Bette Westera & Sylvia Weve: "Was macht das Licht, wenn es dunkel wird? Fragen, die nach einem Vers verlangen"
Übersetzt aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf
Rieder Verlag, München 2019
80 Seiten, 19,90 Euro
ab 8 Jahren
Henne und Ei, Raum und Zeit
05:18 Minuten
„War die Erde früher flach?“, “Wann fängt etwas an?“, „Woher kommen die Menschen?“ Kinder fragen und Erwachsene antworten. Hier in Reimen und Bildern. Eine fantasievolle Reise ins Land der Philosophie.
Ja, was macht das Licht, wenn es dunkel wird? Eine Kinderfrage, die sich kaum beantworten lässt, will man das Kind (und sich selbst) nicht mit physikalischen Erklärungen überfordern. Aber für Fragen dieser Art gibt es ja auch andere Antworten als die rein wissenschaftlichen - philosophische, literarische oder künstlerische etwa. Und genau solche Antworten auf die vielen hier versammelten Kinderfragen gibt das bekannte Künstler-Duo in seinem neusten Bild- und Gedichtband.
Immer eine Frage der Perspektive
"Der Tag liegt wach/unter einen blauen Decke/aus Sonne und Wolken./Dann zieht die Dämmerung die Decke weg/und du blickst gradewegs ins Weltall./Die Nacht schläft/unter dem bloßen Himmel."
So lautet dann auch Bette Westera poetische Antwort, auf die Frage nach dem Licht. Gekonnt spielt sie dabei mit der gängigen Vorstellung eines Kindes über Tag und Nacht: Nicht die Nacht verdunkelt die Sonne "mit einer Wolkendecke", sondern die Sonne die Nacht. Eine schöne Idee, zeigt sie doch, dass es bei Antworten immer eine Frage der Perspektive ist.
Sylvia Weve hat dazu eine Komposition aus verschiedenen Blautönen gemalt, zart und klar, leicht und intensiv zugleich. Und so funktioniert dieser ganze Band, der kein einfaches "Bilderbuch" ist. 35 Fragen sind hier versammelt: "War die Erde früher flach?", "Wann fängt etwas an?", "Wo bleibt die Zeit", "Woher kommen die Menschen?" oder "Wie wäre es, wenn es die Zeit nicht gäbe?"
Philosophische, kluge, neugierige und witzige Fragen, die leicht oder schwierig zu beantworten sind – und manchmal auch gar nicht. Und die gerade deswegen zum Nach- und Weiterdenken anregen, zum Gespräch und auch zum Lachen.
Zu jeder Frage ein Reim, zu jedem Reim ein Bild
Bette Westeras Gedichte geben - mal gereimt, mal ohne Reim - nur selten klare Antworten. Lieber geben sie die Frage zurück, spielen mit ihr, drehen sie um, malen Bilder, machen einen Witz, entwickeln kleine Geschichten oder eröffnen einen anderen Aspekt. Manche verweigern bewusst die Antwort, wie der Spaß-Dialog zwischen Huhn und Ei darüber, wer von ihnen zuerst da war.
Und da viele Fragen sich um sehr komplexe Phänomene wie Zeit und Raum drehen, um Zukunft und Vergangenheit, Weltall und Unendlichkeit, demonstrieren auch die Gedichte, dass diese Fragen nur schwer konkret zu beantworten sind. Vielmehr kreisen sie jeweils um Frage oder Antwort "wie die Erde ewig um die eigene Achse".
So sind auch Sylvia Weves Bilder nicht als simple Antworten gedacht. In ganz unterschiedlichen Techniken und Stilen – Filzschreiber, Collage, Drucke, mal bunt und flächig, dann kritzelig-kindlich, mal abstrakt, dann wieder naiv-konkret – illustrieren sie die Gedichtmotive. Mit dem jeweiligen Gedicht zusammen bilden sie pro Doppelseite eine immer wieder neu komponierte optische Einheit.
Hier ist eine Könnerin am Werk, die jeden Ball aufgreift, den die Gedichte ihr zuwerfen, ihn mal zurückwirft, in die Sphären der Phantasie hochkatapultiert oder einfach gekonnt witzig aufprallen lässt. Jede Text-Bild-Kombination hat ihren eigenen, lebendigen Reiz: Ein Buch zum Blättern, Lesen, Sich-Vertiefen. Nicht nur für Kinder.