Figurentheater lässt Stefan Heym "auferstehen"
Das Figurentheater Chemnitz widmet sich mit "Wenn mich einer fragte..." einem der Söhne ihrer Stadt: dem Schriftsteller, Politiker und Publizisten Stefan Heym. Die Schauspieler haben sich bei dieser Inszenierung auch mit der Geschichte vor der Haustür auseinandergesetzt.
Das Figurentheater Chemnitz befindet sich einem schwarzen Glaskasten im Foyer des Schauspielhauses der Stadt. Im schummrigen Dunkel wird gerade probiert: "Wenn mich einer fragte ... ". Eine Spurensuche in Sachen eines deutschen Schriftstellers, der einem hier plötzlich leibhaftig gegenübersteht.
"Wer Stefan Heym kannte und sieht die Puppe, muss lachen, oder? Du guckst ihn an und denkst: Eh, da ist er, er ist wieder da. Das ist doch unglaublich."
So freut sich Christoph Werner, Autor und Regisseur des Stücks über diesen verblüffenden Effekt, der garantiert jeden Zuschauer überraschen wird.
"Und das ist ein großer Vorteil, dass wir das können. Und das Spannende ist, wenn die Puppen so naturalistisch sind und so menschenecht aussehen, aber natürlich nur ein Drittel so groß sind wie ein Mensch, wie müssen wir dann mit diesen Puppen umgehen, dass es dem Zuschauer so vorkommt, als würden sie tatsächlich leben?"
Das ist der Job von Claudia Acker, die das Spiel mit diesen sehr speziellen Puppenkunstwerken so beschreibt:
"Wir sind ja zu sehen, wenn wir mit den Puppen spielen, wir sind dahinter, aber wir müssen uns mit unserem eigenen Ausdruck soweit zurücknehmen, dass wir dann wiederum das, was durch die Puppe gesagt und gespielt werden soll, eben in der Puppe zu sehen ist. Sie soll laufen, sich bewegen, erzählen. Und natürlich dem Publikum etwas erzählen, dass die Zuschauer gerne zuhören und vor allem der Puppe zuhören."
Vier Puppenspieler, zwei Figuren, ein Thema
Zum Beispiel dem zweiten lebensechten Puppen-Protagonisten des Stücks: "Ich war ein aufnahmefähiges und wissbegieriges Kind. Das ohne Schwierigkeiten Rechnen, Lesen und Schreiben lernte. In Sütterlinschrift. Und dem das richtige Buchstabieren kein Problem war",...
... sagt der junge Stefan Heym, respektive Helmut Flieg, wie der 1913 in Chemnitz Geborene wirklich hieß. Zwei Puppen, die sich, ja das kann so sagen, in einem sehr intensiven Spiel gegenseitig durch die unterschiedlichen Phasen ihres Lebens begleiten. Woraus sich interessante dialektische Sichten auf ein und dieselbe Person ergeben. Geführt von vier Puppenspielern, die sich mitunter sogar alle zusammen an einer der Figuren abarbeiten. Faszinierend anzuschauen ist das.
"Also das ist ein wahnsinnig intimes Arbeiten. Und im besten Falle geht es soweit, dass man die Impulse der anderen eigentlich nur noch durch einen Atemzug abnimmt. Da ich sofort weiß, okay, jetzt will er das machen und ich muss entsprechend umgreifen oder dem Kollegen helfen und dann übernimmt man einen Griff vom anderen und im besten Falle geht das eben ganz fließend."
Was würde Stefan Heym heute zu Chemnitz sagen?
So erklärt Tobias Eisenkrämer die handwerklichen Herausforderungen dieses Spiels um das Leben eines Mannes, der ihm, dem 32-Jährigen, ein eher unbekannter war. Wie war das noch mal genau mit dem Sohn jüdischer Eltern? Der ins amerikanische Exil ging. Von dort als US-Soldat zurückkam und sich als lebenslang kritischer Geist für die DDR als Lebensmittelpunkt entschied. Freilich mit dem Vorteil eines Reisepasses.
"Also da es hat schon geklingelt im Hinterkopf, aber nicht wesentlich viel. Also vorher waren da so gut wie keine Berührungspunkte da. Für mich war das natürlich ein Begriff, Stefan Heym. Was ich aber nicht wusste war, dass er in Chemnitz geboren wurde", ...
... gibt Christoph Werner zu. Mehr oder weniger große Bildungslücken also, die er mit seinem Stück schließen und dabei hinterfragen möchte, was sich der alte Autor und sein junges Ich zu erzählen hätten. Und was Stefan Heym heute sagen würde. In dieser Stadt mit Gesprächsbedarf. Auf den man mit dieser und folgenden Arbeiten für ein erwachsenes Publikum ab 15 Jahren reagieren will - wie Gundula Hoffmann, die Direktorin des Figurentheaters betont.
"Wir möchten uns mit Geschichten, die hier in der Stadt passiert sind auseinander setzen. Wo es um Umbrüche geht, um Widersprüche. Um neue Erzählperspektiven zu finden, um Diskursräume zu schaffen, in denen wir miteinander ins Gespräch kommen. Und alle, die sich dafür interessieren, sind herzlich eingeladen."