Wenn Energydrinks zuviel Energie liefern

Von Udo Pollmer |
Energydrinks haben sich etabliert. Während Jugendliche gern dem "Gummibärchensaft" zusprechen, blieb die ältere Generation skeptisch. Viele fühlten sich bestätigt, als die Behörden in einem Produkt Cocain entdeckt hatten. Nun warnen auch amerikanische Suchtexperten vor den Getränken.
Wie kam das Cocain in die Energydrinks?
Da seit jeher Extrakte aus Cocablättern zum Aromatisieren von Lebensmitteln verwendet werden, war es nur eine Frage der Zeit, bis die Analytik soweit ist, dass sie darin auch Cocain finden würde. Zum Vergleich: Die Gehalte an Cocain im Getränk betrugen weniger als ein Tausendstel dessen, was in Speisemohn an Morphium erlaubt ist. Insofern ein belangloser Befund.

Zudem lässt sich auch an Papiergeld Cocain nachweisen: Um das Pulver in die Nase zu ziehen, wird ein Geldschein gerollt und zum Schnupfen verwendet. Im Geldbeutel werden die Pulverreste von einem Schein auf den nächsten gepresst. Insofern ist das Beschnüffeln eines 20-Euro-Scheines aus drogenpolitischer Sicht so relevant wie der Konsum einer Dose Gummibärchensaft.

Weshalb warnen nun aber auch US-Behörden vor diesen Getränken?
Aufgrund ihres Gehaltes an Coffein. In den Vergiftungszentralen in den USA werden immer wieder mal Jugendliche eingeliefert, die einfach zuviel davon konsumiert haben. Das äußert sich dann in Schlaflosigkeit, Angst, Zittern und Durchfall. Da viele Kinder und Jugendliche nicht an eine regelmäßige Zufuhr von Coffein gewöhnt sind, haben diese Getränke, wenn sie auf Partys zum ersten Mal konsumiert werden, ganz andere Effekte als beim habituellen Kaffee- oder Teetrinker. Wenn der sich zwei Dosen reinzieht, passiert gewöhnlich gar nichts. Cola enthält zwar auch Coffein, aber vergleichsweise geringe Mengen. Manche der Drinks enthalten 50 mal soviel Coffein wie handelsübliche Colagetränke.

Sie werden ja nicht selten zusammen mit Alkohol konsumiert, verbessert das die Dröhnung?
Der Grund dieser Mixtur aus Wodka und Energy-Zeugs ist simpel: Man schmeckt durch den Zucker und die starke Aromatisierung den Alkohol nicht mehr. Diese Art von Likör schmeckt dann auch den Jüngeren und vor allem den Mädchen. Hinzu kommt, dass man dank Coffein auch die Wirkung des Alkohols nicht so schnell spürt. Andererseits kommen wir nicht um die Einsicht umhin, dass Coffein als solches zu den verträglichsten Stimuli gehört, die wir kennen.

Wie groß ist denn die Gefahr der Abhängigkeit?
Beim Coffein gibt's ein Entzugssyndrom: Man hat ein, zwei Tage Kopfweh - und der Entzug ist ausgestanden. Deshalb argumentieren die Suchtexperten hier ein wenig anders: Sie warnen, es handele sich um "Einstiegsdrogen". Aber deren Statistiken zeigen lediglich so merkwürdige Dinge, wie dass Energy-Drink-Konsumenten sich beim Autofahren seltener anschnallen oder gelegentlich mal Cannabis schmauchen.

Weit riskanter als Energydrinks sind viele Schmerztabletten; die enthalten neben Schmerzmitteln ebenfalls Coffein. Das Coffein ist gegen den Entzugskopfschmerz gedacht. Aber da wäre es besser, der Kunde würde auf seinen coffeinfreien Kaffee verzichten und wieder echte Bohne trinken. Das Problem ist: Wer längere Zeit solche Tabletten gegen Schmerzen einwirft, bekommt beim Absetzen des Medikaments automatisch wieder Kopfweh - und greift wieder zur Tablette. Das erzeugt Abhängigkeit - aber das interessiert offenbar niemanden.

Sie halten das Suchtpotential der Drinks für eher gering?
Es geht natürlich nicht an, wenn einige Energydrinks von einem Stimulans das zigfache dessen enthalten, was bisher in Limos üblich war. Zugleich ist es schon komisch: Wenn es um Sucht geht, werden alle möglichen Dinge angeführt, die Erwachsenen suspekt sind - während die Forschung in eine völlig andere Richtung deutet: Am Anfang steht heute - halten Sie sich fest - meist die Sorge um das rechte Gewicht gefolgt von einer Diät oder der Einnahme von Abführmitteln.

Das führt nicht nur gelegentlich zur Bulimie, sondern auch zum Konsum von Zigaretten, Alkohol und illegalen Drogen. Was wie eine Nachricht vom anderen Stern klingt, ist in Studien an großen Kollektiven mit 10.000 Teilnehmern und mehr abgesichert worden. Der Grund ist wahrscheinlich, dass junge Menschen ihren Körper besser aussehen lassen wollen. Da das mit Diäten nicht funktioniert, werden bald andere Mittel wie Tabak ausprobiert. Wer seinen Körper designen will, versucht es alsbald auch mit seiner Stimmung.

Literatur:
BfR: Kein Gesundheitsrisiko durch den Cocaingehalt in Red Bull Simply Cola. Bewertung Nr 20/2009
Reissig CJ et al: Caffeinated energy drinks - a growing problem. Drug and Alcohol Dependence 2009; 99: 1-10
Miller KE: Energy drinks, race, and problem behaviors among college students. Journal of Adolescent Health 2008; 43: 490-497
Neumark-Sztainer D et al: Covariations of unhealthy weight loss behaviors and other high-risk behaviors among adoloscents. Archives of Pediatric and Adolescent Medicine 1996; 150: 304-308
Patton GC et al: Onset of adolescent eating disorders: population based cohort study over 3 years. British Medical Journal 1999; 318: 768-768
Field A et al: Smoking, getting drunk, and engaging in bulimic behaviors: in which order are the behaviors adopted? Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry 2002; 41: 846-853