Werke eines großen serbischen Autors

Miloš Crnjanski gilt als einer der größten serbischen Autoren des 20. Jahrhunderts - "Ithaka und Kommentare" liest sich wie eine eindrucksvolle Autobiografie. Mit "Iris Berlina" schreibt er eine Reportage über das dunkle, ressentimentgeladene Deutschland.
Der Titel des Buches führt in die Irre. "Ithaka und Kommentare" lässt an ein Werk mit Erläuterungen denken, eine Angelegenheit für Spezialisten also. Doch in der deutschen Übersetzung fehlt, genehmigt noch vom Verfasser Miloš Crnjanski (1893-1977), ausgerechnet das Werk – nämlich die Gedichte, die der serbische Autor 1919 unter dem Titel "Ithaka" vorgelegt hatte.

Enthalten sind nur die Kommentare zu einer Auswahl aus "Ithaka", angefertigt in den späten Fünfzigern für eine Wiederveröffentlichung. Die aber lesen sich wie eine eindrucksvolle Autobiografie, schildern faszinierend die letzten Jahre des untergehenden habsburgischen Reiches, das Grauen des Ersten Weltkriegs und die patriotische Begeisterung im entstehenden Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen.

Wie die meisten Autobiografien beginnen auch die Kommentare von Crnjanski mit den Vorfahren. Doch er verabschiedet sie nach sieben unterhaltsamen Seiten kurzerhand: "Ich war immer mein eigener Vorfahre." Crnjanski, von Peter Urban in ein manchmal mündlich, manchmal umständlich wirkendes Deutsch voller Kommata übertragen, erzählt zupackend, ironisch, lakonisch und sarkastisch. Der Mann ist überzeugt von sich: "Ich konstatiere einfach die Fakten, der Leser wird sehen, warum." Aber ungeachtet dieser neusachlichen oder "faktografischen" Attitüde montiert Crnjanski Persönliches und Historisches zu starken, holzschnittartigen Bildern.

Crnjanski wächst im damals österreichischen und heute rumänischen Temeswar auf und erlebt die nationalen Streitigkeiten in der k.u.k.-Monarchie. Nach Monaten bitterer Armut unter Fischern und Arbeitern studiert der Sohn einer mittellosen Witwe in Wien, wo er nach wenigen Monaten mobilisiert wird. Als österreichischer Soldat soll der gebürtige Serbe gegen Serbien kämpfen, erkrankt jedoch wie das Ganze Bataillon an Cholera. Crnjanski überlebt diese und viele weitere Todesgefahren durch unglaubliches Glück, das er bald "Komödiant Zufall" nennt. Schlachten beschreibt er nicht. "Ich sage nur, wir sind im Blut gewatet ( ... ), jeden Tag, bis in den Herbst." Es folgen dann aber doch noch außerordentlich plastische Details des Großen Schlachtens.

Crnjanski hasst als Serbe die Österreicher, kämpft aber für sie. Er wird Zeuge, wie hilflos das Imperium untergeht. Nach dem Krieg ist er wieder bitterarm, publiziert Gedichte, ärgert sich über die Kritiker und geht nach Paris, dann nach Italien.

1928/9 ist er Kulturattaché seines Landes in Berlin und schreibt "Iris Berlina", eine mäandernde Reportage über das dunkle, ressentimentgeladene Deutschland und das "amerikanisierte, saubere und rationale" Berlin. Crnjanski vermisst an der Spree Ruhe, Konzentration, Sehnsucht nach Schönheit.

Extrem nationalistische Ansichten zwingen ihn in den Dreißigerjahren für drei Jahrzehnte ins Exil, zuletzt nach London. Dort schreibt er sein Leben entlang den "Ithaka"-Gedichten auf und präsentiert sich trotz des Dienstes in der österreichischen Armee als exemplarischer Serbe. Der Lohn ist die Rückkehr nach Belgrad 1965.

Besprochen von Jörg Plath

Miloš Crnjanski: Ithaka und Kommentare
Aus dem Serbischen und mit einem Nachwort von Peter Urban
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011,
240 Seiten, 14 Euro

Miloš Crnjanski: Iris Berlina
Aus dem Serbischen von Mirjana und Klaus Wittmann
Leipziger Literaturverlag
Leipzig 2011, 100 Seiten, 16,95 Euro