Wie Kindern Lust auf Süßigkeiten gemacht wird
08:03 Minuten
Jeden Tag sehen Kinder durchschnittlich 15 Werbespots für ungesunde Lebensmittel. Das kann sie stärker beeinflussen als das Vorbild der Eltern. Der Marketingexperte Jan Schwarzbach weiß, welche Mechanismen Werbung nutzt, um Kinder zu verführen.
Fastfood, Süßigkeiten, Chips und Softdrinks. Ein Kind von drei bis dreizehn Jahren sieht in Deutschland durchschnittlich pro Tag 15 Werbespots für ungesundes Essen. Davon entfallen fünf auf das Internet und zehn auf das Fernsehen. Die Zahlen sind alarmierend: Über zehn Milliarden Mal pro Jahr erreichen Werbepostings zu ungesunden Produkten in Deutschland Kinder, vor allem über Facebook.
Auf Youtube erfolgt die Werbung für Ungesundes zu zwei Dritteln durch Influencer. Tobias Effertz von der Universität Hamburg über die beliebten Strategien: "Wir haben unterschiedlichste Settings, Situationen, in denen die Influencer hier tätig werden. Also Unboxing gibt es da als einen Bereich. Wettbewerbe, ich hab hier aufgeführt 24 Stunden Chips essen. Alle Produkte bei einem Fast-Food-Restaurant einmal durchbestellen und essen. Das sind so kleine Spielchen, Wettbewerbe im Alltag."
Was bringt ein Werbeverbot?
Ein gesetzlich verankertes Werbeverbot fordert deshalb das "Wissenschaftsbündnis Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten", der AOK-Bundesverband und auch die WHO, die diese Studie mitfinanziert haben.
Maja Göpel, deutsche Politökonomin und Nachhaltigkeitswissenschaftlerin, ist skeptisch. Ein Werbeverbot würde nur am kleinsten Symptom rumdoktern:
"Die eigentlich interessante Frage haben wir ja auch in anderen Kontexten. Mit der Rauchgeschichte, ohne dass ich das jetzt empirisch nachgeforscht hätte, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass es diese fürchterlichen Bilder auf den Zigarettenpackungen gewesen sind, sondern eben eher viele der öffentlichen Räume, wo Geselligkeit stattfindet, werden jetzt rauchfrei. Mit dazu, die Psychologie kann es bestätigen, dass die Schüssel Chips auf dem Tisch, wenn ich sie riesig mache, da ist die Chance natürlich auch viel größer, als wenn ich sie klein mache."
Einflussreicher als das Vorbild der Eltern
Dennoch: Durchschnittlich 92 Prozent der Lebensmittelwerbung, die Kinder in Internet und TV wahrnehmen, beziehen sich auf ungesunde Produkte. Hans Hauner, Vorsitzender der Deutschen Diabetes Stiftung sagt, es gebe Nachweise, dass Werbung sogar stärker wirken kann als ein gutes Vorbild der Eltern.
Also: wie raus aus den Fängen der Werbestrategen? "Wenn die Werbung dazu führt, dass Kinder verführt werden, ungesunde Lebensmittel zu sich zu nehmen, dann kann ich nur unterstützen, wenn wir da eingreifen", sagt der Marketing- und Markenexperte Jan Schwarzbach. Der Unternehmer klärt in Schulen über Psychologie und Manipulation im Marketing auf.
Ein Werbeverbot kann Schwarzbach sich nur für ungesunde Lebensmittel, die mit aggressiven Maßnahmen an Kinder vermarktet werden, vorstellen. Auch andere Maßnahmen, etwa Aufklärung über gesunde Ernährung und Informationen auf den Verpackungen von Produkten, hält er für bedenkenswert.
Verführung mit Helden der Kinder
Werbung stelle nicht die funktionellen Aspekte beispielsweise eines Schokoriegels in den Mittelpunkt, betont Schwarzbach. Sie ziele darauf ab, Emotionen anzusprechen, adressiere Wünsche der umworbenen Kinder.
"Kinder lernen sehr stark durch Nachahmung, sie identifizieren sich sehr stark mit Idolen", so Schwarzbach. Diesen Mechanismus könne die Werbung nutzen. Entweder, indem sie neue Idole schaffe oder indem sie bereits prominente Helden der Kinder nutze: "Da wundert es einen nicht, dass das Sandmännchen bei Käsesternen zum Einsatz kommt oder die Micky Maus beim Joghurt."
Durch Sponsoring, beispielsweise im Sport, werde zudem versucht, Assoziationen zu übertragen, die mit einem Schokoriegel oder Fast Food verbunden werden sollen.
(bt/jfr)