Retten statt wegwerfen
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Die Sohle vergilbt, das Leder verdreckt: In diesem Zustand landen Turnschuhe und Sneaker oft auf dem Müll. Doch das müsste nicht sein. Denn es gibt Läden, die diese Schuhe wieder aufpolieren - auch als Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Dingen.
"Hallo, ich wollte meine Schuhe abgeben."
Ein kleiner Laden in Berlin Mitte, in einer hohen Regalwand stehen durchsichtige Plastikkisten mit Turnschuhen drin. Außen an der Kiste eine Art Kassenzettel. Auf dem steht, welche Art der Reinigung an dem Paar Sneaker vorgenommen wurde. "Sole Fresh" nennt sich dieser Laden. Die Abgabestation für dreckige Turnschuhe.
"Das sind die Schuhe, schöne Nike Airforce 1 mit vergilbter Sohle. Das ist ja der Klassiker, dass das passiert."
"Genau, und dafür haben wir eine spezielle Unyellowing-Technologie entwickelt", sagt Ina Morocha. "Nach der Reinigung können wir die Sohle wieder weiß machen."
Ina Morocha hat zusammen mit ihrem Mann vor einem Jahr "Sole Fresh" in Berlin eröffnet. Die Idee stammt von ihren besten Freunden aus Russland, die hatten die Idee vor fünf Jahren. Eine gute Idee offensichtlich. Denn weltweit gibt es schon 19 Filialen.
"Weil wir selber auch erlebt haben, dass unsere Freunde oder Familie, die haben viele Schuhe einfach weggeschmissen, wenn die dreckig waren", sagt Morocha. "Das fanden wir komisch, dass man Schuhe einfach wegschmeißt, wenn die zu dreckig sind. Das ist so nicht nötig. Man schmeißt ja auch nicht Klamotten weg, wenn die dreckig sind, man wäscht sie."
Die kleine Trockenreinigung von Sole Fresh ist in einem anderen Berliner Bezirk. Dort kümmern sich Ina Morochas Mann und noch ein Angestellter darum, dass die Schuhe von innen und außen gereinigt werden, die Innensohle außerdem desinfiziert, gelbe Sohlen gebleicht werden, sofern die Kundin das möchte.
"Ich werde jetzt nicht alles verraten", sagt Ina Morocha. Aber: "Das sind Chemikalien, die man im Haushalt verwendet und spezielle UV-Lichter."
Weil das Konzept ein nachhaltiges sein soll, werden nur Reinigungsmittel benutzt, die mit dem Umweltzertifikat "Blauer Engel" versehen sind.
Kaputte Sneaker wegschmeißen muss nicht sein
Ortswechsel. Der Berliner Hagen Matuszak ist gelernter Orthopädie-Schuhmacher und hatte vor zwei Jahren eine andere Idee, um der modernen Wegwerfgesellschaft Paroli zu bieten: "Sneaker Rescue". Er rettet Turnschuhe in einer Werkstatt in Berlin-Neukölln, indem er sie repariert.
"Es gibt so viele Sneaker auf der Welt und alle sind kaputt. Wenn ich durch die Straßen laufe und den Leuten auf die Füße gucke, sieht man überall irgendwelche Macken und oft werden die Schuhe einfach weggeschmissen, aber das muss nicht sein."
Der 24-Jährige erzählt, dass gerade hinten im Fersenbereich das Innenfutter oder Lining am häufigsten kaputtgeht. Durchgescheuert gleich unbequem gleich untragbar. An Schuhen, die aus so genanntem Mesh, also Netzstoff, bestehen, bohrt sich gern vorn der große Zeh durch.
"Dann kann man das wieder zusammenziehen und unterfüttern. Wir haben noch eine neue Methode, aber da arbeiten wir noch dran, dass man den Spiegel, das vordere Teil, komplett austauschen kann."
Es geht um Wertschätzung den Dingen gegenüber
Turnschuhreparatur heißt viel Ausprobieren. Trial and Error. Denn Hagen Matuszak möchte irgendwann einen Turnschuh komplett reparieren können. So spezielle Dinge wie eine luftbefüllte Sohle vom bekanntesten Sneakerhersteller sorgen bei ihm noch für Kopfschmerzen:
"Weil die Hersteller die die Originalsohlen einfach nicht rausgeben. Wir können Sole Swaps anbieten: Wenn man ein Spendepaar mitbringt, dann tauscht man den kompletten Boden, wenn es das Lieblingspaar ist."
Bis zu 250 Paar Schuhe werden hier bei Sneaker Rescue im Monat repariert. #antiwegwerfen steht im Instagramprofil des Unternehmens.
"Mir geht es um Wertschätzung den Sachen gegenüber. Die Schuhe werden zusammengebaut unter nicht den besten Umständen, werden total billig importiert und teuer verkauft, und wenn man die nach drei Monaten wegschmeißt, finde ich das ein bisschen verwerflich, deswegen einfach ein bisschen länger tragen, wenn kleine Sachen zu reparieren sind, reparieren lassen. Fertig."
Ein Statement gegen den Turbokapitalismus
Putzen und Reparieren, zwei bewährte Konzepte aus unserer Vergangenheit, bevor der Turbokapitalismus uns vorgaukelte, dass wir nur mit dem immer wieder neusten Klamotten, Schuhen und Geräten wer sind!
Eine Tiefenreinigung bei Sole Fresh kostet im Schnitt 35 Euro. Das Lining bei Sneaker Rescue reparieren zu lassen kostet mit Rückversand der Schuhe ebenfalls 35 Euro.