicht vom Tier einiges über Kunst lernen kann, was jetzt im Gegensatz zur klassischen abendländischen Philosophie ein fundamentaler Paradigmenwechsel ist, wo sozusagen die Kunst oder die Kulturfähigkeit allein dem Menschen zugeschrieben wird. Und wenn man jetzt behauptet, Kunst zu machen, wäre wie ein Tier zu sein, stellt es diese Grundsätze auf den Kopf - und hinterfragt alle unsere abendländischen Geisteshaltungen, die den Mensch als herausgehobenes Wesen auf diesem Planeten interpretieren","
sagt Friedrich Weltzien, der zusammen mit Jessica Ullrich diese Ausstellung in Berlin kuratiert hat, die als Beitrag der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst zum Darwin-Jahr verstanden werden kann.
Wer in die abendländische Kunstgeschichte blickt, erkennt, dass spätestens seit Ende des Mittelalters und dem Beginn der Renaissance und dem Zeitalter des Humanismus der Menschen in das Zentrum der Welt rückte, während Tiere nicht selten zu ausdrucksarmen Staffagen degradiert wurden. Auf den Bildern von Hieronymus Bosch verkörperten sie entweder Höllenqualen oder die Harmonie der Schöpfung im Paradies. Noch im 19. Jahrhundert waren sie mehr Dämonen oder Fabelwesen oder sie erschienen als dienstbare Genossen in ländlichen Szenarien, jedoch ohne eigene Sprache oder eigenen Ausdruck.
Daraus entwickelte sich der Plan der beiden Kuratoren nach einem Perspektivwechsel:
""Eine der grundlegenden Entscheidungen liegt schon sehr weit zurück, insofern wir eine Denkrichtung sich entwickeln sehen, die sich vor allem im amerikanischen und englischen Raum ausdifferenziert hat, die nennt sich 'Animal Studies'. Da geht es darum, zu erforschen, welche Rolle die Tiere in der Kulturgeschichte gespielt haben. Unsere Vorstellung war dann, zu gucken, wie geht die Bildende Kunst damit um. Welche Ideen werden in der Bildenden Kunst entwickelt, die uns helfen, mit der momentanen Situation umzugehen. Also wir haben eine naturhistorische Zäsur, in der wir lernen müssen, anders mit der Natur umzugehen, weil wir sonst nicht zurechtkommen werden."
Die Künstlerinnen und Künstler dieser Ausstellung eint der Versuch, mit ihren Werken auf einer Grenze zu balancieren, die ein kulturelles Tabu darstellt, und das macht zu einem großen Teil auch den intellektuellen Reiz dieser Schau aus.
In einer Fotoserie aus den 90er-Jahren der finnischen Künstlerin Eija-Liisa Ahtila ahmt eine unbekleidete Frau auf einem Bett typische Haltungen und Verhaltensweisen eines Hundes nach, einschließlich des Beinhebens, wodurch sie nebenbei auch noch die Geschlechterrollen vertauscht. Nicht die Imitation des Tierseins, sondern das Ausbrechen aus gesellschaftlichen Identitäten ist hier das Thema.
Eine andere Form der Verunsicherung zeigt Jana Sterbak, die ihren Jack-Russel-Terrier mit kleinen Kameras ausgestattet hat und einen Spaziergang durch das vom Hochwasser bedrohte Venedig aus der vermeintlichen Hundeperspektive zeigt, die eine dramatische Verzerrung der für den menschlichen Blick vertrauten Umgebung nach sich zieht.
Über allem aber schwebt der Geist des Philosophen-Duos Gilles Deleuze und Felix Guattari. In ihrer Abhandlung "1000 Plateaus" deuteten sie das Schreiben oder das Künstlersein selbst als ein "Tierwerden". Das Tiersein als Metapher für den Künstler wiederum kennt man schon aus Franz Kafkas Figur des Gregor Samsa, der sich eines Morgens in einen Käfer verwandelt sieht. Jessica Ullrich und Friedrich Weltzien wollen es mit ihrer Ausstellung freilich nicht bei Symbolik belassen:
"Im Gegensatz zu Deleuze und Guattari geht es uns eben vor allen Dingen um das Tier tatsächlich, das Tier in der Kunst. Und ich hab den Eindruck, dass den beiden um das Tier nicht geht. Aber uns geht es tatsächlich um Tiere in der Kunst. Und damit ist eben der zweite Teil des Titels auch benannt, dass es eben auch um das Menschwerden geht, dass man nicht Mensch sein kann, ohne seine tierische Natur in irgendeiner Weise zu akzeptieren oder mitzudenken."
Nein, betonen die beiden immer wieder, es geht hier nicht um ökologische Kunst, niemand wird mit dem moralischen Zeigefinger empfangen. Das Konzept der Ausstellung versteht sich als offen, und in der Tat, gerade dort, wo diese Schau verwirrt, wo sie die kulturellen Grenzen zwischen Mensch- und Tierwelt spürbar macht, die bis heute wirksam zu sein scheinen, hat sie ihre stärksten Momente.
Tiere sehen dich an - dieses Mal aber ganz anders.
"Das ist ein Ansatz, den wir besonders interessant fanden, zu überlegen, ob man nicht vom Tier einiges über Kunst lernen kann, was jetzt im Gegensatz zur klassischen abendländischen Philosophie ein fundamentaler Paradigmenwechsel ist, wo sozusagen die Kunst oder die Kulturfähigkeit allein dem Menschen zugeschrieben wird. Und wenn man jetzt behauptet, Kunst zu machen, wäre wie ein Tier zu sein, stellt es diese Grundsätze auf den Kopf - und hinterfragt alle unsere abendländischen Geisteshaltungen, die den Mensch als herausgehobenes Wesen auf diesem Planeten interpretieren","
sagt Friedrich Weltzien, der zusammen mit Jessica Ullrich diese Ausstellung in Berlin kuratiert hat, die als Beitrag der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst zum Darwin-Jahr verstanden werden kann.
Wer in die abendländische Kunstgeschichte blickt, erkennt, dass spätestens seit Ende des Mittelalters und dem Beginn der Renaissance und dem Zeitalter des Humanismus der Menschen in das Zentrum der Welt rückte, während Tiere nicht selten zu ausdrucksarmen Staffagen degradiert wurden. Auf den Bildern von Hieronymus Bosch verkörperten sie entweder Höllenqualen oder die Harmonie der Schöpfung im Paradies. Noch im 19. Jahrhundert waren sie mehr Dämonen oder Fabelwesen oder sie erschienen als dienstbare Genossen in ländlichen Szenarien, jedoch ohne eigene Sprache oder eigenen Ausdruck.
Daraus entwickelte sich der Plan der beiden Kuratoren nach einem Perspektivwechsel:
""Eine der grundlegenden Entscheidungen liegt schon sehr weit zurück, insofern wir eine Denkrichtung sich entwickeln sehen, die sich vor allem im amerikanischen und englischen Raum ausdifferenziert hat, die nennt sich 'Animal Studies'. Da geht es darum, zu erforschen, welche Rolle die Tiere in der Kulturgeschichte gespielt haben. Unsere Vorstellung war dann, zu gucken, wie geht die Bildende Kunst damit um. Welche Ideen werden in der Bildenden Kunst entwickelt, die uns helfen, mit der momentanen Situation umzugehen. Also wir haben eine naturhistorische Zäsur, in der wir lernen müssen, anders mit der Natur umzugehen, weil wir sonst nicht zurechtkommen werden."
Die Künstlerinnen und Künstler dieser Ausstellung eint der Versuch, mit ihren Werken auf einer Grenze zu balancieren, die ein kulturelles Tabu darstellt, und das macht zu einem großen Teil auch den intellektuellen Reiz dieser Schau aus.
In einer Fotoserie aus den 90er-Jahren der finnischen Künstlerin Eija-Liisa Ahtila ahmt eine unbekleidete Frau auf einem Bett typische Haltungen und Verhaltensweisen eines Hundes nach, einschließlich des Beinhebens, wodurch sie nebenbei auch noch die Geschlechterrollen vertauscht. Nicht die Imitation des Tierseins, sondern das Ausbrechen aus gesellschaftlichen Identitäten ist hier das Thema.
Eine andere Form der Verunsicherung zeigt Jana Sterbak, die ihren Jack-Russel-Terrier mit kleinen Kameras ausgestattet hat und einen Spaziergang durch das vom Hochwasser bedrohte Venedig aus der vermeintlichen Hundeperspektive zeigt, die eine dramatische Verzerrung der für den menschlichen Blick vertrauten Umgebung nach sich zieht.
Über allem aber schwebt der Geist des Philosophen-Duos Gilles Deleuze und Felix Guattari. In ihrer Abhandlung "1000 Plateaus" deuteten sie das Schreiben oder das Künstlersein selbst als ein "Tierwerden". Das Tiersein als Metapher für den Künstler wiederum kennt man schon aus Franz Kafkas Figur des Gregor Samsa, der sich eines Morgens in einen Käfer verwandelt sieht. Jessica Ullrich und Friedrich Weltzien wollen es mit ihrer Ausstellung freilich nicht bei Symbolik belassen:
"Im Gegensatz zu Deleuze und Guattari geht es uns eben vor allen Dingen um das Tier tatsächlich, das Tier in der Kunst. Und ich hab den Eindruck, dass den beiden um das Tier nicht geht. Aber uns geht es tatsächlich um Tiere in der Kunst. Und damit ist eben der zweite Teil des Titels auch benannt, dass es eben auch um das Menschwerden geht, dass man nicht Mensch sein kann, ohne seine tierische Natur in irgendeiner Weise zu akzeptieren oder mitzudenken."
Nein, betonen die beiden immer wieder, es geht hier nicht um ökologische Kunst, niemand wird mit dem moralischen Zeigefinger empfangen. Das Konzept der Ausstellung versteht sich als offen, und in der Tat, gerade dort, wo diese Schau verwirrt, wo sie die kulturellen Grenzen zwischen Mensch- und Tierwelt spürbar macht, die bis heute wirksam zu sein scheinen, hat sie ihre stärksten Momente.
Tiere sehen dich an - dieses Mal aber ganz anders.