"Wenn so ein Verzicht erklärt wird, ist das null und nichtig"
Der Gesetzgeber hat gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften anerkannt und ihnen auch die Adoption von Kindern ermöglicht. Was viele nicht wissen: Falls diese Kinder mit Hilfe einer Samenspende auf die Welt kommen, ist der Samenspender unterhaltspflichtig.
Stephan Karkowsky: Womöglich haben Sie ja unlängst im Kino die Kommödie "The Kids Are All Right" gesehen, da geht es um ein lesbisches Paar und ihre beiden Kinder, gezeugt vom gleichen Samenspender. Im wahren Leben ist das eine durchaus gängige Variante gleichgeschlechtlicher Familiengründung, Mutter-Mutter-Kind statt Vater-Mutter-Kind. Im Film ist es so, da wollen die Mütter nicht, dass der Spender sich einmischt ins Leben der Kinder, im wahren Leben fordert nun ein Lesbenpaar Unterhalt vom Samenspender ihres Kindes und hat damit durchaus Aussicht auf Erfolg. Mit welchen Konsequenzen, darüber möchte ich reden mit Jutta Wagner, sie ist Anwältin für Familienrecht. Guten Tag!
Jutta Wagner: Guten Tag!
Karkowsky: Frau Wagner, Unterhaltsforderungen, obwohl die Frauen seinerzeit dem Spender zugesichert hatten, du wirst befreit von allen Verpflichtungen, das klingt für mich erst mal nach schwerem Vertrauensbruch. Wie sehen Sie das denn juristisch?
Wagner: Juristisch ist die Sache relativ einfach, wir haben im Gesetz eine Vorschrift, die den Verzicht auf Unterhalt für die Zukunft verbietet. Der einzige Sonderfall ist der Verzicht eines geschiedenen Ehegatten auf den Unterhalt für die Zeit nach der Scheidung, und selbst das wird auch noch kritisch untersucht und kann unter Umständen unwirksam sein. Also rechtlich ist die Sache ganz klar, selbst wenn so ein Verzicht erklärt wird, ob für einen selbst oder für Kinder, ist das unwirksam und null und nichtig.
Karkowsky: Hat denn das Gesetz auch schon Vorkehrungen getroffen für den Fall einer Samenspende?
Wagner: Nein, dafür hat das Gesetz gar keine Vorkehrungen getroffen. Das wird immer wieder gefordert in der letzten Zeit, und die Rechtspolitik wird sich sicher damit beschäftigen müssen, aber gesetzlich ist dieser Fall bisher nicht vorgesehen. Nun ist natürlich die Frage, ob man das gesetzlich unbedingt anders oder speziell regeln sollte, denn ob man das nun Samenspende nennt oder nicht: Auch in der Vergangenheit haben wir ja durchaus schon Geschichten gekannt, bei denen Väter ja Väter wurden, ohne damit eigentlich eine Beziehung zur Mutter oder zum Kind haben zu wollen.
Karkowsky: Aber im Fall der Samenspende ist es doch so, dass der Samenspender quasi seinen Samen verkauft an eine Samenbank meistens oder halt einen Vertrag abschließt mit Privatpersonen, und da ist ja ausdrücklich geklärt: Ich will nicht als Vater Vaterpflichten und Vaterrechte übernehmen. Und gibt es da nicht so etwas wie einen Vertrag und einen Vertragsbruch in diesem Fall?
Wagner: Nein. Wir haben einfach dieses rechtliche Konstrukt, dass es Verträge gibt, die von Anfang an nichtig sind, weil sie gegen ein gesetzliches absolutes Verbot verstoßen. Und das ist in diesen Fällen so gelagert. Also, selbst wenn – was ja gar nicht mal der Regelfall ist – die Beteiligten wirklich richtig gründliche schriftliche Verträge machen …
Karkowsky: … notariell beurkundet …
Wagner: … also, ich glaube, ein Notar beurkunden würde das wohl nicht, weil als Notar sollte man keine Dinge beurkunden, die gesetzlich nichtig sind. Aber durchaus eben zwischen den Beteiligten ganz ordentliche Verträge, die aber niemandem Sicherheit geben, weil sie von Anfang an unwirksam sind.
Karkowsky: Nun ist es ja meistens in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften so, dass das leibliche Kind eines Elternteils – also sagen wir der Mutter – für gewöhnlich vom anderen Elternteil – also in diesem Fall der Frau der Mutter – adoptiert wird. Erlischt damit nicht auch jeder Rechtsanspruch an den Samenspender beziehungsweise der Anspruch der Mutter, und in dem Fall auch der Anspruch auf Unterhalt?
Wagner: Das gilt in Grenzen. Zunächst mal erlischt mit der Adoption der Anspruch auf Unterhalt gegen den Erzeuger. Das ist schon richtig. Das gibt aber auch nur eine begrenzte Sicherheit, denn das Kind, auch das adoptierte Kind, hat ja einen Anspruch auf Kenntnis seiner wirklichen Herkunft. Und das adoptierte Kind kann mit der Volljährigkeit zum Beispiel diese Adoption anfechten und kann die Feststellung der tatsächlichen Vaterschaft verlangen. Also es gibt auch in den Fällen, die auf den ersten Blick eigentlich eine gewisse Sicherheit zu bieten scheinen, dann doch irgendwo noch ein kleines Einfallstor an Unsicherheit für den, von dem das Kind eben wirklich abstammt.
Karkowsky: Sie hören die Familienanwältin Jutta Wagner zum Fall eines lesbischen Paares, das nun Unterhalt fordert vom Samenspender, also dem leiblichen Vater ihres Kindes. Frau Wagner, in diesem Fall ist es ja wohl so, dass die Mütter nicht aus finanzieller Not vorgehen gegen den Vater. Das Kind ist finanziell abgesichert. Dann könnte doch das Gericht aber immer noch den Antrag der Mütter ablehnen, oder nicht?
Wagner: Nein. Die Mütter erfüllen ihre Unterhaltspflicht durch die Betreuung des Kindes, darüber hinaus müssen sie nichts tun. Selbst wenn sie großes Vermögen hätten, selbst wenn sie sehr gut verdienen: Der betreuende Elternteil muss immer nur seinen persönlichen Einsatz liefern, wohingegen der Elternteil, der das Kind nicht betreut, den finanziellen Beitrag dazu leisten muss.
Karkowsky: Aber was hätte das denn für gesellschaftliche Konsequenzen, mal angenommen, die Mütter bekämen nun Recht – und Sie gehen ja davon aus, dass die Mütter Recht bekommen – und der Samenspender muss dann zahlen, also Unterhalt zahlen. Dann würde sich doch niemand mehr bereit erklären zu einer Samenspende, oder? Das wäre ja furchtbar für all die kinderlosen Paare, die darauf angewiesen sind!
Wagner: Ja, wir verlagern das Problem dann vielleicht ins Ausland, denn da sind anonyme Samenspenden teilweise möglich. Aber Sie haben schon Recht, dass das gewisse Probleme schafft, die Frage ist nur, auf wessen Probleme wir zuerst gucken: Gucken wir zuerst auf die Probleme und die Unsicherheiten, die für Kinder mit Regelungen verbunden sind, oder auf die Probleme, die die Erwachsenen damit vielleicht haben? Also, der gesetzlichen Regelung geht es ja darum, dem Kind Sicherheit zu verschaffen, dass es, was auch immer passiert, einen Anspruch auf Unterhalt hat gegenüber jemandem, und wenn da keine gesetzlich sichere Grundlage wie die Adoption zum Beispiel oder auch die Anerkennung als ehelich – das ist ja auch denkbar – möglich ist mit der gewissen Unsicherheit, die dann trotzdem noch verbleibt, dann muss es eben so sein, dass das Kind weiter den Unterhaltsanspruch gegen den Erzeuger hat.
Karkowsky: Was ist denn mit den Ansprüchen des Erzeugers, also des Vaters, des biologischen? Das eine ohne das andere ist doch sicher nicht zu kriegen? Also, wenn der Vater zahlen muss, bekommt er dadurch dann auch Rechte am Kind?
Wagner: Ja, er bekommt Rechte am Kind. Das ist ja der große auch Angstfaktor auf der anderen Seite für die betroffenen Paare, für das betroffene lesbische Paar hier, und das ist ja auch dann immer bei diesem Kampf, der da entsteht, die prompte Antwort. Also nimmst du mich auf Unterhalt in Anspruch, verlange ich ein Umgangsrecht mit dem Kind und kann das notfalls auch gerichtlich durchsetzen.
Karkowsky: Also theoretisch, wenn ein auch anonymer Samenspender auf irgendwelchem Wege herausfindet, wer seine Kinder sind, dann kann er hinkommen und kann sagen, hier, ich erhebe Anspruch auf Umgang mit den Kindern?
Wagner: Ja, so ist es.
Karkowsky: In einem "Spiegel"-Artikel werden die Unterhaltskosten für den Vater auf 100.000 Euro insgesamt geschätzt, sollte er dann tatsächlich zum Unterhalt verpflichtet werden. Halten Sie das für realistisch, ist das eine reelle Zahl?
Wagner: Ja, das kann ganz leicht zusammenkommen. Also, Sie fangen ja bei Kindern in der ersten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle, die da Anwendung findet, an mit Einsatzbeträgen von doch um die 300 Euro, das steigt im Laufe des Lebensalters, und dann rechnen Sie das mal allein bis zum 18. Geburtstag hoch, also zwölf Monate hat das Jahr, mal 18, da kommt schon was zusammen, und mit 18 hört die Unterhaltspflicht ja nicht auf. Das Kind hat den Anspruch auf eine abgeschlossene Ausbildung, und wenn man Glück oder Pech hat, je nachdem wie man das sieht, dann ist das ein talentierter Physiker, der in den USA studiert, oder ein großer Mediziner, der lange studiert, oder ein zukünftiger Opernsänger, der lange Ausbildung hat, das ist ja alles sehr teuer und dauert sehr lange und muss mit finanziert werden. Also ich halte das für eine durchaus realistische Zahl.
Karkowsky: Ihrer Ansicht nach ist die gesetzliche Regelung für die Empfänger von Samenspenden relativ eindeutig. Aber schwierig ist es ja für die Samenspender. Was würden Sie denn nun sagen: Muss der Gesetzgeber dieses komplette Feld noch einmal neu aufrollen und Neuregelungen schaffen, um sich an die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse anzupassen, oder sagen Sie, nein, eigentlich ist alles in Ordnung geregelt?
Wagner: Ich muss ehrlich sagen, dass ich da zwiespältig bin. Auf der einen Seite finde ich es schon gut und richtig, das Kind zu schützen, weil das Kind ja nicht darüber entscheidet, ob und von wem es auf die Welt gesetzt worden ist. Andererseits denke ich, es müsste Menschen auch möglich sein, solche ja eben wirklich neuen Lebensumstände zu realisieren, ohne sich solchen existenziellen Gefährdungen auszusetzen. Meine Sympathie liegt ein bisschen mehr auf der Seite der Kinder, aber ich kann mich dem anderen auch nicht ganz verschließen.
Karkowsky: Ein lesbisches Paar fordert Unterhalt vom Samenspender ihres Kindes. Sie hörten dazu die Familienanwältin Jutta Wagner. Ihnen vielen Dank!
Wagner: Danke auch!
Jutta Wagner: Guten Tag!
Karkowsky: Frau Wagner, Unterhaltsforderungen, obwohl die Frauen seinerzeit dem Spender zugesichert hatten, du wirst befreit von allen Verpflichtungen, das klingt für mich erst mal nach schwerem Vertrauensbruch. Wie sehen Sie das denn juristisch?
Wagner: Juristisch ist die Sache relativ einfach, wir haben im Gesetz eine Vorschrift, die den Verzicht auf Unterhalt für die Zukunft verbietet. Der einzige Sonderfall ist der Verzicht eines geschiedenen Ehegatten auf den Unterhalt für die Zeit nach der Scheidung, und selbst das wird auch noch kritisch untersucht und kann unter Umständen unwirksam sein. Also rechtlich ist die Sache ganz klar, selbst wenn so ein Verzicht erklärt wird, ob für einen selbst oder für Kinder, ist das unwirksam und null und nichtig.
Karkowsky: Hat denn das Gesetz auch schon Vorkehrungen getroffen für den Fall einer Samenspende?
Wagner: Nein, dafür hat das Gesetz gar keine Vorkehrungen getroffen. Das wird immer wieder gefordert in der letzten Zeit, und die Rechtspolitik wird sich sicher damit beschäftigen müssen, aber gesetzlich ist dieser Fall bisher nicht vorgesehen. Nun ist natürlich die Frage, ob man das gesetzlich unbedingt anders oder speziell regeln sollte, denn ob man das nun Samenspende nennt oder nicht: Auch in der Vergangenheit haben wir ja durchaus schon Geschichten gekannt, bei denen Väter ja Väter wurden, ohne damit eigentlich eine Beziehung zur Mutter oder zum Kind haben zu wollen.
Karkowsky: Aber im Fall der Samenspende ist es doch so, dass der Samenspender quasi seinen Samen verkauft an eine Samenbank meistens oder halt einen Vertrag abschließt mit Privatpersonen, und da ist ja ausdrücklich geklärt: Ich will nicht als Vater Vaterpflichten und Vaterrechte übernehmen. Und gibt es da nicht so etwas wie einen Vertrag und einen Vertragsbruch in diesem Fall?
Wagner: Nein. Wir haben einfach dieses rechtliche Konstrukt, dass es Verträge gibt, die von Anfang an nichtig sind, weil sie gegen ein gesetzliches absolutes Verbot verstoßen. Und das ist in diesen Fällen so gelagert. Also, selbst wenn – was ja gar nicht mal der Regelfall ist – die Beteiligten wirklich richtig gründliche schriftliche Verträge machen …
Karkowsky: … notariell beurkundet …
Wagner: … also, ich glaube, ein Notar beurkunden würde das wohl nicht, weil als Notar sollte man keine Dinge beurkunden, die gesetzlich nichtig sind. Aber durchaus eben zwischen den Beteiligten ganz ordentliche Verträge, die aber niemandem Sicherheit geben, weil sie von Anfang an unwirksam sind.
Karkowsky: Nun ist es ja meistens in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften so, dass das leibliche Kind eines Elternteils – also sagen wir der Mutter – für gewöhnlich vom anderen Elternteil – also in diesem Fall der Frau der Mutter – adoptiert wird. Erlischt damit nicht auch jeder Rechtsanspruch an den Samenspender beziehungsweise der Anspruch der Mutter, und in dem Fall auch der Anspruch auf Unterhalt?
Wagner: Das gilt in Grenzen. Zunächst mal erlischt mit der Adoption der Anspruch auf Unterhalt gegen den Erzeuger. Das ist schon richtig. Das gibt aber auch nur eine begrenzte Sicherheit, denn das Kind, auch das adoptierte Kind, hat ja einen Anspruch auf Kenntnis seiner wirklichen Herkunft. Und das adoptierte Kind kann mit der Volljährigkeit zum Beispiel diese Adoption anfechten und kann die Feststellung der tatsächlichen Vaterschaft verlangen. Also es gibt auch in den Fällen, die auf den ersten Blick eigentlich eine gewisse Sicherheit zu bieten scheinen, dann doch irgendwo noch ein kleines Einfallstor an Unsicherheit für den, von dem das Kind eben wirklich abstammt.
Karkowsky: Sie hören die Familienanwältin Jutta Wagner zum Fall eines lesbischen Paares, das nun Unterhalt fordert vom Samenspender, also dem leiblichen Vater ihres Kindes. Frau Wagner, in diesem Fall ist es ja wohl so, dass die Mütter nicht aus finanzieller Not vorgehen gegen den Vater. Das Kind ist finanziell abgesichert. Dann könnte doch das Gericht aber immer noch den Antrag der Mütter ablehnen, oder nicht?
Wagner: Nein. Die Mütter erfüllen ihre Unterhaltspflicht durch die Betreuung des Kindes, darüber hinaus müssen sie nichts tun. Selbst wenn sie großes Vermögen hätten, selbst wenn sie sehr gut verdienen: Der betreuende Elternteil muss immer nur seinen persönlichen Einsatz liefern, wohingegen der Elternteil, der das Kind nicht betreut, den finanziellen Beitrag dazu leisten muss.
Karkowsky: Aber was hätte das denn für gesellschaftliche Konsequenzen, mal angenommen, die Mütter bekämen nun Recht – und Sie gehen ja davon aus, dass die Mütter Recht bekommen – und der Samenspender muss dann zahlen, also Unterhalt zahlen. Dann würde sich doch niemand mehr bereit erklären zu einer Samenspende, oder? Das wäre ja furchtbar für all die kinderlosen Paare, die darauf angewiesen sind!
Wagner: Ja, wir verlagern das Problem dann vielleicht ins Ausland, denn da sind anonyme Samenspenden teilweise möglich. Aber Sie haben schon Recht, dass das gewisse Probleme schafft, die Frage ist nur, auf wessen Probleme wir zuerst gucken: Gucken wir zuerst auf die Probleme und die Unsicherheiten, die für Kinder mit Regelungen verbunden sind, oder auf die Probleme, die die Erwachsenen damit vielleicht haben? Also, der gesetzlichen Regelung geht es ja darum, dem Kind Sicherheit zu verschaffen, dass es, was auch immer passiert, einen Anspruch auf Unterhalt hat gegenüber jemandem, und wenn da keine gesetzlich sichere Grundlage wie die Adoption zum Beispiel oder auch die Anerkennung als ehelich – das ist ja auch denkbar – möglich ist mit der gewissen Unsicherheit, die dann trotzdem noch verbleibt, dann muss es eben so sein, dass das Kind weiter den Unterhaltsanspruch gegen den Erzeuger hat.
Karkowsky: Was ist denn mit den Ansprüchen des Erzeugers, also des Vaters, des biologischen? Das eine ohne das andere ist doch sicher nicht zu kriegen? Also, wenn der Vater zahlen muss, bekommt er dadurch dann auch Rechte am Kind?
Wagner: Ja, er bekommt Rechte am Kind. Das ist ja der große auch Angstfaktor auf der anderen Seite für die betroffenen Paare, für das betroffene lesbische Paar hier, und das ist ja auch dann immer bei diesem Kampf, der da entsteht, die prompte Antwort. Also nimmst du mich auf Unterhalt in Anspruch, verlange ich ein Umgangsrecht mit dem Kind und kann das notfalls auch gerichtlich durchsetzen.
Karkowsky: Also theoretisch, wenn ein auch anonymer Samenspender auf irgendwelchem Wege herausfindet, wer seine Kinder sind, dann kann er hinkommen und kann sagen, hier, ich erhebe Anspruch auf Umgang mit den Kindern?
Wagner: Ja, so ist es.
Karkowsky: In einem "Spiegel"-Artikel werden die Unterhaltskosten für den Vater auf 100.000 Euro insgesamt geschätzt, sollte er dann tatsächlich zum Unterhalt verpflichtet werden. Halten Sie das für realistisch, ist das eine reelle Zahl?
Wagner: Ja, das kann ganz leicht zusammenkommen. Also, Sie fangen ja bei Kindern in der ersten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle, die da Anwendung findet, an mit Einsatzbeträgen von doch um die 300 Euro, das steigt im Laufe des Lebensalters, und dann rechnen Sie das mal allein bis zum 18. Geburtstag hoch, also zwölf Monate hat das Jahr, mal 18, da kommt schon was zusammen, und mit 18 hört die Unterhaltspflicht ja nicht auf. Das Kind hat den Anspruch auf eine abgeschlossene Ausbildung, und wenn man Glück oder Pech hat, je nachdem wie man das sieht, dann ist das ein talentierter Physiker, der in den USA studiert, oder ein großer Mediziner, der lange studiert, oder ein zukünftiger Opernsänger, der lange Ausbildung hat, das ist ja alles sehr teuer und dauert sehr lange und muss mit finanziert werden. Also ich halte das für eine durchaus realistische Zahl.
Karkowsky: Ihrer Ansicht nach ist die gesetzliche Regelung für die Empfänger von Samenspenden relativ eindeutig. Aber schwierig ist es ja für die Samenspender. Was würden Sie denn nun sagen: Muss der Gesetzgeber dieses komplette Feld noch einmal neu aufrollen und Neuregelungen schaffen, um sich an die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse anzupassen, oder sagen Sie, nein, eigentlich ist alles in Ordnung geregelt?
Wagner: Ich muss ehrlich sagen, dass ich da zwiespältig bin. Auf der einen Seite finde ich es schon gut und richtig, das Kind zu schützen, weil das Kind ja nicht darüber entscheidet, ob und von wem es auf die Welt gesetzt worden ist. Andererseits denke ich, es müsste Menschen auch möglich sein, solche ja eben wirklich neuen Lebensumstände zu realisieren, ohne sich solchen existenziellen Gefährdungen auszusetzen. Meine Sympathie liegt ein bisschen mehr auf der Seite der Kinder, aber ich kann mich dem anderen auch nicht ganz verschließen.
Karkowsky: Ein lesbisches Paar fordert Unterhalt vom Samenspender ihres Kindes. Sie hörten dazu die Familienanwältin Jutta Wagner. Ihnen vielen Dank!
Wagner: Danke auch!