Wenn's den Kartoffeln zu bunt wird
Alte Kartoffelsorten sind buchstäblich in aller Munde. Seit im Jahre 2006 die Sorte "Blauer Schwede" zur Kartoffel des Jahres gekürt wurde, unterscheiden sich die Kartoffeln nicht mehr nur nach "überwiegend festkochend" und "mehlig", sondern auch nach Farbe.
Nicht nur Süßwaren wollen bunt sein, auch die profane Kartoffel wird immer häufiger in farbiger Ausführung verkauft: Rote, blaue und violette Knollen hübschen das Angebot an diesem Grundnahrungsmittel ein wenig an. Viele Kunden glauben, sie würden auf diesem Wege endlich alte Sorten aus der botanischen Schatztruhe der Inkas auf den Mittagstisch bekommen. Klar, dass so etwas auch etwas mehr kostet. Da der Landwirt nun mal vom Ertrag lebt, handelt es sich natürlich meist um moderne Züchtungen, die marktgerecht angebaut werden.
Ehrlich gesagt, mir wäre es lieber, wenn bei Kartoffeln den Kocheigenschaften mehr Aufmerksamkeit geschenkt würde. Sie garen ungleichmäßig, haben innen graue Flecken und sind manchmal sogar glasig. Egal wie, ich werde bei den hellfleischigen Sorten bleiben. Denn da lassen sich Mängel wie Verfärbungen oder Verletzungen beim Schälen erkennen. Der Vorteil von Sorten mit Farbeffekten liegt vor allem in der Anmutung: Die Wertigkeit des bisherigen Arme-Leute-Essens wird verbessert, was eine Anhebung des Preisniveaus erlaubt – auch bei den normalen Kartoffeln.
Verantwortlich für die Blau- und Rottöne sind Farbstoffe namens Anthocyane. Sie finden sich gleichermaßen in Rotkohl oder in blauen Trauben. Wer sie unbedingt speisen will, braucht dafür heute kein Obst und kein Gemüse mehr, da genügen auch viele bunte Süßwaren. Im Zuckerzeug werden die künstlichen Farbstoffe Schritt für Schritt durch Naturfarben ersetzt. Es sind Spezial-Extrakte aus den Pressrückständen der Saftfabriken und der Gemüseverarbeiter. Dazu kommen noch die Färbemittel aus gentechnologisch optimierten Pilzen und Algen – vor allem für Orange- und Rottöne aus der Gruppe der Carotinoide.
Doch auch deren Tage sind gezählt. Inzwischen gibt's schon wieder neue Farbstoffe, Farbstoffe die sogar die natürlichen vor Neid erblassen lassen. Vielleicht sind Ihnen auch schon die Produkte mit den Glitzereffekten aufgefallen? Eiscreme mit einem Überzug aus "Gold", oder Bonbons, die metallisch-bunt schillern. Alle Farben samt dem Perlglanzeffekt werden durch die Kombination von drei altbekannten Zusatzstoffen erzielt. Allerdings solchen, die weder zu den "schrecklichen" künstlich-synthetischen noch zu den "ganzheitlich gesunden" pflanzlich-natürlichen Farben zählen. Es sind drei Mineralien: nämlich Mica, auch als Glimmer bekannt, dazu kommen Titandioxid und Eisenoxid.
Mica trägt die E-Nummer 555 – ist also leichter zu merken als die chemische Bezeichnung Kaliumaluminiumsilikat. Bisher war E 555 vor allem als Rieselhilfsstoff für Salz bekannt. Geriebener Käse darf sogar stolze zehn Gramm pro Kilo enthalten – damit die Raspeln nicht zusammenbacken. Eisenoxide essen wir gewöhnlich mit den schwarzen Oliven auf der Pizza beim Lieblingsitaliener. Und Titandioxid sorgt bei den Pfefferminzpastillen für den perlweißen Überzug. Diese drei optischen Langweiler lassen nun zahlreiche Speisen in allen Farben des Regenbogens erstrahlen – noch dazu mit Glitzereffekt.
Der technische Kunstgriff kommt diesmal aus der Physik. Die Zusätze dienen hier nämlich gar nicht als Farbstoffe sondern als eine Art Prisma, das bekanntlich das Licht in die Farben des Regenbogens zerlegt. Dieser Effekt wird auch hier genutzt: Feine, glitzernde Micaplättchen werden in einem aufwendigen Prozess hauchdünn mit Titandioxid oder Eisenoxid überzogen. Die Nanoschichten sind lichtdurchlässig und dadurch lassen sich die gewünschten Farbenspiele präzise einstellen, egal ob blau, golden oder orange, ob rot, silbrig oder grün. Das gleiche Prinzip nutzt man übrigens auch bei den Pkws, daher kommt nämlich der Metallic-Effekt der Lacke – für einen satten Aufpreis – genauso wie bei den bunten Kartoffeln. Mahlzeit!
Literatur:
- Hüsing B et al: Kartoffeln mit Zusatznutzen – Antioxidative Kapazität und Erträge ausgewählter blau- und rotfleischiger Kartoffelsorten im ökologischen und integrierten Landbau. 10. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Zürich 11.-13. Feb. 2009
- Merck Patent GmbH: Verfahren zur Herstellung von mit Rutil beschichteten Glimmerpiigmenten. EP 271767
Mearl Corp.: Rutile-coated mica nacreaous pigments and process for the preparation thereof. US 4038099
- Ren M et al: Mica coated by direct deposition of rutile TiO2 nanoparticles and the optical properties. Materials Chemistry and Physics 2007; 103: 230-234
- Junru T et al: The preparation and characteristics of a multi-cover-layer type, blue mica titania, pearlescent pigment. Dyes and Pigments 2003; 56: 93-98
- EFSA: Opinion of the Scientific Panel on Food Additives, Flavourings. Processing Aids and Materials in contact with food on a request from the Comission related to the safety in use of rutile titanium dioxide as an alternative to the presently permitted anastase form. EFSA Journal 2004; (163): 1-12
- EFSA: Safety of aluminium from dietary intake. EFSA Journal 2008; (754): 1-34
Ehrlich gesagt, mir wäre es lieber, wenn bei Kartoffeln den Kocheigenschaften mehr Aufmerksamkeit geschenkt würde. Sie garen ungleichmäßig, haben innen graue Flecken und sind manchmal sogar glasig. Egal wie, ich werde bei den hellfleischigen Sorten bleiben. Denn da lassen sich Mängel wie Verfärbungen oder Verletzungen beim Schälen erkennen. Der Vorteil von Sorten mit Farbeffekten liegt vor allem in der Anmutung: Die Wertigkeit des bisherigen Arme-Leute-Essens wird verbessert, was eine Anhebung des Preisniveaus erlaubt – auch bei den normalen Kartoffeln.
Verantwortlich für die Blau- und Rottöne sind Farbstoffe namens Anthocyane. Sie finden sich gleichermaßen in Rotkohl oder in blauen Trauben. Wer sie unbedingt speisen will, braucht dafür heute kein Obst und kein Gemüse mehr, da genügen auch viele bunte Süßwaren. Im Zuckerzeug werden die künstlichen Farbstoffe Schritt für Schritt durch Naturfarben ersetzt. Es sind Spezial-Extrakte aus den Pressrückständen der Saftfabriken und der Gemüseverarbeiter. Dazu kommen noch die Färbemittel aus gentechnologisch optimierten Pilzen und Algen – vor allem für Orange- und Rottöne aus der Gruppe der Carotinoide.
Doch auch deren Tage sind gezählt. Inzwischen gibt's schon wieder neue Farbstoffe, Farbstoffe die sogar die natürlichen vor Neid erblassen lassen. Vielleicht sind Ihnen auch schon die Produkte mit den Glitzereffekten aufgefallen? Eiscreme mit einem Überzug aus "Gold", oder Bonbons, die metallisch-bunt schillern. Alle Farben samt dem Perlglanzeffekt werden durch die Kombination von drei altbekannten Zusatzstoffen erzielt. Allerdings solchen, die weder zu den "schrecklichen" künstlich-synthetischen noch zu den "ganzheitlich gesunden" pflanzlich-natürlichen Farben zählen. Es sind drei Mineralien: nämlich Mica, auch als Glimmer bekannt, dazu kommen Titandioxid und Eisenoxid.
Mica trägt die E-Nummer 555 – ist also leichter zu merken als die chemische Bezeichnung Kaliumaluminiumsilikat. Bisher war E 555 vor allem als Rieselhilfsstoff für Salz bekannt. Geriebener Käse darf sogar stolze zehn Gramm pro Kilo enthalten – damit die Raspeln nicht zusammenbacken. Eisenoxide essen wir gewöhnlich mit den schwarzen Oliven auf der Pizza beim Lieblingsitaliener. Und Titandioxid sorgt bei den Pfefferminzpastillen für den perlweißen Überzug. Diese drei optischen Langweiler lassen nun zahlreiche Speisen in allen Farben des Regenbogens erstrahlen – noch dazu mit Glitzereffekt.
Der technische Kunstgriff kommt diesmal aus der Physik. Die Zusätze dienen hier nämlich gar nicht als Farbstoffe sondern als eine Art Prisma, das bekanntlich das Licht in die Farben des Regenbogens zerlegt. Dieser Effekt wird auch hier genutzt: Feine, glitzernde Micaplättchen werden in einem aufwendigen Prozess hauchdünn mit Titandioxid oder Eisenoxid überzogen. Die Nanoschichten sind lichtdurchlässig und dadurch lassen sich die gewünschten Farbenspiele präzise einstellen, egal ob blau, golden oder orange, ob rot, silbrig oder grün. Das gleiche Prinzip nutzt man übrigens auch bei den Pkws, daher kommt nämlich der Metallic-Effekt der Lacke – für einen satten Aufpreis – genauso wie bei den bunten Kartoffeln. Mahlzeit!
Literatur:
- Hüsing B et al: Kartoffeln mit Zusatznutzen – Antioxidative Kapazität und Erträge ausgewählter blau- und rotfleischiger Kartoffelsorten im ökologischen und integrierten Landbau. 10. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Zürich 11.-13. Feb. 2009
- Merck Patent GmbH: Verfahren zur Herstellung von mit Rutil beschichteten Glimmerpiigmenten. EP 271767
Mearl Corp.: Rutile-coated mica nacreaous pigments and process for the preparation thereof. US 4038099
- Ren M et al: Mica coated by direct deposition of rutile TiO2 nanoparticles and the optical properties. Materials Chemistry and Physics 2007; 103: 230-234
- Junru T et al: The preparation and characteristics of a multi-cover-layer type, blue mica titania, pearlescent pigment. Dyes and Pigments 2003; 56: 93-98
- EFSA: Opinion of the Scientific Panel on Food Additives, Flavourings. Processing Aids and Materials in contact with food on a request from the Comission related to the safety in use of rutile titanium dioxide as an alternative to the presently permitted anastase form. EFSA Journal 2004; (163): 1-12
- EFSA: Safety of aluminium from dietary intake. EFSA Journal 2008; (754): 1-34