Zu dick aufgetragen
In Salzburg wird "Romeo und Julia" kurzerhand in die "West Side Story" verlegt, Cecilia Bartoli steht als Maria auf der Bühne - das hätte gelingen können, wirkt am Ende aber leider heillos überfrachtet.
Festspielintendantin und Primadonna Cecilia Bartoli hat im Shakespeare-Jahr das Motto "Romeo und Julia" für ihre Salzburger Pfingstfestspiele gewählt. Zusammen mit dem amerikanischen Regisseur Philip McKinley bricht sie eine Lanze für Bernsteins Musical "West-Side Story" als moderner Adaption des Stoffes und lässt sich selber als gealterte Maria in das Stück integrieren.
Sie erinnert sich in einem kurzen Prolog an ihre tragische Jugendliebe zu Tony und streift durch die mit Graffiti beschmierten Gassen der Felsenreitschule. Mit Michelle Ventimiglia hat die Bartoli allerdings eine derart ausdrucksstarke junge Doppelgängerin auf der Bühne, dass man den schwarzen singenden Schatten der Bartoli schon von Anfang an in der Geschichte als störend empfindet. Warum darf diese wunderbare junge Maria nicht singen? Weil hier eine großartige Opernsängerin mit viel Erfahrung im Barock- und Rossinifach auf der Bühne stehen möchte?
Wenn Du nur etwas mehr geschwiegen hättest...
Es ist nicht so, dass der Musicalgesang der Stimme der Bartoli so ausnehmend gut steht. Ja, sie zaubert zusammen mit dem schön klingenden Tenor von Norman Reinhardt in beachtlichen Piani, optimal unterstützt von Gustavo Dudamel und seinem Simón Bolívar Symphony Orchestra im Graben. Trotzdem: All ihre Gesangsnummern fallen aus dem eigentlich stimmigen Rahmen. Große dramatische Ausbrüche wie in "Somewhere", das die Bartoli umtanzt vom großen Erinnerungsballett bühnenmittig schluchzend präsentiert, wirken zu dick aufgetragen in der ohnehin schon emotionsgeladenen Handlung.
Die großartige Anita der Karen Olivo hat das beispielsweise nicht nötig und packt einen im Rahmen ihrer Rolle stärker. Gustavo Dudamel meistert souverän mit dem hervorragenden Sounddesign die Riesenaufgabe der perfekten Koordination und bringt alle Facetten der musikalischen Stimmung von fetzig-jazzig bis hochromantisch-ergreifend zum Klingen. Das riesige amerikanische Ensemble aus exzellenten Tänzern und Musicalsängern liefert Broadway at its best – und das hätte eigentlich genügt, um zu zeigen, dass Salzburg auch Musical verträgt.
Am Ende wirft sich Cecilia-Maria vor die U-Bahn und ist endlich mit ihrem Tony vereint und die Erinnerungsklammer schließt sich doppelt tragisch. Ein ergreifender Abend ist es auch mit diesem Konzept der zwei Marias. Wenn Du nur etwas mehr geschwiegen hättest, Cecilia - das hätte wahre Größe gehabt.