Wertstoffgesetz

Streit um Abfallentsorgung: Privat oder Kommunen?

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Gelbe Säcke stehen an einem Grundstück zur Abholung bereit am 11.03.2014 in Sieversdorf (Brandenburg). Weil immer häufiger von Herstellern nicht bezahlte Verpackungsabfälle in der gelben Tonne oder dem gelben Sack landen, ist eine Reform geplant. Foto: Pa © picture-alliance / dpa / Patrick Pleul
Stefan Gäth im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 29.01.2016
In kaum einem Land wird so über Mülltrennung gestritten wie in Deutschland. Jetzt soll das System wieder reformiert werden. Stefan Gäth, Experte für Abfall- und Ressourcenmanagement, erklärt, wie man richtig trennt und wer die Verantwortung für die Entsorgung tragen sollte.
Für Stefan Gäth, Professor für Abfall- und Ressourcenmanagement an der Universität Gießen, kommt es dabei vor allem darauf an, dass künftig gleiches Material in die gleiche Tonne kommt.
"Wir denken im Augenblick nach Funktion und nicht nach Material", kritisiert Gäth. Denn die Gelbe Tonne ist nur für Verpackungen zuständig. Mit dem Ergebnis, dass ein Joghurtbecher und ein Legostein in unterschiedliche Mülltonnen gehörten, obwohl sie aus dem gleichen Material bestehen: "Daran müssen wir arbeiten."
Befürchtung, dass Kommunen die Wertstoffe verbrennen statt recyceln
Hinzu kommen unterschiedliche Zuständigkeiten: "Gegenwärtig sind für die Restmülltonnen die Kommunen zuständig und für den Gelben Sack die Privaten." Einem Entwurf für ein Wertstoffgesetz von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zufolge soll das künftig auch so bleiben, während eine Bundesratsinitiative von fünf rot-grün regierten Ländern die Wertstoffsammlung und -verwertung den Kommunen übertragen will.
"Es muss derjenige den Zuschlag kriegen, der in der Tat für eine hochwertige Verwertung, nämlich eine Wiederverwendung der Kunststoffe beispielsweise Sorge trägt", sagt Gäth.
"Das kann in erster Linie eher die Privatwirtschaft machen meines Erachtens als die Kommunalen. Allerdings gibt es auch in kommunaler Hand Sortieranlagen, also auch Potenziale. Die Sorge, die viele Menschen haben in der Entsorgungswirtshaft, ist die, dass die Kommunalen aufgrund schlechter Auslastung von Müllverbrennungsanlagen dann eher Kunststoffe nicht verwerten in Form von Kunststoff zu Kunststoff, sondern Kunststoff zu Energie. Und daran sollten wir denken, und das darf nicht passieren."

Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Es gibt so ein paar Dinge, die sollte man als integrationswilliger Ausländer in Deutschland ganz schnell lernen. Das Wichtigste: Müll trennen. Alles andere kann warten. Nur, wenn wir ehrlich sind: Den Müll richtig zu trennen, das kann auch den engagiertesten Bio- und Ökodeutschen an die Grenze des Wahnsinns bringen. Plastik als Verpackung gehört in die Wertstofftonne, ein Blumentopf aber, auch aus Plastik zum Beispiel, nicht. Warum? Tja, gute Frage! Es gibt aber auch eine politische Dimension bei diesem Thema, die Sortierung der Müllfragen im großen Stil nämlich, verkürzt gesagt darum, wer den Recycling-Müll abholt. Weiter wie bisher die Privatwirtschaft oder künftig die Kommunen? Über eine entsprechende Initiative grüner Umweltminister aus den Ländern verhandelt heute der Bundesrat, Müll zurück in die öffentliche Hand, das ist die Idee.
((Bericht))
Das Geschäft mit dem Müll, Thema im Bundesrat, Thema weiter bei uns im Gespräch mit Stefan Gäth. Er ist Professor für Abfall- und Ressourcenmanagement an der Universität Gießen. Guten Morgen!
Stefan Gäth: Einen wunderschönen guten Morgen!
40 Prozent des Mülls landet in der falschen Tonne
Frenzel: Herr Gäth, bevor wir ins Detail dieser Gesetze gehen: Eine Zahl hat mich erschreckt, die sogenannte Fehlwurfquote – wunderbares Wort! 40 Prozent, so viel Müll schmeißen wir alle in die falsche Tonne. Ist das alleine nicht eine Bankrotterklärung des derzeitigen Sammelsystems?
Gäth: Das kann man nicht so pauschalisieren, das hängt ab von der Abfallfraktion natürlich.
Frenzel: Abfallfraktion?
Gäth: Ja, wenn wir zum Beispiel an das Papier denken, das wird fast sortenrein von den Bürgerinnen und Bürgern in die entsprechenden Gefäße gesammelt. Wir reden hier von Wertstoffen, die in die Restmülltonne landen. Und daran müssen wir arbeiten. Das heißt, dass wir Wertstoffe nicht einfach verbrennen, als Restabfall betrachten, sondern als Wertstoff.
Der Joghurtbecher und der Lego-Stein dürfen nicht in die gleiche Tonne
Frenzel: Aber wie kann man das denn übersichtlicher machen für den Verbraucher? Ich hatte ja gerade dieses Beispiel mit dem Blumentopf und der Plastikverpackung einerseits ...
Gäth: Ja, das Problem ist, dass wir historisch gesehen, seitdem wir die Verpackungsverordnung haben, uns nur um die Verpackung gekümmert haben. Obwohl eine stoffgleiche Nichtverpackung ... ein Unwort an sich, das heißt, es geht um ein materialgleiches Gemisch einmal als Verpackung und einmal als Nichtverpackung. Ich lasse es noch mal deutlicher werden: Es könnte ein Joghurtbecher sein aus dem gleichen Kunststoff, es kann aber auch ein Bobby Car sein oder ein Lego-Stein aus dem gleichen Kunststoff. Beide müssten in verschiedene Systeme gegenwärtig entsorgt werden. Und daran müssen wir arbeiten.
Frenzel: Und das liegt ja wahrscheinlich daran, dass wir zwei verschiedene Systeme haben, einerseits die Kommunen, die holen die schwarze Tonne ab, und dann eben die Privatwirtschaft, das duale System, die die gelben Säcke oder gelben Tonnen abholen mit dem ehemals grünen Punkt drin, den es ja so auch nicht mehr gibt. Ist das dann nicht das Grundproblem, dass wir da zwei verschiedene Systeme nebeneinander haben?
Gäth: Ganz genau. Wir denken im Augenblick nach Funktion und nicht nach Material. Funktion meint einmal eine Verpackung und einmal eine Nichtverpackung. Und für die Nichtverpackung, die aber gleichermaßen wertvolles Material enthalten kann, den Lego-Stein, den bringen wir in die Restmülltonne und verbrennen ihn einfach. Obwohl er wirklich hochwertig verwertet werden könnte.
Die Privatwirtschaft kann es besser als die Kommunen
Frenzel: Aber das heißt, das ist dann also eine gute Idee, alles in eine Hand zu geben, so wie die Grünen das im Bundesrat vorschlagen, die rot-grün regierten Länder, alles in kommunale Hand? Dann haben wir nur noch ein System?
Gäth: Nein, es geht erst mal darum, dass wir die gleichen Stoffe, die gleichen Funktionsträger sozusagen in eine Tonne bringen. Das heißt, eine Wertstofftonne schaffen. Gegenwärtig haben wir sie nicht, weil, die gelbe Tonne, der gelbe Sack ist nur für Verpackung zuständig von der Definition her. Das heißt, wir brauchen erst mal eine Tonne für sämtliche Kunststoffe, für sämtliche Wertstoffe, egal ob Verpackung oder nicht Verpackung, das ist das Erste. Ihre zweite Frage, die ist natürlich dann wichtig, wer ist dafür zuständig. Gegenwärtig sind für die Restmülltonnen die Kommunen zuständig und für den gelben Sack die privaten. Hier brennt der Streit auf.
Frenzel: Und was sagen Sie in diesem Streit, wer sollte da den Zuschlag kriegen?
Gäth: Es muss derjenige den Zuschlag kriegen, der in der Tat für eine hochwertige Verwertung, nämlich also eine Wiederverwendung der Kunststoffe beispielsweise Sorge trägt. Das kann in erster Linie eher die Privatwirtschaft machen meines Erachtens als die Kommunalen. Allerdings gibt es auch in kommunaler Hand Sortieranlagen, also Potenziale. Die Sorge, die viele Menschen haben in der Entsorgungswirtschaft, ist die, dass die Kommunalen aufgrund schlechter Auslastung von Müllverbrennungsanlagen dann eher Kunststoffe nicht verwerten in Form von Kunststoff zu Kunststoff, sondern Kunststoff zu Energie. Und daran sollten wir denken und das darf nicht passieren.
Rückläufiger Anteil der Mehrwegsysteme
Frenzel: Eigentlich müssten wir doch insgesamt das Interesse haben, weniger Müll zu verursachen. Sie sagen jetzt, die Kommunen haben offenbar kein Interesse daran, weil sie ihre Anlagen auslasten müssen. Private Müllanbieter haben ja auch kein Interesse daran, dass die Müllmenge sinkt, dann haben sie ja auch weniger Geschäft. Ist das nicht ein Grundproblem des gesamten Müllsystems?
Gäth: Grundsätzlich ja. Wobei ich immer diese Statistiken nicht unmittelbar mag, wenn ich mich vergleiche mit anderen europäischen Ländern. Viel Müll bedeutet auch, viele Systeme zu haben, um überhaupt Abfall zu sammeln. Also, viel spezifisches Müllaufkommen ist noch nicht negativ per se. Aber Sie haben recht, wir sollten anfangen, stärker in Recycling-Systeme zu denken, in Reuse-Systeme zu denken, das heißt in die Wiederverwendung hineinzuinvestieren. Nicht erst Abfall entstehen zu lassen, sondern in der Tat den Rohstoff aus einer hohen Wertschöpfungskette wiederzuverwenden.
Frenzel: Aber da geht ja die Richtung eigentlich gerade komplett falsch herum los. Wir haben immer weniger Pfandsystem, also das klassische Pfandsystem, dass man die Flaschen zurückbringt.
Gäth: Da haben Sie völlig recht und in der Tat ist es so, dass große Getränkeabfüller mittlerweile verstärkt in die Einwegsysteme investieren und die Mehrwegsysteme eher zurückfahren. Eine schlechte Entwicklung meines Erachtens.
Wir brauchen materialorientierte Konzepte
Frenzel: Und ruft das nicht nach einer politischen Regulierung, also die sich nicht darum schert zu fragen, wer holt den Müll ab, sondern die sich darum schert, wir wollen weniger Müll haben?
Gäth: Ja, beziehungsweise ... Ich gebe Ihnen recht, beziehungsweise auch gleichermaßen fragt: Was ist überhaupt in dem Abfall enthalten, also in dem Produkt? Wie ist die Verpackung aufgebaut? Eine Verpackung aus Kunststoff besteht ja schlussendlich aus Wertstoffen, die ölbasiert sind. Und einen ölbasierten Kunststoff wiederzuverwenden ist viel besser als ihn zu verbrennen. Ich verbrenne damit nämlich Energie, die darin gespeichert ist. Hier Konzepte zu schaffen, die sozusagen auf der Wertschöpfungsstufe des Stoffes, des Materials ansetzt, das ist meines Erachtens eine wichtige Voraussetzung.
Frenzel: Sagt Professor Stefan Gäth von der Universität Gießen. Gehört das duale System in die Tonne? Die Antwort darauf ist etwas komplexer. Vielen Dank für das Gespräch!
Gäth: Ja, bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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