Wenn Hip Hop-Stars älter werden
40 Jahre, das ist doch kein Alter! Oder doch? Der US-Rapper Busta Rhymes jedenfalls hat seine beste Zeit hinter sich, sagt Musikredakteur Martin Böttcher - und erklärt, warum es bislang keine erfolgreichen Senioren-Hip-Hopper gibt.
Sigrid Brinkmann: Heute ist der 40. Geburtstag von Busta Rhymes. Was für einen Stellenwert hat der Rapper noch, welchen Stellenwert hatte er einmal?
Martin Böttcher: Es gibt Leute, die halten ihn für einen der besten Rapper der 90er-Jahre – was auch, aber nicht nur daran liegt, dass es so unglaublich schnell und dabei doch präzise rappen kann. Aber die Formulierung "der 90er" zeigt ja schon: die besten, sprich: erfolgreichsten Zeiten hat Trevor Tahim Smith jr. – so heißt er nämlich eigentlich – hinter sich.
Vor 40 Jahren ist er in New York geboren worden, vor 20 Jahren tauchte er auf der Hip-Hop-Bildfläche auf und es war ziemlich schnell klar: So wie Busta Rhymes rappen kann, kann das sonst keiner: Harte, laute Stimme, stakkato-artiger Sprechgesang, der auch mit komplizierten verschachtelten Reimen keine Probleme hat. Elf Mal war er für den amerikanischen Musikpreis Grammy nominiert, sieben reguläre Studioalben und etliche Gastauftritte bei anderen Musikern hat er bislang vorzuweisen. Film- und Fernsehauftritte kommen dazu
Brinkmann: Er ist aber immer noch dabei?
Böttcher: Er ist immer noch dabei, hat auch ein neues Album angekündigt, das wird auch Zeit, das alte liegt nämlich schon drei Jahre zurück. Die Frage ist nur: An wen wendet es sich, wen will er damit erreichen? Im Hip Hop ist es ja nicht so, dass man hier "seiner" Band bzw. "seinem" Musiker jahrzehntelang die Treue hält und Rolling-Stones-mäßig gemeinsam alt wird – man hält eher der Musik und der Kultur die Treue und die leben eben von kontinuierlichem Wechsel, von change.
Brinkmann: Wie extrem ist denn der Jugendkult in der Jugendkultur Hip Hop?
Böttcher: Der ist schon groß. Der Rapper Chamillionaire hat mir mal erzählt, dass man sich schon mit 25 fragen muss, ob und wie man in der Szene weitermachen kann. Das hat auch damit zu tun, dass es eine wichtige Rolle spielt, wie "Fresh" jemand ist, also wie frisch. Fresh, dieser Begriff fällt immer wieder im Hip-Hop-Zusammenhang, Damit sind unterschiedliche, aber miteinander verwandte Sachen gemeint: Neu und unverbraucht zum Beispiel, erfrischend anders, auf der Höhe der Zeit bzw. sogar seiner Zeit voraus. All das war Busta Rhymes einmal, aber er ist es nicht mehr. Gleichzeitig hat er es nicht geschafft – wie die Großverdiener in der Branche – lukrative Seitengeschäfte zu etablieren und dadurch im Gespräch zu bleiben: Seine Streetwear-Firma kam nicht in die Gänge bzw. wurde sogar belächelt.
Brinkmann: Es gibt ja auch keine alten Rapper, anders als in der Rockmusik, oder? Sie erwähnten vorhin die Stones.
Böttcher: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwann mal 70-jährige Hip-Hop-Künstler geben wird, die immer noch im nennenswerten Umfang Publikum anziehen. Aber vielleicht liegt das auch nur daran, dass es noch keiner vorgemacht hat. Immerhin: Chuck D. von Public Enemy ist nach wie vor aktiv, er wird in wenigen Monaten 52. Aber es sind ja nicht nur die Auftritte. Sondern, zum Beispiel, auch die Tatsache, dass es so etwas wie einen Hip-Hop-Oldies-Radiosender nicht gibt – außer vielleicht im Netz.
Das bedeutet umgekehrt natürlich auch für die Künstler, dass sie ihr Geld in jungen Jahren machen und auf der Musikkarriere eine zweite Karriere aufbauen müssen. Dass jemand einen Hit schreibt und dann von den Tantiemen und Gema-Einnahmen aus dem Radio bis zum St. Nimmerleinstag leben wird, ist im Hip Hop extrem unwahrscheinlich. Aber vielleicht ändert sich das auch noch mal
Brinkmann: 40 Jahre ist Busta Rhymes jetzt, nur unwesentlich älter als Rap und Hip Hop selbst. Was würden Sie sagen: Wie hat sich das Genre in dieser Zeit verändert?
Böttcher: Die wesentlichen Dinge waren eigentlich von Anfang an angelegt: Der Beat, der Sprechgesang, die Themen von Gangsterdasein über Sex bis hin zur Bedeutung von Geld, auch die sozialen Themen, Rap als CNN der Schwarzen war ja auch mal ein Thema. Ich habe aber gerade einen sehr interessanten Artikel im englischen "Guardian" gelesen. Darin wird argumentiert, dass die Schere zwischen den Multimillionären ganz oben, den Jay-Zs und P. Diddys und Kanye Wests und Eminems und den Hip-Hop-Träumern ganz unten, die ihre Mixtapes selbst verkaufen und darauf hoffen, entdeckt zu werden, dass diese Schere immer deutlicher wird. Und in dem Artikel wurde die gar nicht mal so abwegige These aufgestellt, dass dem Hip Hop deshalb eine Art Revolution bevorstehen könnte. So, wie die etablierte, Rockmusik – man nennt das ja sogar "Rockstarleben" – vom Punk aufgeschreckt und zeitweilig weggefegt wurde. Busta Rhymes hätte dazu mal das Zeug gehabt, behaupte ich. Aber sich dann doch lieber für Geld und Ruhm entschieden.
Martin Böttcher: Es gibt Leute, die halten ihn für einen der besten Rapper der 90er-Jahre – was auch, aber nicht nur daran liegt, dass es so unglaublich schnell und dabei doch präzise rappen kann. Aber die Formulierung "der 90er" zeigt ja schon: die besten, sprich: erfolgreichsten Zeiten hat Trevor Tahim Smith jr. – so heißt er nämlich eigentlich – hinter sich.
Vor 40 Jahren ist er in New York geboren worden, vor 20 Jahren tauchte er auf der Hip-Hop-Bildfläche auf und es war ziemlich schnell klar: So wie Busta Rhymes rappen kann, kann das sonst keiner: Harte, laute Stimme, stakkato-artiger Sprechgesang, der auch mit komplizierten verschachtelten Reimen keine Probleme hat. Elf Mal war er für den amerikanischen Musikpreis Grammy nominiert, sieben reguläre Studioalben und etliche Gastauftritte bei anderen Musikern hat er bislang vorzuweisen. Film- und Fernsehauftritte kommen dazu
Brinkmann: Er ist aber immer noch dabei?
Böttcher: Er ist immer noch dabei, hat auch ein neues Album angekündigt, das wird auch Zeit, das alte liegt nämlich schon drei Jahre zurück. Die Frage ist nur: An wen wendet es sich, wen will er damit erreichen? Im Hip Hop ist es ja nicht so, dass man hier "seiner" Band bzw. "seinem" Musiker jahrzehntelang die Treue hält und Rolling-Stones-mäßig gemeinsam alt wird – man hält eher der Musik und der Kultur die Treue und die leben eben von kontinuierlichem Wechsel, von change.
Brinkmann: Wie extrem ist denn der Jugendkult in der Jugendkultur Hip Hop?
Böttcher: Der ist schon groß. Der Rapper Chamillionaire hat mir mal erzählt, dass man sich schon mit 25 fragen muss, ob und wie man in der Szene weitermachen kann. Das hat auch damit zu tun, dass es eine wichtige Rolle spielt, wie "Fresh" jemand ist, also wie frisch. Fresh, dieser Begriff fällt immer wieder im Hip-Hop-Zusammenhang, Damit sind unterschiedliche, aber miteinander verwandte Sachen gemeint: Neu und unverbraucht zum Beispiel, erfrischend anders, auf der Höhe der Zeit bzw. sogar seiner Zeit voraus. All das war Busta Rhymes einmal, aber er ist es nicht mehr. Gleichzeitig hat er es nicht geschafft – wie die Großverdiener in der Branche – lukrative Seitengeschäfte zu etablieren und dadurch im Gespräch zu bleiben: Seine Streetwear-Firma kam nicht in die Gänge bzw. wurde sogar belächelt.
Brinkmann: Es gibt ja auch keine alten Rapper, anders als in der Rockmusik, oder? Sie erwähnten vorhin die Stones.
Böttcher: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwann mal 70-jährige Hip-Hop-Künstler geben wird, die immer noch im nennenswerten Umfang Publikum anziehen. Aber vielleicht liegt das auch nur daran, dass es noch keiner vorgemacht hat. Immerhin: Chuck D. von Public Enemy ist nach wie vor aktiv, er wird in wenigen Monaten 52. Aber es sind ja nicht nur die Auftritte. Sondern, zum Beispiel, auch die Tatsache, dass es so etwas wie einen Hip-Hop-Oldies-Radiosender nicht gibt – außer vielleicht im Netz.
Das bedeutet umgekehrt natürlich auch für die Künstler, dass sie ihr Geld in jungen Jahren machen und auf der Musikkarriere eine zweite Karriere aufbauen müssen. Dass jemand einen Hit schreibt und dann von den Tantiemen und Gema-Einnahmen aus dem Radio bis zum St. Nimmerleinstag leben wird, ist im Hip Hop extrem unwahrscheinlich. Aber vielleicht ändert sich das auch noch mal
Brinkmann: 40 Jahre ist Busta Rhymes jetzt, nur unwesentlich älter als Rap und Hip Hop selbst. Was würden Sie sagen: Wie hat sich das Genre in dieser Zeit verändert?
Böttcher: Die wesentlichen Dinge waren eigentlich von Anfang an angelegt: Der Beat, der Sprechgesang, die Themen von Gangsterdasein über Sex bis hin zur Bedeutung von Geld, auch die sozialen Themen, Rap als CNN der Schwarzen war ja auch mal ein Thema. Ich habe aber gerade einen sehr interessanten Artikel im englischen "Guardian" gelesen. Darin wird argumentiert, dass die Schere zwischen den Multimillionären ganz oben, den Jay-Zs und P. Diddys und Kanye Wests und Eminems und den Hip-Hop-Träumern ganz unten, die ihre Mixtapes selbst verkaufen und darauf hoffen, entdeckt zu werden, dass diese Schere immer deutlicher wird. Und in dem Artikel wurde die gar nicht mal so abwegige These aufgestellt, dass dem Hip Hop deshalb eine Art Revolution bevorstehen könnte. So, wie die etablierte, Rockmusik – man nennt das ja sogar "Rockstarleben" – vom Punk aufgeschreckt und zeitweilig weggefegt wurde. Busta Rhymes hätte dazu mal das Zeug gehabt, behaupte ich. Aber sich dann doch lieber für Geld und Ruhm entschieden.
Mehr bei dradio.de: