Keine Anti-Terror-Allianz mit Assad
Die so genannte "breite Allianz" gegen den IS laufe auf einen Schulterschluss mit dem syrischen Diktator Assad hinaus, fürchtet der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel. Das sei umso dramatischer, als Assads Krieg schon jetzt von den schiitischen iranischen Revolutionsgarden dominiert werde.
Wenn der Bundestag über neue Bundeswehreinsätze gegen den selbsternannten Islamischen Staat debattiert, dann unter dem Motto: Wasch‘ mir den Pelz, aber mach‘ mich nicht nass. Man möchte zwar dabei sein, doch die Terror-Islamisten direkt am Boden bekämpfen, das will man nicht. Bei Aufklärungsflügen in der Luft ist das Risiko, einem Selbstmordattentäter zu begegnen, tatsächlich gering. Doch der Raketenbeschuss aus Distanz wird dem Feind zwar Schaden zufügen, ihn aber nicht beseitigen. Ein wirklicher Sieg über den IS ist ohne die enge Zusammenarbeit mit kurdischen und anderen muslimischen Bodentruppen ausgeschlossen. Jetzt aber riskiert der Westen, die Sympathien der sunnitischen Muslime in Syrien zu verspielen, die die große Mehrheit der noch verbliebenen Einwohner stellen.
Eine "breite Allianz" mit Diktator Assad?
Seit dem Blutbad von Paris setzt sich neben Frankreich gerade Deutschland für eine "möglichst breite globale Allianz" gegen den IS ein – ein lobenswertes Unterfangen, möchte man meinen. Und doch sind die Folgen, speziell für Syrien, fatal, läuft doch jene "breite Allianz" auf einen Schulterschluss mit dem schiitischen Diktator Bashar al-Assad und dessen militanten Freunden, Russland und Iran, hinaus.
Bislang galt dem Westen die Absetzung Assads als Voraussetzung, um die Syrienkrise zu lösen. Seit dem Angriff auf Paris ist es damit vorbei. Jetzt betont Berlin, dass nur noch der IS "der Feind in Syrien" sei. "Wir müssen jetzt alle zusammenbringen, die gegen ISIS sind", erklärte Außenminister Steinmeier und schloss Assads "syrische Armee" ausdrücklich mit ein.
Bislang galt dem Westen die Absetzung Assads als Voraussetzung, um die Syrienkrise zu lösen. Seit dem Angriff auf Paris ist es damit vorbei. Jetzt betont Berlin, dass nur noch der IS "der Feind in Syrien" sei. "Wir müssen jetzt alle zusammenbringen, die gegen ISIS sind", erklärte Außenminister Steinmeier und schloss Assads "syrische Armee" ausdrücklich mit ein.
Folter und Fassbomben
Diesen Schwenk hat der russische Bürgerrechtler und ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow zu Recht kritisiert: Würde der Westen zur Beilegung der Syrienkrise mit dem Iran, mit Putins Russland und dem Assad-Regime zusammengehen, sagt er, "so wäre dies in moralischer Hinsicht widerwärtig und strategisch eine Katastrophe."
"Moralisch widerwärtig?" In der Tat, wenn der Westen ernsthaft darüber diskutiert, einen Assad zum Partner zu nehmen, der mit Folter, Giftgas und Fassbomben jenen Konflikt noch befeuerte, der 250.000 Menschen das Leben gekostet hat; einen Assad, dessen Familie die Mehrheit der Syrer seit 1970 diktatorisch unterdrückt; einen Assad, der im vergangenen Jahr nur einen Bruchteil seiner Militärschläge auf den IS richtete, während weit über 90 Prozent seiner Angriffe jenen Aufständischen galten, die den IS bekämpfen.
"Moralisch widerwärtig?" In der Tat, wenn der Westen ernsthaft darüber diskutiert, einen Assad zum Partner zu nehmen, der mit Folter, Giftgas und Fassbomben jenen Konflikt noch befeuerte, der 250.000 Menschen das Leben gekostet hat; einen Assad, dessen Familie die Mehrheit der Syrer seit 1970 diktatorisch unterdrückt; einen Assad, der im vergangenen Jahr nur einen Bruchteil seiner Militärschläge auf den IS richtete, während weit über 90 Prozent seiner Angriffe jenen Aufständischen galten, die den IS bekämpfen.
Schulterschluss stärkt den Terror
Solch eine Politik wäre aber auch "strategisch katastrophal", wie uns Kasparow, der Schachspieler, erklärt: Schon jetzt wird Assads Krieg von den iranischen Revolutionsgarden kommandiert, die Schiiten aus zahllosen Ländern Asiens nach Syrien locken und ihren Befehlen unterstellen. Wer unter diesem Vorzeichen mit Assad eine Allianz gegen den IS eingeht, treibt die sunnitischen Araber, die sich auch im Irak von fanatisierten iranischen Schiiten bedrängt sehen, in die Arme des IS. Dieser ginge gestärkt aus der Auseinandersetzung hervor, der Terror, den der Westen einzudämmen sucht, nähme zu.
All das zeigt: Den Teufel gemeinsam mit dem Beelzebub auszutreiben, ist keine Option. Vielmehr müsste der Westen die moderaten Kräfte beider Lager schützen – die schiitischen Gegner Irans und die sunnitischen Gegner des IS –, sie stärken und bewaffnen. Und er müsste – heute mehr denn je! – die Werte der Aufklärung gegen die Putins, Khameneis und Assads dieser Welt verteidigen, anstatt sie in hektischen Reaktionen auf das Massaker von Paris aus dem Auge zu verlieren, ja gar preiszugeben. Zu den wichtigsten Waffen, um den jihadistischen Islamismus zu besiegen, zählen moralische Klarheit, Besonnenheit und Zeit.
All das zeigt: Den Teufel gemeinsam mit dem Beelzebub auszutreiben, ist keine Option. Vielmehr müsste der Westen die moderaten Kräfte beider Lager schützen – die schiitischen Gegner Irans und die sunnitischen Gegner des IS –, sie stärken und bewaffnen. Und er müsste – heute mehr denn je! – die Werte der Aufklärung gegen die Putins, Khameneis und Assads dieser Welt verteidigen, anstatt sie in hektischen Reaktionen auf das Massaker von Paris aus dem Auge zu verlieren, ja gar preiszugeben. Zu den wichtigsten Waffen, um den jihadistischen Islamismus zu besiegen, zählen moralische Klarheit, Besonnenheit und Zeit.
Matthias Küntzel, geboren 1955, ist Politikwissenschaftler, Pädagoge und Publizist in Hamburg. Sein Buch: "Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft" erschien 2009 im wjs-Verlag, Berlin. Er schreibt zu politischen Themen auf seiner Homepage.