Wenn Naivität das Leben rettet
Im Jahr 1941 gehen in Berlin schätzungsweise 6000 Juden in den Untergrund. Darunter auch Kinder und Jugendliche. In "Uns kriegt ihr nicht" berichten 15 von ihnen eindrücklich über ihr Leben in Kellerverstecken und Verschlägen.
"Es war der Keller in unserer alten Wohnung in der Starnberger Straße. Dorthin brachte mich Frau Vater im November 1944. Sie wusste wohl nicht mehr, wohin mit mir. Ich erinnere mich genau. Durch die Ritzen in den Brettern sehe ich die Jasminbüsche im Vorgarten."
Rahel Renate Mann ist damals sieben Jahre alt, ihre Mutter zu dieser Zeit bereits im Lager in Sachsenhausen. Das Mädchen haust in einem dunklen Verschlag mitten in Berlin. Nachbarn versorgen es notdürftig. Sie blättert immer wieder durch das gleiche Buch, schläft viel, wartet. Knapp drei Jahre verbringt Rahel Renate Mann in Verstecken. Was da genau und warum es geschieht, weiß sie nicht. Ihre kindliche Naivität schützt sie, hilft ihr, zu überleben. Das Mädchen von damals ist heute 75 Jahre alt.
Insgesamt 15 Geschichten von Zeitzeugen haben Tina Hüttl und ihr Koautor Alexander Meschnig aufgespürt. Erinnerungen, die sie in "Uns kriegt ihr nicht" aus der Ich-Perspektive erzählen und die deshalb so aktiv und lebendig erscheinen.
Tina Hüttl: "Und warum wir das jetzt gemacht haben, war schon auch mit dem Gefühl: Viel Zeit bleibt nicht mehr. Diese Menschen nochmal live zu hören, in ihrer Sprache. In 10, 15 Jahren wird man das Buch so nicht mehr schreiben können."
"Ich döse hinter dem Vorhang, jemand muss die Tür geöffnet haben. Durch mein Zimmer gehen zwei Männer in Uniform. Ich rühre mich nicht, einer zieht den Vorhang zur Seite. Ich konzentriere mich, unterdrücke den Schrei. Sie wollen wissen, welches Zimmer mein Vermieter bewohnt. Ich zeige auf die Tür, sie öffnen sie. Das Zimmer ist leer. Durch die Hintertür verlasse ich mein Versteck, ein paar Wochen hat es mich geschützt."
Eine Erinnerung von Margot Friedländer, die 1921 geboren wurde. Sie ist bereits eine junge Frau, als sie sich im Untergrund durch Berlin schlägt. Von Wohnung zu Wohnung. Sie schläft in schmutzigen Betten, haust mit Wildfremden. Brenzligen Situationen entkommt sie. Margot Friedländer hat lange Glück. Am Ende wird sie doch verhaftet und nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebt das Lager, geht in die USA und kehrt 2010, ein halbes Jahrhundert später, nach Berlin zurück, wo sie seitdem wieder zu Hause ist.
Rahel Renate Mann ist damals sieben Jahre alt, ihre Mutter zu dieser Zeit bereits im Lager in Sachsenhausen. Das Mädchen haust in einem dunklen Verschlag mitten in Berlin. Nachbarn versorgen es notdürftig. Sie blättert immer wieder durch das gleiche Buch, schläft viel, wartet. Knapp drei Jahre verbringt Rahel Renate Mann in Verstecken. Was da genau und warum es geschieht, weiß sie nicht. Ihre kindliche Naivität schützt sie, hilft ihr, zu überleben. Das Mädchen von damals ist heute 75 Jahre alt.
Insgesamt 15 Geschichten von Zeitzeugen haben Tina Hüttl und ihr Koautor Alexander Meschnig aufgespürt. Erinnerungen, die sie in "Uns kriegt ihr nicht" aus der Ich-Perspektive erzählen und die deshalb so aktiv und lebendig erscheinen.
Tina Hüttl: "Und warum wir das jetzt gemacht haben, war schon auch mit dem Gefühl: Viel Zeit bleibt nicht mehr. Diese Menschen nochmal live zu hören, in ihrer Sprache. In 10, 15 Jahren wird man das Buch so nicht mehr schreiben können."
"Ich döse hinter dem Vorhang, jemand muss die Tür geöffnet haben. Durch mein Zimmer gehen zwei Männer in Uniform. Ich rühre mich nicht, einer zieht den Vorhang zur Seite. Ich konzentriere mich, unterdrücke den Schrei. Sie wollen wissen, welches Zimmer mein Vermieter bewohnt. Ich zeige auf die Tür, sie öffnen sie. Das Zimmer ist leer. Durch die Hintertür verlasse ich mein Versteck, ein paar Wochen hat es mich geschützt."
Eine Erinnerung von Margot Friedländer, die 1921 geboren wurde. Sie ist bereits eine junge Frau, als sie sich im Untergrund durch Berlin schlägt. Von Wohnung zu Wohnung. Sie schläft in schmutzigen Betten, haust mit Wildfremden. Brenzligen Situationen entkommt sie. Margot Friedländer hat lange Glück. Am Ende wird sie doch verhaftet und nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebt das Lager, geht in die USA und kehrt 2010, ein halbes Jahrhundert später, nach Berlin zurück, wo sie seitdem wieder zu Hause ist.
Historische Fakten und sehr persönliche Gedanken von Zeitzeugen
Margot Friedländer: "Zu schaffen machte mir damals das Leben, vor allem das Überleben, besonders wie ich untergetaucht bin. Andererseits hatte ich kaum Zweifel, dass ich mich nicht wegschicken lassen möchte: Ich habe doch noch nicht gelebt, ich bin doch jung."Anfang der 1930er-Jahre leben in Berlin etwa 170.000 Juden. Vermutlich der Hälfte gelingt bis 1940 die Flucht aus Deutschland. Als 1941 die Deportationen beginnen, gehen schätzungsweise 6000 in Berlin in den Untergrund. 3600 von ihnen sind namentlich bekannt. Die Anonymität der Großstadt ist hilfreich, sagt Alexander Meschnig. Er beschäftigt sich in seiner publizistischen Arbeit intensiv mit der Zeit des Nationalsozialismus. Und auch für "Uns kriegt ihr nicht" recherchierte er historische Fakten, verwob die sehr persönlichen Gedanken der Zeitzeugen mit dem zeitgeschichtlichen Kontext. Die meisten von ihnen hatten ihre Erlebnisse jahrzehntelang verschwiegen.
Hüttl: "Ich glaube, das darf man auch nicht unterschätzen, dass es so etwas wie eine Schuld des Überlebens gab, dass viele Überlebende sich schuldig fühlten: Warum haben’s wir geschafft und so viele andere nicht."
In der historischen Forschung hat man sich, so Alexander Meschnig, lange auf die KZ-Überlebenden konzentriert. Dass es inzwischen auch Erkenntnisse über Überlebende im Untergrund gibt, hat sicherlich auch damit zu tun, dass es sie sind, die heute überhaupt noch am Leben sind. Einige von ihnen, die auch in "Uns kriegt ihr nicht" zu Wort kommen, kennen ihre eigene Geschichte nur aus Erzählungen, weil sie Anfang der 40er-Jahre noch Kleinkinder waren.
Hüttl: "Wir haben uns in den Interviews extrem viel Zeit genommen, genau gefragt, wir wollten an den Kern. Wie hat es gerochen, wie hat sich das angefühlt, was passiert in dem Moment. Wir haben versucht, die in so eine Art – Trance ist ein großes Wort – zurückzuversetzen. Das war schmerzhaft auch. Da mussten wir manchmal auch abbrechen."
"Uns kriegt ihr nicht. Als Kinder versteckt – jüdische Überlebende erzählen" vermittelt auf ganz persönliche Weise Geschichte, erzählt von bedrückenden Schicksalen, die nie Opfergeschichten sind. Im Gegenteil. Vielmehr zeigen sie, wie kindliche Naivität, jugendlicher Mut und manchmal Leichtsinn das eigene Leben retten konnten.
Tina Hüttl, Alexander Meschnig: Uns kriegt ihr nicht. Als Kinder versteckt – jüdische Überlebende erzählen
Piper Verlag, München 2013
288 Seiten, 19,99 Euro
Mehr zum Thema:
Die Zukunft des Holocaust-Gedenkens
Wenn die Zeitzeugen gehen
Hüttl: "Ich glaube, das darf man auch nicht unterschätzen, dass es so etwas wie eine Schuld des Überlebens gab, dass viele Überlebende sich schuldig fühlten: Warum haben’s wir geschafft und so viele andere nicht."
In der historischen Forschung hat man sich, so Alexander Meschnig, lange auf die KZ-Überlebenden konzentriert. Dass es inzwischen auch Erkenntnisse über Überlebende im Untergrund gibt, hat sicherlich auch damit zu tun, dass es sie sind, die heute überhaupt noch am Leben sind. Einige von ihnen, die auch in "Uns kriegt ihr nicht" zu Wort kommen, kennen ihre eigene Geschichte nur aus Erzählungen, weil sie Anfang der 40er-Jahre noch Kleinkinder waren.
Hüttl: "Wir haben uns in den Interviews extrem viel Zeit genommen, genau gefragt, wir wollten an den Kern. Wie hat es gerochen, wie hat sich das angefühlt, was passiert in dem Moment. Wir haben versucht, die in so eine Art – Trance ist ein großes Wort – zurückzuversetzen. Das war schmerzhaft auch. Da mussten wir manchmal auch abbrechen."
"Uns kriegt ihr nicht. Als Kinder versteckt – jüdische Überlebende erzählen" vermittelt auf ganz persönliche Weise Geschichte, erzählt von bedrückenden Schicksalen, die nie Opfergeschichten sind. Im Gegenteil. Vielmehr zeigen sie, wie kindliche Naivität, jugendlicher Mut und manchmal Leichtsinn das eigene Leben retten konnten.
Tina Hüttl, Alexander Meschnig: Uns kriegt ihr nicht. Als Kinder versteckt – jüdische Überlebende erzählen
Piper Verlag, München 2013
288 Seiten, 19,99 Euro
Die Zukunft des Holocaust-Gedenkens
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