Wer Hass sät

(K)ein Frieden für Israelis und Palästinenser?

Ein israelischer Panzer schießt Richtung Gaza-Streifen.
Ein israelischer Panzer schießt Richtung Gaza-Streifen. © dpa / picture alliance / Jim Hollander
Wo liegen die Wurzeln dieses Nahost-Konfliktes? Christian Sterzing beklagt die israelische Trennungspolitik. Sylke Tempel beschreibt die Kindergärten der Hamas als regelrechte "Gehirnwaschanlagen".
Allen internationalen Appellen und aller Kritik zum Trotz hält die Gewalt zwischen der israelischen Armee und der militanten palästinensischen Hamas an. Die vereinbarte dreitägige Waffenruhe wurde kurz nach ihrem Beginn wieder gebrochen. Die Zahl der Opfer auf beiden Seiten steigt täglich; gleichzeitig schwindet die Hoffnung, jemals Frieden zwischen beiden Lagern zu schaffen.
Der seit dem 8. Juli andauernde Militäreinsatz ist inzwischen Israels längster Krieg seit 2006. Beide – Israelis wie Palästinenser – leben seit über sechs Jahrzehnten in ständiger Angst, die jüngeren Generationen kennen keinen Frieden.
Wie prägt diese Angst beide Gesellschaften?
Wo liegen die Wurzeln dieses Konfliktes?
Wie könnte eine Friedenslösung aussehen?
"Wir befinden wir uns hier in einer Spirale der Gewalt", sagt Christian Sterzing. Der Jurist war Bundestagsabgeordneter der Grünen und leitete von 2004 bis 2009 das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah. "In den letzten Jahrzehnten ist Israel mehrfach in den Gazastreifen einmarschiert. Es hat mehrfach solche militärischen Aktionen wochenlanger Bombardements gegeben – und es hat nie zu dem Erfolg geführt, nämlich dem erhofften Ende des Raketenbeschusses. Diese Logik, immer wieder alles zu vergelten, macht alles immer schlimmer."
"Das entspricht der Doktrin der Abschreckung"
Mittlerweile würden die Kriegstraumata geradezu vererbt, die Vorurteile, der gegenseitige Hass nähmen von Generation zu Generation zu – auf beiden Seiten.
"Die verheerende Entwicklung hängt zusammen mit der israelischen Trennungspolitik, dass man sich nicht mehr begegnet. Es gibt viele Friedensversuche, ja, sogar ein regelrechtes 'Friedens-Business´, aber im Alltag gibt es eine Trennung: dass palästinensische Jugendliche Israelis nur am Checkpoint begegnen, als bewaffnete Soldaten hinter einer Glasscheibe, von denen sie Anweisungen erhalten, von denen sie sich gedemütigt fühlen. Jahrzehnte vorher gingen noch Hunderte von Palästinensern zum Arbeiten über die Checkpoints, es gab irgendwelche menschlichen Beziehungen, die nicht nur durch den Konflikt geprägt waren. Das gibt es immer weniger."
Seine Überzeugung: "Man wird Frieden nicht durch Sicherheit schaffen, sondern Sicherheit durch Frieden."
"Israel reagiert hart, weil das der Doktrin der Abschreckung entspricht", sagt die Journalistin Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift "Internationale Politik". Die Argumentation sei klar: "Wenn wir den Raketenbeschuss dulden, dann haben wir hier bald keine ruhige Sekunde mehr."
Die ehemalige Nahost-Korrespondentin macht die Hamas mitverantwortlich für die verzweifelte Lage der Palästinenser: "Die Hamas hat in den Jahren ihrer Herrschaft nichts, aber auch gar nichts auf die Beine stellen können, um es den Leuten zu erleichtern. Der Druck ist größer geworden – und das einzige, was sie gut können, ist das Lied des Widerstandskampfes. Ich kann absolut die Wut und die Frustration verstehen, von den Leuten, die nichts anderes als Besatzung erlebt haben. Was ich nicht verstehen kann: dass die politische Führung es nicht geschafft hat, sich von den eigenen Radikalen zu distanzieren."
Kindergärten der Hamas seien "Gehirnwaschanlagen"
Die Kindergärten der Hamas seien regelrechte "Gehirnwaschanlagen", in denen schon die Kleinsten instrumentalisiert würden.
Auch in der aktuellen Konfliktsituation müsse man aber weiter auf Verhandlungen setzen: "Die Israelis haben der Hamas mehrfach signalisiert: 'Wir machen nichts, wenn ihr diesen Raketenbeschuss stoppt.' Der ist aber nicht gestoppt worden."
Wer Hass sät – (K)ein Frieden für Israelis und Palästinenser?
Darüber diskutierte Gisela Steinhauer mit Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift "Internationale Politik", und Christian Sterzing, ehemaliger Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah.
Literaturhinweis:
Sylke Tempel: "Israel. Reise durch ein altes, neues Land", Rowohlt Berlin, 2008
Christian Sterzing und Jörn Böhme: „Kleine Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts", Wochenschau-Verlag, 2012
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