Wenn Schreckliches zum Lachen ist

Moderation: Waltraud Tschirner |
Darf man über Hitler und Stalin eine Komödie drehen? Man darf, findet Leander Haußmann. Im Interview spricht der Regisseur über seinen neuen Film "Hotel Lux", Optimismus in der Kunst und das Überleben im Kommunismus.
Liane von Billerbeck: Das Hotel Lux, das war ein Ort in Moskau, in dem Emigranten, vor allem Kommunisten aus ganz Europa lebten. Geflohen vor den Nazis und nun einem anderen Terror, dem Stalin'schen ausgeliefert. Wie erzählt man von dieser Atmosphäre der Angst, des Verrats, des Todes, der Hoffnung und der Aussichtslosigkeit? Regisseur Leander Haußmann hat sich für das Genre entschieden, das er am besten zu beherrschen glaubt: die Komödie nämlich.

Mit "Sonnenallee" und "Herr Lehmann" hat Haußmann das Alltagsleben in der DDR und im alten Westberlin satirisch aufs Korn genommen. Mit seinem neuen Film "Hotel Lux", der ab morgen läuft, hat er zwar wieder eine Komödie gedreht, allerdings eine mit sehr ernstem Hintergrund. Der Film erzählt vom Schicksal deutscher, überwiegend kommunistischer Emigranten in Moskau während des stalinistischen Terrors der 30er-Jahre. Als Hauptdarsteller hat Haußmann dafür einen Komiker ausgewählt, der erstmals ins Charakterfach gewechselt ist: den Comedian und "Schuh des Manitu"-Macher Michael Bully Herbig.

Mit dem Regisseur Leander Haußmann hat meine Kollegin Waltraud Tschirner vor dieser Sendung gesprochen. Ihr war in seinem Film "Hotel Lux" ein Satz aufgefallen - "Tänen, die man lacht, muss man nicht weinen". Sehr geschickt, so einen Satz zu verwenden, denn damit hebelt man sofort alle Kritik am Genre Komödie bei so einem ernsten Stoff aus. Deshalb fragte sie Haußmann auch, ob es so einfach war wie in diesem Satz, dass er die Ereignisse im Hotel Lux in einer Komödie verarbeitete.

Leander Haußmann: Ja, also der Satz ist von Charlie Chaplin, der ja mehrmals in diesem Film auch Erwähnung findet und der eine Gottheit ist, unantastbar. Da darf man das schon mal, ohne sich dem Verdacht auszusetzen, sich mit ihm vergleichen zu wollen. In der Tat ist die Komödie mein Gebiet, auf dem ich mich gut auszukennen meine, und auf der anderen Seite weiß ich auch gar nicht, wie man diesem Thema anders gerecht werden sollte. Also das, was dort passiert, ist – jetzt in dem Hotel ja sowieso, aber jetzt im ganzen Land und in dieser Zeit, ja, bis in die 50er-Jahre hinein, wenn man so will – ist so unbeschreiblich furchtbar und grausam, vor allem, wenn man die Einzelschicksale betrachtet, dass ich nicht genau weiß, wie man das so adäquat erzählen soll.

Und die Komödie ist ja insofern für mich das ideale Betätigungsfeld, weil sie das Drama, aber optimistisch erzählt ist. Wenn das Drama pessimistisch erzählt ist, dann ist es die Tragödie. Aber ich bin immer der Meinung, dass Kunst optimistisch sein muss, sie muss Hoffnung geben, deswegen wurde sie von den Menschen erfunden, oder aber sie muss so etwas wie einen kathartischen Moment haben der Selbstreinigung durch Trauer und Tränen, aber das können andere ganz gut, das kann ich nicht so gut.

Tschirner: Es gab gerade vor Kurzem einen Dokumentarfilm, also den gibt es immer noch, wo ehemalige Kinder von Menschen, die im Hotel Lux gelebt haben, ihre furchtbaren Schicksale erzählen. Wenn man diese Geschichten vor Augen hat und man ahnt, dass natürlich auch Historiker und andere Zeitzeugen dastehen und sagen, Hotel Lux ist einfach so elend, grausam belastet, es verbietet sich trotz alledem, da so leichtfüßig ranzugehen... Also ich sehe geradezu schon die Podiumsdiskussionen vor mir. Meinen Sie, diesen Kritikern reicht es, zu sagen: Ich gehe immer gerne mit dem Drama in die etwas komödiantische Richtung?

Haußmann: Gut, also erst mal muss man zu der eigenen Beruhigung ganz sicher sagen, dass Kritiker einzelne Menschen sind, die eine Meinung haben. Das sind ja nicht viele, das sind ja nur ein paar, und die haben eine Meinung. Mit denen kann man sich auseinandersetzen oder eben auch nicht. Ich sage mal als Beispiel: Ein Kritiker hat mich, nicht ich mich, sondern er mich mit Lubitsch verglichen, und dann hat er irgendwie gesagt, ich sei gegen Lubitsch ein geistiger Zwerg. Okay, das ist jetzt beleidigend und persönlich, aber lassen wir das mal außen vor: Wenn wir uns Lubitsch anschauen und seinen Film "To Be or Not to Be", der hier gemeint ist, dann hat keiner der Kritiker zu jener Zeit erkannt, dass das ein Meisterwerk ist. Lubitsch musste sterben, und dann mussten noch ein paar Jahre vergehen, und dann hat man festgestellt, dass das ein Meisterwerk ist. Ich will nicht damit sagen, dass ich ein Meisterwerk geschaffen habe, ich will damit nur sagen, dass die Problematik, dass man ernste Themen nicht lustig machen darf, sehr alt ist, nämlich genau so alt wie die Komödie selbst. Und umso furchtbarer die Zeit, umso dramatischer der Boden, auf dem die Handlung aufgebaut ist, umso geeigneter ist es für die Komödie. Dass man sich immer wieder dieser Diskussion stellen muss, ist schon erstaunlich.

Tschirner: Der Film hatte ja, bevor er letzten Endes überhaupt gedreht werden konnte, offenbar einen Vorlauf von vielen Jahren. Also wenn man da sich ein bisschen in das Pressematerial reinkniet, war es wohl ursprünglich eine Idee von Helmut Dietl, der dann Günter Rohrbach mit ins Boot nahm. Wissen Sie, woran Dietl letztlich gescheitert ist?

Haußmann: Ja, also alle meine Stoffe, fast alle, die ich bis jetzt gemacht hatte, hatten ein Problem, und das ist das Problem, an dem auch jetzt Dietl nicht vorbeikam und auch nicht weiterkam, das ist: Wenn erst das Sujet da ist, sozusagen der Ort, dann muss man ja irgendwie eine Handlung finden, und wenn man die nicht findet, dann kann man das nicht machen. Die Generalidee, die man erst mal haben muss und die ich hatte und niemand anders sonst, war, dass es hier darum geht, dass jemand verwechselt wird, das war die erste Idee, aufgrund einer Verwechslung in diesem Hotel landet, und die zweite war, dass der Film mit dem Nichtangriffspakt endet. Eine unglaubliche Geschichte, immer noch nicht ausgewertet, nicht verarbeitet, immer noch unter den Teppich der Geschichte gekehrt. Damals nannte man das Freundschaftspakt, Freundschaftsvertrag zwischen der Sowjetunion und dem großdeutschen Reich, und als man sich an den Richtertisch setzte bei den Nürnberger Prozessen, haben sich die Alliierten darauf geeinigt, dass man das bitte nicht erwähnt, dass man nicht erwähnt, dass Stalin eigentlich bereit gewesen ist, mit Hitler Polen einzunehmen und mit ihm gemeinsame Sache zu machen. Das konnte man nicht, weil sonst hätten die Russen nicht bei den Nürnberger Prozessen dabei sein können. Da waren zwei Verbrecher auf einem Expansionsweg, den sie auch hätten zusammen gehen können, wenn Hitler nicht andere Pläne gehabt hätte.

Tschirner: In dem Film kommen alle möglichen Personen vor, die man mit dem Hotel Lux in Verbindung bringt, natürlich Walter Ulbricht, Herbert Wehner, Wilhelm Pieck, Johannes R. Becher, es gibt noch einige mehr, und die sind alle sofort zu erkennen, also sprich, die Maske hat sich schön austoben dürfen, aber Sie haben auch so einen Tick, "Switch Reloaded", also sie sind so ein bisschen von vornherein ihre eigene Karikatur, sie wischen sie im Prinzip weg als Persönlichkeiten.

Haußmann: Versuchen Sie mal, als Schauspieler Walter Ulbricht nicht als Charge zu spielen. Das geht gar nicht. Gucken Sie den sich in der Realität an und dann versuchen Sie mal, dem noch irgendwie eine Ernsthaftigkeit zu geben. Das geht gar nicht mehr. Das ist eine Witzfigur gewesen. Und im Übrigen, was der Film ja erzählt und was er auch sagt, also was er sehr deutlich ausspricht, deutlicher als es normalerweise meine Art ist: Er sagt ja, die ehrlichsten Genossen waren auf eine Reise gegangen, von der die wenigsten zurückkehrten, nur die, die bleiben durften, waren für höhere Aufgaben vorgesehen, und wer ehrlichen Herzens war oder wer aufrichtig war oder wer sich nicht hat verbiegen lassen, wer bei sich geblieben ist, wer niemanden verraten hat, der hat diese Zeit einfach nicht überlebt – das ist so.

Wir folgen ja dem Hans Zeisig durch dieses Labyrinth, in dem sich der Kommunismus ja verlaufen hat, dafür steht ja auch dieses Hotel, und wir schauen mit den gleichen staunenden Augen auf diese Schrift, auf die er als erstes stößt, wenn er in das Hotel kommt: "Unserem Führer", und er denkt, Führer, das kenne ich doch von irgendwo von woanders her, und dann sieht man Stalin und dann sagt er, ach was, und er merkt in dem Moment: Er ist vom Regen in die Traufe gekommen. Überleben konnten nur Leute, die sich angepasst haben und die gemeinsame Sache gemacht hatten mit einer Ideologie, die sich im Verlaufe der Geschichte aus einer ja durchaus nachvollziehbaren Kraft heraus, nämlich dem Widerstand gegen den Faschismus, dahin verändert hat, was dann bis '89 das war, was wir den Sozialismus nannten, nämlich: In diesem Hotel entstand, aus einer Idee von Widerstand gegen Ungerechtigkeit, Willkür und Diktatur, entstand Bürokratie und eine Kaderpolitik, die bis ins Absurde geführt wurde und die das überhaupt erst möglich machte, was sozusagen die Vernichtung des Einzelnen bedeutete. Und natürlich interessiert mich in diesem Film auch die Wirkung auf unsere heutige Zeit, also wo kommen wir her und wo ist das entstanden? Aber das kann man ja nur kurz antippen, das ist ja ...

Tschirner: Und man merkt natürlich auch bei diesem Film ziemlich deutlich, dass das auch in der Tat so ein bisschen Leander Haußmanns Aufarbeitung von DDR-Geschichte und auch so ein bisschen Abrechnung mit den Führern da ist.

Haußmann: Warum soll ich denn mit jemandem nett umgehen, der die Mauer gebaut hat und über 1000 Tote zu verantworten hat, einen Abhörstaat mit einem Geheimdienst aufgebaut hat, der so menschenverachtend war und bis in die 70er-Jahre auch Menschen umgebracht hat und so weiter? Wie soll ich mit jemandem umgehen, der mir praktisch bis ich 30 war einfach meine Freiheit genommen hat?

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