Werke im XXL-Format

Von Günter Beyer |
Schon aufgrund der Dimensionen werden die Werke des österreichischen Bildhauers Bruno Gironcoli nur selten außerhalb von Österreich gezeigt. Seine großformatigen Arbeiten schaffen den Spagat zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion. Elf seiner Skulpturen sind nun im Gerhard Marcks Haus in Bremen zu sehen.
Wenn in Österreichs Museen Wände herausgebrochen oder Dächer abgenommen werden, könnte es sein, dass man gerade eine Ausstellung des Bildhauers Bruno Gironcoli vorbereitet. Die raumgreifenden Arbeiten des in Wien lebenden, 70-jährigen Künstlers passen nicht ohne weiteres in die meisten Kunsttempel. Die Sperrigkeit der voluminösen Arbeiten könnte auch ein Grund sein, dass sie selten auf Reisen gehen und außerhalb der Alpenrepublik kaum zu sehen sind. In Bremen findet nun die erste Museumspräsentation in Deutschland statt.

"Ich hab ne Ausstellung gesehen von seinem Werk im Museum für Angewandte Kunst in Wien und war begeistert..."

... schwärmt Arie Hartog, Kustos am Gerhard Marcks Haus, in dem elf von Gironcolis Arbeiten gezeigt werden.

"Gironcoli ist der Beweis dafür, dass man immer noch Bildhauerei machen kann, ohne konservativ auf die Figur zurückgreifen zu müssen. Denn wir kennen das ja, dass in den 80er Jahren auf einmal alle möglichen Leute wieder anfangen, Bildhauerei zu machen. Aber was tun sie? Sie greifen letztendlich auf ältere Konzepte, nämlich des stehenden oder sitzenden, liegenden Menschen zurück. Gibt es aber eine Alternative, jenseits aber auch von einer rein abstrakten Bildhauerei? Dann schaut man sich Gironcoli an und denkt sich: Ja, das geht, das gibt eine. Die ist sehr persönlich, aber es ist eine Alternative."

Bruno Gironcoli, 1936 in Villach geboren, lässt sich zunächst als Goldschmied und Gürtler ausbilden. Dann studiert er Malerei an der Wiener Akademie für Angewandte Kunst. Sein Interesse gilt der französischen Moderne, Alberto Giacometti und dem "Actionpainting" des US-Amerikaners Jackson Pollock. Er mag Sartre und Beckett und verfolgt die anarchischen Kunst-Happenings und Performances der wilden Wiener Szene der 60er Jahre. Allerdings, erinnert sich der schwer kranke Künstler in Bremen, fühlte er sich damals stärker von einem Kunstbegriff angezogen, der zur selben Zeit in Deutschland Furore machte.

"Wenn man die Aufführungen von Beuys vergleicht, sind die relativ trocken und auf die Sache ausgerichtet und nicht so schmalzig und barock, wie das Wienerische es gezeigt hat, das Österreichische."

Bruno Gironcolis frühe Arbeiten sind Installationen - etwa die Material-Assemblage "Säule mit Totenkopf" aus den 60er Jahren. Neben Fundsachen aus der Alltagswelt stellt Gironcoli vom ihm selbst gefertigte Formen ohne jeglichen Gebrauchscharakter, aber auch Kultschalen mit Hakenkreuzen. Zur selben Zeit entstand die raumfüllende Installation "Mutter/Vater". Der Phantasie entsprungene, phantastisch geformte Körper aus Holz und Kupfer einerseits, scheinbar funktionale Apparaturen und kleine Kästchen andererseits machen den bizarren Reiz dieser unbrauchbaren Maschine aus. Dutzende von Steckdosen und kleine Seilzüge suggerieren, das monströse Gebilde ließe sich mit elektrischem Strom in Bewegung setzen. Elektrizität, sagt der Künstler, sei für ihn immer eine Metapher für Sexualität. Aber Bruno Gironcoli konstruiert keine kinetischen Skulpturen à la Jean Tinguely. Seine Monstermaschinen bewegen sich keinen Deut und sind stumm. Sie stoßen die Betrachter in ein Niemandsland zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, in dem eigene Gesetze gelten. Kurator Arie Hartog:

"Dadurch entsteht etwas höchst Eigentümliches, dass nämlich Gironcoli der einzige Bildhauer sein dürfte, der es geschafft hat, Erkennbares und Nichterkennbares auf eine visuell und erfahrungsmäßig gleichen Ebene zu kriegen."

In den Siebziger Jahren wendet sich Gironcoli dem Kunstwerk in einem Guß zu, der Skulptur. Die Objekt-Installationen und Material-Assemblagen erscheinen ihm nun als willkürlich. Er bevorzugt glatte, in Aluguss kalt schimmernde Oberflächen und Kunststoffe, kombiniert an Bekanntes erinnernde Formen mit Phantasieformen. 1977 übernimmt er die Nachfolge des Bildhauerei-Professors Fritz Wotruba an der Wiener Akademie.

"Alle haben damals gedacht, dass Alfred Hrdlicka diese Professur bekommen würde, der hat vorher Österreich schon mal auf der Biennale vertreten. Und jetzt wurde auf einmal ein Künstler, der nicht Figur in Stein haut, sondern so Polyesterteile in den Raum legt, Bildhauerprofessor. Ein Künstler, der sich mit Video beschäftigt hatte. Ein Künstler, die die ganze Frage des Designs sich auseinandersetzt hatte. Das wurde in Wien schon als ein sehr radikaler Bruch gesehen, weil die Akademie ja doch ein sehr verstaubtes Imago hatte."

Die komfortable Position eines Lehrstuhls bestärkt Bruno Gironcoli darin, mit den großen Formaten fortzufahren.

"Die Entwicklung zur Größe war meine soziale Entwicklung auch gleichzeitig. Ich habe immer mehr größere Räume geschenkt bekommen, um darin zu arbeiten. Und diese immer größer werdenden Arbeitsräumlichkeiten haben dazu mich verführt, die Dinge so groß zu betreiben, wie es nur möglich ist."

"Big is beautiful" als Credo zeitgenössischer Bildhauerei? Jedenfalls nimmt das größte, golden glänzende Exponat dem Betracher den Atem. Hinter dem Titel " Figur des Ungeborenen" verbirgt sich eine Art Wäschemangel im XXL-Format, deren Walzen jedem Opfer, das durch diese kafkaeske Maschine gedreht wird, ein alpines Edelweißmotiv auf den Körper pressen. Überhaupt, mit zunehmendem Alter wird das Oeuvre Gironcolis nicht gemütlicher, wenn etwa Aluminiumflammen im Oval um einen kleinen Körper züngeln. "Brennendes Kind", heißt die Arbeit aus dem Jahre 2004.