Wer wird neue “Emma“-Chefin?
"Brigitte"-Kolumnistin Julia Karnick soll neue "Emma"-Chefin werden. Das zumindest kann sich Tissy Bruns vom "Tagesspiegel" gut vorstellen. Karnick packe den Stier immer bei den Hörnern, lobt Bruns die Entschlossenheit der Kollegin. Das prädestiniere sie für die Nachfolge von Alice Schwarzer. Denn die Gründerin des Feministinnen-Blattes will die Leitung nach 31 Jahren abgeben.
Katrin Heise: Es wurde viel schmutzige Wäsche gewaschen in den letzten Wochen innerhalb und außerhalb der Redaktionen der "Emma". Grund: "Emma-Gründerin" Alice Schwarzer wollte sich vom Chefredakteurinnen-Posten zurückziehen und tat es dann tatsächlich nicht. Die wahren Hintergründe des überstürzten Weggangs der designierten Nachfolgerin Lisa Ortgies, die werden wohl immer verschwommen bleiben.
Bei uns im "Radiofeuilleton" geht es aber um einen Blick nach vorn. Denn der Posten ist ja in gewisser Weise immer noch vakant. Was wird aus der "Emma", was wird aus dem Feminismus? Uns interessiert die Meinung von Frauen, die sich in Deutschland immer wieder zu Wort melden, deren Stimme Gewicht hat, und die sich auch immer wieder mit Frauenthemen auseinandersetzen. Ich begrüße die "Tagespiegel-Redakteurin" Tissy Bruns, die früher auch für die "taz", den "Stern" und die "Welt" und außerdem über ihre Erfahrungen mit Politik und Politikgeschehen das Buch geschrieben hat "Republik der Wichtigtuer". Schönen guten Morgen, Frau Bruns!
Tissy Bruns: Guten Morgen!
Heise: Wer soll neue "Emma-Chefredakteurin" werden?
Bruns: Ich kenne die Kollegin nicht persönlich, bin aber eine begeisterte Leserin von ihr. Ich schlage Julia Karnick vor, die "Brigitte-Kolumnistin", sie schreibt die schöne Kolumne, die immer eingeleitet wird mit dem Satz "Einerseits wäre alles so einfach, wenn nur das Andererseits nicht wäre", wunderbare Texte. Und ich schließe aus dieser Anrede, die sie immer macht, dass sie ganz genau weiß, das Leben ist nicht widerspruchsfrei zu haben. Und das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um die "Emma-Redaktion" zu leiten.
Heise: Sie hätte dadurch aber gleich ein so bisschen was vom Kampfgeist weggenommen, einerseits. Andererseits, das klingt ja fast ein bisschen wie, ja, kann man es so betrachten, aber auch anders.
Bruns: Nein, ihre Kolumnen sind so, dass sie sich den Tückenfallen und Widersprüchen des wirklichen Lebens voll stellt. Sie packt den Stier immer bei den Hörnern. Aber sie macht es eben mit Humor und mit dieser Elastizität, die man auch braucht, wenn man was erreichen will. Sie weiß schon, es geht um was. Aber sie weiß auch, wenn ich mit dem Kopf durch die Wand gehe, dann sitze ich wahrscheinlich nur in der Nachbarzelle. Und das ist, glaube ich, diese Art von Geschmeidigkeit und Härte, die man in diesem Amt braucht und die man braucht, wenn man für Frauen was erreichen will.
Heise: Lesen Sie die "Emma"?
Bruns: Ich bin "Emma-Leserin".
Heise: Nach wie vor, jede Ausgabe?
Bruns: Jede Ausgabe. Ich gebe zu, manchmal auch so wie die "Brigitte", man kommt nicht zu allem. Aber ich bin "Emma-Leserin", ich verfolge das allein deswegen, weil ich ja als Mutter eines 20-jährigen Sohnes auch von jungen Frauen umgeben bin und mich für deren Themen interessiere. Und da muss ich sagen, wenn ich über Magersucht oder Modeterror irgendwas wissen will, dann ist die "Emma" eine überaus nützliche Quelle.
Heise: Das finde ich jetzt interessant, dass Sie das sagen. Die Schriftstellerin Julie Zeh, die ja nun nicht unbedingt 20 ist, aber auf jeden Fall der jüngeren Generation angehört, die gab neulich zu, weder sie noch irgendjemand aus ihrem Bekanntenkreis lese die "Emma" und sie frage sich auch, warum sollte sie das tun. Da würde für sie nichts verhandelt.
Bruns: Das kann sein, dass das für sie auch gilt. Vielleicht ist sie in jungen Jahren schon zu arriviert und zu erfolgreich, um auf die Tücken und Probleme zu stoßen, die doch vor jungen Frauen hier im Lande immer noch stehen. Ich weiß ganz genau, das ist eine sehr erfolgreiche Mädchen- und Frauengeneration, wenn ich die 20- bis 30-Jährigen angucke. Mit 25 laufen sie rum, sprechen drei Sprachen, waren in vier Ländern, haben Praktika da und dort gemacht, haben beste Zertifikate, bessere Zeugnisse als die Jungs und bessere akademische Abschlüsse.
Aber trotzdem läuft dann immer alles schnell auf das Problem zu. Ja, das will ich, ich will aber auch Kinder haben, ich will vor allen Dingen die Liebe haben. Ich will mit einem Mann zusammen sein oder einer Frau, seltener. Und das ist einfach so glatt nicht zu haben. Und die "Emma" setzt sich da zum Teil mit Themen auseinander, die diese jungen Frauen sehr wohl beschäftigen und die ihnen begegnen.
Heise: Warum fühlen sie sich dann gerade durch die "Emma" doch nicht repräsentiert?
Bruns: Wer fühlt sich schon wirklich von einem Blatt repräsentiert? Das ist ja nun ganz selten. Ich glaube, das ist ein falscher Anspruch. Wenn ich diese jungen Frauen, die jetzt unter dem neuen Feminismus laufen, unter diesem Etikett angucke, dann habe ich immer Zweifel, ob das nicht einfach eine Aufladung ist, die sie brauchen, sich von "Emma" und vor allen Dingen von Frau Schwarzer abzugrenzen.
Erst dadurch kriegt man ja so ein Gewicht, wenn man sagt, wir brauchen die Schwarzer nicht mehr. Uns hat die nichts mehr zu geben, das ist alles für uns erledigt. Diese ganze junge Frauengeneration, die hat ja das Etikett "Neuer Feminismus" nur gekriegt, weil sie sich von Frau Schwarzer abgegrenzt hat. Ich glaube nicht, dass das so ganz gut funktioniert.
Heise: Die Frage ist natürlich, wer da wen abgegrenzt hat, ob die nicht immer wieder damit konfrontiert wurden.
Bruns: Das stimmt, die Frage wird auch immer an jede junge Frau in der Öffentlichkeit gestellt, und, wie hältst du es mit Alice Schwarzer und wie halten Sie es mit der "Emma". Und dann sagen die meisten, na ja, das ist nicht mehr so mein Ding. Und das stimmt ja auch.
Das sagt übrigens Frau Schwarzer auch. Die sagt dann nur eben, wie sie halt ist, na ja, nun zeigt mal her, was ihr habt. Ich bin ja bereit, euch das Feld zu überlassen, euer Feld, aber dann bespielt es auch mal. Und mit Frau Schwarzer zu streiten und zu kämpfen, doch, da muss man auch schon ihr gewachsen sein.
Heise: Da muss man ganz schön was zu bieten haben. Ich wollte Sie noch einmal auf die "Emma" ansprechen, vor allem, wenn Sie sie über die ganzen Jahre auch verfolgt haben und immer wieder lesen. Für was stand sie für Sie?
Bruns: Natürlich für diesen Aufbruch der Frauen, für dieses Raus-aus-den-ausgetretenen-Pfaden, die unsere Mütter und Großmütter, oder besser gesagt, unsere Väter und Großväter für uns vorgesehen hatten. Das kommt ja aus einer Generation, wo wirklich ein Sprung gemacht worden ist nach vorne, Bildung, Arbeitsplätze, öffentliche Ämter, Kanzlerin schließlich sogar. Frau Merkel wäre nicht Kanzlerin ohne die "Emma" und Alice Schwarzer.
Das kann man, glaube ich, unumwunden sagen. Natürlich auch nicht ohne ihre eigene Leistung, aber auch nicht ohne diese Frauenbewegung. Das ist das Erste.
Und das Zweite ist, dass die "Emma" das Ganze sozusagen, als das schon ein ruhiger Fluss wurde und eben kein Aufbruch mehr, irgendwie immer noch neu belebt hat, neu aufgeladen hat und die Themen gesehen hat, die wir leider gerne übersehen. Wir haben ja auch neue Frauenunterdrückung im Land.
Und was ich der "Emma" am allerhöchsten anrechne, ist, dass sie auf die Lage der muslimischen Mädchen als Erste hingewiesen hat und sich sehr stark eingesetzt hat. Und da ist ja ein Thema, das komischerweise in der ganzen Auseinandersetzung, die jetzt um Frau Schwarzer geführt wird, überhaupt nicht thematisiert wird.
Heise: Neue Chefredakteurin für die "Emma" gesucht, unser Thema im "Radiofeuilleton", heute mit Tissy Bruns. Sie schrieben letztes Jahr im "Berliner Tagesspiegel", der neue Feminismus ist ein Herrschaftsdiskurs, nicht der eines unterdrückten Geschlechts. Sie haben es vorhin auch schon mal gesagt. Haben wir Frauen eigentlich fast alles schon erreicht?
Bruns: Wir haben schon fast alles erreicht, aber eben nicht wirklich alles. Es gibt immer noch, und das hat mich an diesem neuen Feminismus so, der vor einem oder zwei Jahren mal aufblitzte, jetzt haben wir ja schon wieder einen neuen, geärgert. Ich finde, Frauenbewegung gibt es nur, wenn Frauen, die was erreicht haben, auch was für andere Frauen tun.
Und ich habe schon erwähnt, wir haben die neue Unterdrückung im Land, bei den muslimischen Mädchen ein großes Thema, das die ganze junge Generation jedenfalls in den großen Städten beschäftigt, die Jungs und die Mädchen, ganz, ganz deutlich.
Und wir haben solche Phänomene wie die Modediktate oder die Magersucht und die Bulimie, alles Zeiterscheinungen, die damit zu tun haben, dass das Mädchen sind, geschlechtsspezifische Zeiterscheinungen. Und deswegen brauchen wir auch, dass gerade arrivierte und erfolgreiche Frauen sich bei diesen Themen engagieren und einsetzen und überlegen, wie man es besser machen kann im Land.
Im Ganzen ist die Frauenbewegung eine der erfolgreichsten Bewegungen, die es je gegeben hat. Das, finde ich, muss man ganz laut und deutlich sagen.
Heise: Wenn man noch mal guckt, immer noch mindestens 20 Prozent weniger verdienen Frauen als Männer in den 30 größten DAX-Unternehmen. Da wird keins für Frauen geführt, das heißt, da ist noch viel zu tun. Sie haben mal gesagt, neuer Feminismus wird eigentlich immer von allem nur noch mehr.
Bruns: Eben. Wenn er das nur will, dann ist er, finde ich, nicht glaubwürdig. Darum kann es nicht gehen. Feminismus ist kein Verteilungskampf in erster Linie. Ich sage mal das Beispiel dieser DAX-Posten. Es gibt jetzt bei den Grünen so eine Bewegung, wir wollen da rein und kann man das nicht auch quotieren. Da würde ich mich in keinem Fall anschließen. Da müssen sich, verdammt noch mal, die DAX-Unternehmen ändern, damit Frauen da auch arbeiten können. Das ist eine eisige Luft, eine kalte und Ellenbogenatmosphäre. Ich möchte da nicht hin.
Heise: Bringen Frauen eine andere Luft mit?
Bruns: Ja, doch schon. Ich glaube schon, dass die Büros und die Etatführungsetagen sich ändern, wenn das weibliche Element, etwas pathetisch gesagt, da reinkommt. Man kann es ja materieller sagen. Wenn Frauen da reinkommen, die zu tun haben mit Kindern, die Kinder aufziehen müssen, die gucken müssen, wie sie das alles ausbalancieren, ein Paradiesweg ist das natürlich nicht. Wir kennen auch Frauen, ich kenne auch Frauen, die das Ellenbogenmodell kopieren und dasselbe machen, meist noch schlimmer als die männlichen Chefs.
Heise: Die werden dann immer als Beispiele genommen. Seht ihr, erst mal ändert sich doch gar nichts, wenn Frauen an der Spitze sind.
Bruns: Wir sind nicht per se die besseren Menschen. Aber da wir eine bestimmte Unterdrückungserfahrung mitbringen, haben wir ein Auge dafür, so würde ich mal sagen. Und wenn jemand sein Leben nicht nur für sich selbst, sondern ein bisschen immer auch für andere lebt, dann kann er daraus was machen.
Heise: Sie sagen, Frauen sind durch die Eroberung neuer Rollen und Positionen auch ungleicher geworden. Hat ein Begriff wie Feminismus, der ja immer irgendwie so eine Gleichheit da irgendwie versucht drüber zu gießen, hat der eigentlich noch eine Berechtigung?
Bruns: Der Begriff ist wahrscheinlich belegt durch das, was er ursprünglich war oder in den 70er- und 80er-Jahren war. Und immer, wenn man versucht, dem Begriff nachzugehen, dann kommt man nicht sehr weit, dann grenzt man sich eben von Alice Schwarzer ab.
Vielleicht sollte mal jemand drüber nachdenken, dafür was Neues zu finden, wie man über junge Frauen und junge Mädchen heute nachdenkt und immer daran denken, dass es nicht darum geht, mehr Posten, mehr Geld, zu kriegen, sondern vor allen Dingen darum: Freiheit. Das ist der eigentliche Schlüssel. Das ist es, was wir wollten. Emanzipation, unseren Weg selbst bestimmen, das ist der Kern der Sache.
Heise: Kann man eigentlich Alice Schwarzer ersetzen?
Bruns: Nein. Muss man auch nicht. Vielleicht als Chefredakteurin, aber nicht als Alice Schwarzer.
Heise: Ich sprach mit Tissy Bruns über Feminismus, die "Emma" und Alice Schwarzer und vor allem über die neue "Emma-Chefredakteurin", die sich Tissy Bruns vorstellen kann. Sie warf jetzt Julia Karnick, "Brigitte-Kolumnistin" in den Ring. Vielen Dank, Frau Bruns! Wir werden mal sehen, in den kommenden Tagen hören wir noch Bascha Mika, die Chefredakteurin der "taz" zum Beispiel dazu. Mal schauen, was die vorschlägt. Vielen Dank, Frau Bruns!
Bei uns im "Radiofeuilleton" geht es aber um einen Blick nach vorn. Denn der Posten ist ja in gewisser Weise immer noch vakant. Was wird aus der "Emma", was wird aus dem Feminismus? Uns interessiert die Meinung von Frauen, die sich in Deutschland immer wieder zu Wort melden, deren Stimme Gewicht hat, und die sich auch immer wieder mit Frauenthemen auseinandersetzen. Ich begrüße die "Tagespiegel-Redakteurin" Tissy Bruns, die früher auch für die "taz", den "Stern" und die "Welt" und außerdem über ihre Erfahrungen mit Politik und Politikgeschehen das Buch geschrieben hat "Republik der Wichtigtuer". Schönen guten Morgen, Frau Bruns!
Tissy Bruns: Guten Morgen!
Heise: Wer soll neue "Emma-Chefredakteurin" werden?
Bruns: Ich kenne die Kollegin nicht persönlich, bin aber eine begeisterte Leserin von ihr. Ich schlage Julia Karnick vor, die "Brigitte-Kolumnistin", sie schreibt die schöne Kolumne, die immer eingeleitet wird mit dem Satz "Einerseits wäre alles so einfach, wenn nur das Andererseits nicht wäre", wunderbare Texte. Und ich schließe aus dieser Anrede, die sie immer macht, dass sie ganz genau weiß, das Leben ist nicht widerspruchsfrei zu haben. Und das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um die "Emma-Redaktion" zu leiten.
Heise: Sie hätte dadurch aber gleich ein so bisschen was vom Kampfgeist weggenommen, einerseits. Andererseits, das klingt ja fast ein bisschen wie, ja, kann man es so betrachten, aber auch anders.
Bruns: Nein, ihre Kolumnen sind so, dass sie sich den Tückenfallen und Widersprüchen des wirklichen Lebens voll stellt. Sie packt den Stier immer bei den Hörnern. Aber sie macht es eben mit Humor und mit dieser Elastizität, die man auch braucht, wenn man was erreichen will. Sie weiß schon, es geht um was. Aber sie weiß auch, wenn ich mit dem Kopf durch die Wand gehe, dann sitze ich wahrscheinlich nur in der Nachbarzelle. Und das ist, glaube ich, diese Art von Geschmeidigkeit und Härte, die man in diesem Amt braucht und die man braucht, wenn man für Frauen was erreichen will.
Heise: Lesen Sie die "Emma"?
Bruns: Ich bin "Emma-Leserin".
Heise: Nach wie vor, jede Ausgabe?
Bruns: Jede Ausgabe. Ich gebe zu, manchmal auch so wie die "Brigitte", man kommt nicht zu allem. Aber ich bin "Emma-Leserin", ich verfolge das allein deswegen, weil ich ja als Mutter eines 20-jährigen Sohnes auch von jungen Frauen umgeben bin und mich für deren Themen interessiere. Und da muss ich sagen, wenn ich über Magersucht oder Modeterror irgendwas wissen will, dann ist die "Emma" eine überaus nützliche Quelle.
Heise: Das finde ich jetzt interessant, dass Sie das sagen. Die Schriftstellerin Julie Zeh, die ja nun nicht unbedingt 20 ist, aber auf jeden Fall der jüngeren Generation angehört, die gab neulich zu, weder sie noch irgendjemand aus ihrem Bekanntenkreis lese die "Emma" und sie frage sich auch, warum sollte sie das tun. Da würde für sie nichts verhandelt.
Bruns: Das kann sein, dass das für sie auch gilt. Vielleicht ist sie in jungen Jahren schon zu arriviert und zu erfolgreich, um auf die Tücken und Probleme zu stoßen, die doch vor jungen Frauen hier im Lande immer noch stehen. Ich weiß ganz genau, das ist eine sehr erfolgreiche Mädchen- und Frauengeneration, wenn ich die 20- bis 30-Jährigen angucke. Mit 25 laufen sie rum, sprechen drei Sprachen, waren in vier Ländern, haben Praktika da und dort gemacht, haben beste Zertifikate, bessere Zeugnisse als die Jungs und bessere akademische Abschlüsse.
Aber trotzdem läuft dann immer alles schnell auf das Problem zu. Ja, das will ich, ich will aber auch Kinder haben, ich will vor allen Dingen die Liebe haben. Ich will mit einem Mann zusammen sein oder einer Frau, seltener. Und das ist einfach so glatt nicht zu haben. Und die "Emma" setzt sich da zum Teil mit Themen auseinander, die diese jungen Frauen sehr wohl beschäftigen und die ihnen begegnen.
Heise: Warum fühlen sie sich dann gerade durch die "Emma" doch nicht repräsentiert?
Bruns: Wer fühlt sich schon wirklich von einem Blatt repräsentiert? Das ist ja nun ganz selten. Ich glaube, das ist ein falscher Anspruch. Wenn ich diese jungen Frauen, die jetzt unter dem neuen Feminismus laufen, unter diesem Etikett angucke, dann habe ich immer Zweifel, ob das nicht einfach eine Aufladung ist, die sie brauchen, sich von "Emma" und vor allen Dingen von Frau Schwarzer abzugrenzen.
Erst dadurch kriegt man ja so ein Gewicht, wenn man sagt, wir brauchen die Schwarzer nicht mehr. Uns hat die nichts mehr zu geben, das ist alles für uns erledigt. Diese ganze junge Frauengeneration, die hat ja das Etikett "Neuer Feminismus" nur gekriegt, weil sie sich von Frau Schwarzer abgegrenzt hat. Ich glaube nicht, dass das so ganz gut funktioniert.
Heise: Die Frage ist natürlich, wer da wen abgegrenzt hat, ob die nicht immer wieder damit konfrontiert wurden.
Bruns: Das stimmt, die Frage wird auch immer an jede junge Frau in der Öffentlichkeit gestellt, und, wie hältst du es mit Alice Schwarzer und wie halten Sie es mit der "Emma". Und dann sagen die meisten, na ja, das ist nicht mehr so mein Ding. Und das stimmt ja auch.
Das sagt übrigens Frau Schwarzer auch. Die sagt dann nur eben, wie sie halt ist, na ja, nun zeigt mal her, was ihr habt. Ich bin ja bereit, euch das Feld zu überlassen, euer Feld, aber dann bespielt es auch mal. Und mit Frau Schwarzer zu streiten und zu kämpfen, doch, da muss man auch schon ihr gewachsen sein.
Heise: Da muss man ganz schön was zu bieten haben. Ich wollte Sie noch einmal auf die "Emma" ansprechen, vor allem, wenn Sie sie über die ganzen Jahre auch verfolgt haben und immer wieder lesen. Für was stand sie für Sie?
Bruns: Natürlich für diesen Aufbruch der Frauen, für dieses Raus-aus-den-ausgetretenen-Pfaden, die unsere Mütter und Großmütter, oder besser gesagt, unsere Väter und Großväter für uns vorgesehen hatten. Das kommt ja aus einer Generation, wo wirklich ein Sprung gemacht worden ist nach vorne, Bildung, Arbeitsplätze, öffentliche Ämter, Kanzlerin schließlich sogar. Frau Merkel wäre nicht Kanzlerin ohne die "Emma" und Alice Schwarzer.
Das kann man, glaube ich, unumwunden sagen. Natürlich auch nicht ohne ihre eigene Leistung, aber auch nicht ohne diese Frauenbewegung. Das ist das Erste.
Und das Zweite ist, dass die "Emma" das Ganze sozusagen, als das schon ein ruhiger Fluss wurde und eben kein Aufbruch mehr, irgendwie immer noch neu belebt hat, neu aufgeladen hat und die Themen gesehen hat, die wir leider gerne übersehen. Wir haben ja auch neue Frauenunterdrückung im Land.
Und was ich der "Emma" am allerhöchsten anrechne, ist, dass sie auf die Lage der muslimischen Mädchen als Erste hingewiesen hat und sich sehr stark eingesetzt hat. Und da ist ja ein Thema, das komischerweise in der ganzen Auseinandersetzung, die jetzt um Frau Schwarzer geführt wird, überhaupt nicht thematisiert wird.
Heise: Neue Chefredakteurin für die "Emma" gesucht, unser Thema im "Radiofeuilleton", heute mit Tissy Bruns. Sie schrieben letztes Jahr im "Berliner Tagesspiegel", der neue Feminismus ist ein Herrschaftsdiskurs, nicht der eines unterdrückten Geschlechts. Sie haben es vorhin auch schon mal gesagt. Haben wir Frauen eigentlich fast alles schon erreicht?
Bruns: Wir haben schon fast alles erreicht, aber eben nicht wirklich alles. Es gibt immer noch, und das hat mich an diesem neuen Feminismus so, der vor einem oder zwei Jahren mal aufblitzte, jetzt haben wir ja schon wieder einen neuen, geärgert. Ich finde, Frauenbewegung gibt es nur, wenn Frauen, die was erreicht haben, auch was für andere Frauen tun.
Und ich habe schon erwähnt, wir haben die neue Unterdrückung im Land, bei den muslimischen Mädchen ein großes Thema, das die ganze junge Generation jedenfalls in den großen Städten beschäftigt, die Jungs und die Mädchen, ganz, ganz deutlich.
Und wir haben solche Phänomene wie die Modediktate oder die Magersucht und die Bulimie, alles Zeiterscheinungen, die damit zu tun haben, dass das Mädchen sind, geschlechtsspezifische Zeiterscheinungen. Und deswegen brauchen wir auch, dass gerade arrivierte und erfolgreiche Frauen sich bei diesen Themen engagieren und einsetzen und überlegen, wie man es besser machen kann im Land.
Im Ganzen ist die Frauenbewegung eine der erfolgreichsten Bewegungen, die es je gegeben hat. Das, finde ich, muss man ganz laut und deutlich sagen.
Heise: Wenn man noch mal guckt, immer noch mindestens 20 Prozent weniger verdienen Frauen als Männer in den 30 größten DAX-Unternehmen. Da wird keins für Frauen geführt, das heißt, da ist noch viel zu tun. Sie haben mal gesagt, neuer Feminismus wird eigentlich immer von allem nur noch mehr.
Bruns: Eben. Wenn er das nur will, dann ist er, finde ich, nicht glaubwürdig. Darum kann es nicht gehen. Feminismus ist kein Verteilungskampf in erster Linie. Ich sage mal das Beispiel dieser DAX-Posten. Es gibt jetzt bei den Grünen so eine Bewegung, wir wollen da rein und kann man das nicht auch quotieren. Da würde ich mich in keinem Fall anschließen. Da müssen sich, verdammt noch mal, die DAX-Unternehmen ändern, damit Frauen da auch arbeiten können. Das ist eine eisige Luft, eine kalte und Ellenbogenatmosphäre. Ich möchte da nicht hin.
Heise: Bringen Frauen eine andere Luft mit?
Bruns: Ja, doch schon. Ich glaube schon, dass die Büros und die Etatführungsetagen sich ändern, wenn das weibliche Element, etwas pathetisch gesagt, da reinkommt. Man kann es ja materieller sagen. Wenn Frauen da reinkommen, die zu tun haben mit Kindern, die Kinder aufziehen müssen, die gucken müssen, wie sie das alles ausbalancieren, ein Paradiesweg ist das natürlich nicht. Wir kennen auch Frauen, ich kenne auch Frauen, die das Ellenbogenmodell kopieren und dasselbe machen, meist noch schlimmer als die männlichen Chefs.
Heise: Die werden dann immer als Beispiele genommen. Seht ihr, erst mal ändert sich doch gar nichts, wenn Frauen an der Spitze sind.
Bruns: Wir sind nicht per se die besseren Menschen. Aber da wir eine bestimmte Unterdrückungserfahrung mitbringen, haben wir ein Auge dafür, so würde ich mal sagen. Und wenn jemand sein Leben nicht nur für sich selbst, sondern ein bisschen immer auch für andere lebt, dann kann er daraus was machen.
Heise: Sie sagen, Frauen sind durch die Eroberung neuer Rollen und Positionen auch ungleicher geworden. Hat ein Begriff wie Feminismus, der ja immer irgendwie so eine Gleichheit da irgendwie versucht drüber zu gießen, hat der eigentlich noch eine Berechtigung?
Bruns: Der Begriff ist wahrscheinlich belegt durch das, was er ursprünglich war oder in den 70er- und 80er-Jahren war. Und immer, wenn man versucht, dem Begriff nachzugehen, dann kommt man nicht sehr weit, dann grenzt man sich eben von Alice Schwarzer ab.
Vielleicht sollte mal jemand drüber nachdenken, dafür was Neues zu finden, wie man über junge Frauen und junge Mädchen heute nachdenkt und immer daran denken, dass es nicht darum geht, mehr Posten, mehr Geld, zu kriegen, sondern vor allen Dingen darum: Freiheit. Das ist der eigentliche Schlüssel. Das ist es, was wir wollten. Emanzipation, unseren Weg selbst bestimmen, das ist der Kern der Sache.
Heise: Kann man eigentlich Alice Schwarzer ersetzen?
Bruns: Nein. Muss man auch nicht. Vielleicht als Chefredakteurin, aber nicht als Alice Schwarzer.
Heise: Ich sprach mit Tissy Bruns über Feminismus, die "Emma" und Alice Schwarzer und vor allem über die neue "Emma-Chefredakteurin", die sich Tissy Bruns vorstellen kann. Sie warf jetzt Julia Karnick, "Brigitte-Kolumnistin" in den Ring. Vielen Dank, Frau Bruns! Wir werden mal sehen, in den kommenden Tagen hören wir noch Bascha Mika, die Chefredakteurin der "taz" zum Beispiel dazu. Mal schauen, was die vorschlägt. Vielen Dank, Frau Bruns!