"Wer wenn nicht wir"

Andres Veiel zeigt in "Wer wenn nicht wir" anhand der Liebesgeschichte zwischen Bernward Vesper und Gudrun Ensslin die Vorgeschichte vom Deutschen Herbst auf. Es ist ein wichtiges Teil im großen RAF-Puzzle des deutschen Kinos.
Deutschland 2011; Regie: Andres Veiel - Darsteller: August Diehl, Lena Lauzemis, Alexander Fehling, Thomas Thieme, Imogen Kogge, Michael Wittenborn, Susanne Lothar, Maria Victoria Dragus

Der Besuch des Schahs in Berlin 1967, die Ermordung Benno Ohnesorgs und der Frankfurter Kaufhausbrand - das ist die Kausalkette, die sich im kollektiven Gedächtnis eingegraben hat, zum Terrorismus geführt haben soll. Mit seinem ersten Spielfilm "Wer wenn nicht wir" will Andres Veiel diese Kette erweitern, dafür geht er die Vorgeschichte der RAF, gräbt sich in Biografien voller Widersprüchlichkeit und Radikalität. Im Grunde übernimmt Veiel das seismografische Verfahren seiner Dokumentarfilme, rekonstruiert Zeitströmungen, biografische Auffälligkeiten.

So beginnt sein Film mit einem Prolog in der Nazizeit: Ein Vater erklärt seinem Sohn weshalb er dessen geliebte Katze erschossen hat: Katzen seien die Juden unter den Tieren. Bernward Vesper (August Diehl) war der Sohn des NS-Schriftstellers Will Vesper, der sich erst spät und auch nicht offen von Hitler distanzierte.

Der Sohn verlegt das Werk und verteidigt den Vater, den er liebt – und wendet sich dennoch immer offener und leidenschaftlicher gegen diese schuldig gewordene Generation. Zerrissen ist auch seine Freundin Gudrun Ensslin, gespielt von Lena Lauzemis - zwischen der Liebe zu einem Vater, der in der Wehrmacht kämpfte und den Vorwürfen, die sie ihm wegen seiner Kriegsteilnahme macht.

Andres Veiels Film ist ein deutscher Familienroman, aber auch eine Liebesgeschichte. Mit dem Erscheinen von Andreas Baader (Alexander Fehling) wird Bernward Vesper zum unglücklichen Dritten im Bunde. Er wird nicht wie Ensslin und Baader in den bewaffneten Kampf ziehen. Dieser Extremismus wird in "Wer wenn nicht wir" untersucht, erkundet, sodass man ihn von seinen Wurzeln her begreifen kann, ohne dass man ihn akzeptieren muss.

Hier macht sich ein Regisseur die Mühe, über die politischen Ereignisse hinauszuschauen, und wirft dabei viele Fragen auf: Warum wird ein junger Mann Schriftsteller und landet später in der Psychiatrie. Warum radikalisiert sich eine junge Frau, verlässt den kleinen, gemeinsamen Sohn - Hybris, der Glauben an die Weltrevolution oder die sexuelle Abhängigkeit von Baader? "Wer wenn nicht wir" ist ein wichtiges Teil im großen RAF-Puzzle des deutschen Kinos.


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