Wenn König Fußball krank macht

Michael Rostentritt erzählt in "Sebastian Deisler. Zurück ins Leben" die tragische Geschichte des Ausnahmefußballers Sebastian Deisler. Früh gefeiert und hoch gelobt zerbrach Deisler, der an einer chronischen Depressionserkrankung leidet, an den Anforderungen des Profifußballgeschäfts.
Rosentritt geht chronologisch vor, beschreibt die schwierige Kindheit Deislers, der darunter leidet, dass sich die Eltern nicht mehr verstehen. Der schmächtige Junge schultert die häuslichen Probleme, möchte die Beziehung wieder kitten und ist natürlich überfordert. Der Fußball bietet eine reizvolle Fluchtperspektive. Auf dem Platz kann er sich wie sonst nirgendwo vor den Anfeindungen des Lebens schützen.

Deisler liebt das Spiel. Die Schönheit eines Passes, der die Leute begeistert, bedeutet ihm mehr als Geld. Doch je besser er wird, desto deutlicher treten auch die unerfreulichen Aspekte des Fußballgeschäfts in den Vordergrund.

Mit 18 unterschreibt Sebastian Deisler beim Bundesligisten Hertha BSC, wechselt danach zu Bayern München. Mit 21 ist er Spielmacher der Nationalmannschaft, soll den deutschen Fußball retten. Für ihn ist es die Hölle auf Erden. Hertha-Manager Dieter Hoeneß, der Bruder von Uli Hoeneß, hat Großes vor. Er will den dümpelnden Hauptstadtklub mit dem überforderten Deisler als Galionsfigur in die Champions League hieven.

"Basti Fantasti" titelt der Boulevard. Doch der depressive Deisler hasst Interviews. Vergeblich bittet er sogar öffentlich darum, dass man ihm mehr Zeit geben möge, um vielleicht in diese neue Welt hineinwachsen zu können. Doch auf der großen Fußballbühne gibt es keine Zeit und keine Gnade. Deisler zieht sich immer mehr zurück. Doch traut er sich noch nicht, dem verhassten Fußballgeschäft den Rücken zu kehren. Noch hat er die zerstörerische Kraft dieser Art des Fußballs nicht ganz durchschaut.

Der Sportjournalist Michael Rosentritt hat Sebastian Deisler während seiner Zeit bei Hertha BSC kennen gelernt. Zwischen ihm und Deisler habe sich im Lauf der Zeit ein gewisses Vertrauensverhältnis entwickelt. Deswegen habe Deisler ihn wohl nach seinem Rücktritt 2007 gebeten, mit ihm ein Buch zu erarbeiten.

Immer wieder unterbricht Rosentritt die Chronologie seiner Erzählung und fügt die Protokolle seiner Gespräche mit Deisler ein. Diese Brüche helfen, weil vieles, was während Deislers Profizeit für einen Außenstehenden unverständlich erschien, durch die Reflexion anders eingeordnet werden kann.

Deutlich wird auch, wie schwer es dem unter chronischen Depressionen leidenden Deisler fällt, ein neues Leben nach dem Fußball aufzubauen; Struktur und Sinn zu finden. "Sebastian Deisler. Rückkehr ins Leben" von Michael Rosentritt ist ein Gewinn. Nicht nur, weil das Buch einen Blick hinter die Kulissen der glamourösen Fußballwelt erlaubt, sondern auch weil es Rosentritt gelungen ist, dem unnahbaren Sebastian Deisler näher zu kommen. Rosentritt schafft es trotzdem, auf kritischer Distanz zu bleiben, sein Interesse deutlich zu machen, ohne dabei aufdringlich zu sein.

Besprochen von Thomas Jädicke

Michael Rosentritt: Sebastian Deisler. Zurück ins Leben. Die Geschichte eines Fußballers
Edel Edition, 2009
247 Seiten, EUR 22,90