Wenn Emanzen in die Jahre kommen
Die Filmemacherin Helke Sander, die 1968 eine der Mitbegründerinnen der neuen Frauenbewegung in der Bundesrepublik war, beschreibt in neun Geschichten mit Ironie und lakonischem Staunen, dass ihre Generation alt geworden ist.
Philosophie interessiert sie inzwischen mehr als Sex, dabei waren die Heldinnen in den Geschichten von Helke Sander früher einmal ziemlich aktiv in Liebesdingen. Es ist nicht so sehr die Tatsache, dass ein junger Schnösel sie auf der Straße mit "Oma" anspricht, die sie zornig macht. Alt fühlt sie sich, weil sie auf diese Unverschämtheit nicht schlagfertig antworten kann.
Die Heldin in der Titelgeschichte dieses Bandes muss sich eingestehen, dass sie nicht nur alt geworden ist und auch alt aussieht, sie denkt vor allem häufig darüber nach, was es bedeutet, alt zu sein. Sie gesteht sich etwa ein, dass der letzte Geschlechtsverkehr hinter ihr liegt: "Ein Unterschied zum ersten ist zum Beispiel, dass man sich an den ersten Beischlaf meist erinnern kann, wohingegen man beim letzten oft nicht weiß, dass es der letzte war".
Sie ist gar nicht besonders traurig über ihr sexloses Leben, räumt vielmehr ein, dass andere Dinge sie inzwischen weit mehr interessieren als die körperliche Liebe. Trotzdem fühlt sie sich als eine Art "fleischgewordenes Versuchskaninchen: Sie hatte die Lebenserwartungen früherer Generationen mehrfach übertroffen, sie war gesund und aktiv, sie war als Frau einigermaßen gleichberechtigt, sie hatte mit entwickelt und entdeckt, das auch Frauen sexuell begehren. Aber nun fragte sie sich, ob das immer so weitergehen sollte, wie propagiert wurde..."
Die Filmemacherin Helke Sander, die 1968 eine der Mitbegründerinnen der neuen Frauenbewegung in der Bundesrepublik war, beschreibt in neun Geschichten mit Ironie und lakonischem Staunen, wie und dass ihre Generation alt geworden ist. Sie erzählt von alleinstehenden Frauen, die gerne einen Mann fürs Bett hätten oder vielleicht doch lieber einen fürs gemeinsame Frühstück, die in Wohngemeinschaften leben und empört auf das eindeutige Stöhnen eines gleichaltrigen Mitbewohners reagieren, die neidvoll auf die kinderreiche türkische Nachbarsfamilie schauen oder mit dem Mut der Verzweiflung schließlich doch auf eine Kontaktanzeige antworten.
Keine dramatischen Situationen entstehen aus den Handlungen und Selbstreflexionen der Heldinnen, vielmehr birgt selbst das Ende der klassischen Affäre mit einem verheirateten Mann noch jede Menge abstruse Komik. Frauen und Männer passen immer noch nicht so recht zusammen. Auch nicht im Alter. Das einzusehen - und daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen - ist auch für die frauenbewegten Seniorinnen, denen Alterssex gegen körperliche Beschwerden in der Apothekenzeitung empfohlen wird, nicht einfacher geworden. Vielleicht hilft da tatsächlich die Beschäftigung mit Philosophie eher weiter als Yoga oder ein Tantrakurs.
Besprochen von Manuela Reichart
Helke Sander: Der letzte Geschlechtsverkehr und andere Geschichten über das Altern
Kunstmann Verlag, München 2011
59 Seiten, 16,90 Euro
Die Heldin in der Titelgeschichte dieses Bandes muss sich eingestehen, dass sie nicht nur alt geworden ist und auch alt aussieht, sie denkt vor allem häufig darüber nach, was es bedeutet, alt zu sein. Sie gesteht sich etwa ein, dass der letzte Geschlechtsverkehr hinter ihr liegt: "Ein Unterschied zum ersten ist zum Beispiel, dass man sich an den ersten Beischlaf meist erinnern kann, wohingegen man beim letzten oft nicht weiß, dass es der letzte war".
Sie ist gar nicht besonders traurig über ihr sexloses Leben, räumt vielmehr ein, dass andere Dinge sie inzwischen weit mehr interessieren als die körperliche Liebe. Trotzdem fühlt sie sich als eine Art "fleischgewordenes Versuchskaninchen: Sie hatte die Lebenserwartungen früherer Generationen mehrfach übertroffen, sie war gesund und aktiv, sie war als Frau einigermaßen gleichberechtigt, sie hatte mit entwickelt und entdeckt, das auch Frauen sexuell begehren. Aber nun fragte sie sich, ob das immer so weitergehen sollte, wie propagiert wurde..."
Die Filmemacherin Helke Sander, die 1968 eine der Mitbegründerinnen der neuen Frauenbewegung in der Bundesrepublik war, beschreibt in neun Geschichten mit Ironie und lakonischem Staunen, wie und dass ihre Generation alt geworden ist. Sie erzählt von alleinstehenden Frauen, die gerne einen Mann fürs Bett hätten oder vielleicht doch lieber einen fürs gemeinsame Frühstück, die in Wohngemeinschaften leben und empört auf das eindeutige Stöhnen eines gleichaltrigen Mitbewohners reagieren, die neidvoll auf die kinderreiche türkische Nachbarsfamilie schauen oder mit dem Mut der Verzweiflung schließlich doch auf eine Kontaktanzeige antworten.
Keine dramatischen Situationen entstehen aus den Handlungen und Selbstreflexionen der Heldinnen, vielmehr birgt selbst das Ende der klassischen Affäre mit einem verheirateten Mann noch jede Menge abstruse Komik. Frauen und Männer passen immer noch nicht so recht zusammen. Auch nicht im Alter. Das einzusehen - und daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen - ist auch für die frauenbewegten Seniorinnen, denen Alterssex gegen körperliche Beschwerden in der Apothekenzeitung empfohlen wird, nicht einfacher geworden. Vielleicht hilft da tatsächlich die Beschäftigung mit Philosophie eher weiter als Yoga oder ein Tantrakurs.
Besprochen von Manuela Reichart
Helke Sander: Der letzte Geschlechtsverkehr und andere Geschichten über das Altern
Kunstmann Verlag, München 2011
59 Seiten, 16,90 Euro