Schwedische Wachunternehmen als Polizei-Ersatz?
In Schweden wächst die Angst vor Einbrüchen, während das Vertrauen in die Polizei schrumpft. Die Bürger engagieren private Sicherheitsfirmen, um ihr sich vor Dieben zu schützen. Inzwischen arbeiten Polizei und Sicherheitsbranche gemeinsam. Doch wird die schwedische Polizei nach und nach ersetzt?
Schon bei der Landung auf dem Flughafen Arlanda, 40 Kilometer nördlich von Stockholm, fällt es auf: Meist junge Männer in grauen Uniformen patrouillieren die Terminals. Sie tragen Waffen am Gürtel, am Arm das Emblem eines privaten Sicherheitsdienstes und in den Papieren des Unternehmens findet sich ganz bestimmt die Sondergenehmigung für das Tragen von Pistolen, Kaliber Neun-Millimeter. Das schreibt das Gesetz über die privaten Sicherheitsdienste vor. Dieses Gesetz gibt es seit Mitte der 1970er Jahre.
Schon damals war man in Schweden der Meinung, dass der Staat in der urbanisierten und industrialisierten Gesellschaft nicht mehr allein für Sicherheit sorgen kann. Inzwischen sieht man ihn hier kaum noch, den Staat. Stattdessen meist diese grauen Uniformen: Am Flughafen, in der U-Bahn, in Kaufhäusern, selbst vor Ministerien.
Es gibt in etwa so viele private Wachleute wie Polizisten, jeweils um die 20.000. Und es gab gerade erst wieder kritische Fragen. Beim alljährlichen "Almedalen"-Politspektakel, wenn sich im Sommer auf der Insel Gotland die Parteien der offenen Diskussion über ihre Programme stellen. Dabei ging es diesmal auch um die Privatisierung der Sicherheit. Innenminister Anders Ygeman von den Sozialdemokraten verteidigte den Kurs der Regierung.
Polizei ist immer weniger verfügbar
"Wir konzentrieren uns auf die Verschlankung der Polizeiarbeit. Zehn Prozent aller Anrufe bei der Polizei haben nichts mit Kriminalität zu tun. Zu harte Duschstrahler, hässliche Weihnachtsgeschenke, Adlerattacken auf Schafe - das muss aufhören. Wir wollen alles streichen, was nicht unmittelbare Polizeiarbeit ist."
Im schwedischen Alltag bekommt man aber schon den Eindruck, dass sich die Polizei nicht nur von Nebenschauplätzen zurückzieht, sondern auch dann immer weniger verfügbar ist, wenn sie wirklich gebraucht wird. In einigen nicht notwendigerweise nur ländlichen Teilen des Landes sind Reviere geschlossen worden und man muss entweder viel Geduld haben oder Glück, um nach einem Notruf dann irgendwie doch einigermaßen schnell Polizei vor der Tür zu sehen. Was die natürlich nicht zugibt, nicht zugeben darf. Nur so viel räumte Reichspolizeichef Dan Eliasson auf Gotland ein: Seine Leute sind am Limit...
"Wir haben ein sehr anstrengendes Jahr hinter uns. Seit Anfang 2015 reformieren wir die Verwaltung. Dazu kommen schwere Belastungen durch Grenzkontrollen, Flüchtlingsströme usw. Wir sind an unserer Leistungsgrenze, sehen aber Möglichkeiten, noch mehr mit den Kommunen und der Sicherheitsbranche zusammen zu arbeiten."
Wachleute übernehmen Polizeiaufgaben
Womit die weitere Richtung klar ist – private Sicherheitsdienste werden künftig nicht weniger, sondern wohl eher noch mehr Aufgaben übernehmen, die früher einmal die Polizei erledigt hat. Die Wachleute haben schon jetzt in vielen Fällen zwar eingeschränkte, aber eben doch Polizeivollmachten. Sobald sie offiziell mit dem Aufnäher "Ordningsvakt" oder "Skyddsvakt" herumlaufen, dürfen sie jemanden bis zu 14 Stunden in Gewahrsam nehmen und/oder bis zu vier Stunden lang mit Handschellen fesseln. Kein Problem für Innenminister Ygeman:
"Die Aufgabenteilung, die wir jetzt haben, ist richtig, nur die Regeln sind veraltet. Die Sicherheitsbranche ist kräftig gewachsen, aber auch die Polizei. Wir können also dafür sorgen, dass es nicht zur Geldfrage wird, wer hier Schutz bekommt. Dass jemand, der einen Wachdienst anheuert, eben nicht sicherer ist als jemand, der sich das nicht leisten kann."
Vorsicht, Herr Minister, sie sind auf dünnem Eis! Denn gerade in teureren Stockholmer Wohngebieten gibt es kaum noch ein Haus ohne die Plakette eines privaten Sicherheitsdienstes. Die Angst vor Einbrüchen wächst, das Vertrauen in die Polizei schrumpft. Und deren Gewerkschaftssprecherin, Lena Nitz, schlägt Alarm, glaubt ihrem Minister offenbar nicht und fürchtet, dass Sicherheit eben doch mehr und mehr zum Luxus wird in Schweden...
"Der private Sektor will Geld verdienen. Aus einem demokratischen Blickwinkel ist es aber unglaublich wichtig, dass alle den gleichen Schutz bekommen, egal wo man in Schweden wohnt und egal wer man ist. Darüber müssen wir reden. Wenn man viel Geld hat, soll man dann sicherer sein in Schweden? Soll man sich besser beschützt fühlen, weil man reich ist?"