Wettlauf um die Unterwasser-Schätze

Moderation: Joachim Scholl |
Wissenschaftler der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe starten jetzt von Singapur aus eine Expedition in den Indischen Ozean. Mit der Expedition sollen potenzielle Rohstoffe in der Tiefsee erkundet werden, erklärt der Meeresgeologe Ulrich Schwarz-Schampera.
Joachim Scholl: Im vergangenen Herbst wurde die deutsche Rohstoffagentur gegründet. Mit Sitz in Hannover ist sie Teil der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und laut eigener Definition die zentrale Informations- und Beratungsplattform zu mineralischen und Energierohstoffen für die deutsche Wirtschaft – und heute starten Wissenschaftler dieser Rohstoffagentur von Singapur aus eine Expedition in den Indischen Ozean, um potenzielle Rohstoffe in der Tiefsee zu erkunden.

An Bord des Schiffes "Sonne" ist auch der Meeresgeologe Ulrich Schwarz-Schampera, er leitet die Expedition und ist jetzt am Telefon, wir sind direkt auf dem Deck der "Sonne" mit ihm verbunden. Guten Tag nach Singapur!

Ulrich Schwarz-Schampera: Schönen guten Tag aus Singapur!

Scholl: Was hoffen Sie, im Meer zu finden?

Schwarz-Schampera: Ja, wir führen diese Expedition im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums durch und wir widmen uns der Frage, ob wir Buntmetallvorkommen untermeerisch auffinden können und explorieren dafür eine Meeresregion im zentralen Indischen Ozean.

Scholl: Was sind das genau für Metalle?

Schwarz-Schampera: Ja, bei den Metallen gibt es vorrangig Buntmetalle, sogenannte Buntmetalle, da geht es vor allem um Kupfer, um Zink, um Blei, aber auch die so wichtig gewordenen elektronischen Metalle, das umfasst Wismut, Tellur, Indium, Gallium, Germanium, all diese Metalle, die wir heute für Flachbildschirme, für Handys, für andere elektronische Anwendungen unbedingt brauchen, wo aber durchaus die Versorgung heute auch schon und auch in der Zukunft nicht unbedingt gesichert ist.

Scholl: Und wo genau befinden sich die Metalle im Meer?

Schwarz-Schampera: Die Metalle finden sich an sogenannten ozeanischen Spreizungszentren, das ist dort, wo zwei Platten auseinanderdriften, neue Gesteine sich bilden, und in diesem Bereich werden hydrothermale Lösungen frei. Hydrothermale Lösungen bestehen aus modifiziertem Meerwasser, Meerwasser, was eine Temperatur von 500 Grad erreicht hat, ein PH-Wert von zwei, sich zu einer aggressiven Säure verwandelt hat, und diese Säure löst Metalle aus dem Gestein heraus und transportiert sie zum Meeresboden.

Scholl: Und wie tief ist das unten?

Schwarz-Schampera: Wir arbeiten jetzt in einem Bereich, der etwa von 2500 Meter bis zu 3300 Meter reicht, das heißt, wir haben etwa drei Kilometer Wassersäule über dem Meeresboden und müssen entsprechend unsere Geräte so konfigurieren, dass die Geräte während des Einsatzes keinen Schaden nehmen.

Scholl: Also 3000 Meter, das ist wirklich Tiefsee. Wie schwer ist denn überhaupt, an diese Rohstoffe dann ranzukommen, wie gehen Sie dabei vor?

Schwarz-Schampera: Wir haben ganz wesentliche Geräte, die uns erst mal erlauben, eine Karte zu machen. Sie wissen vielleicht, dass erst etwa 0,1 Prozent des Meeresbodens überhaupt detailliert vermessen ist, das heißt, es gibt den berühmten Satz: Wir wissen mehr über die Rückseite des Mondes als über den Meeresboden. Das ist etwas plakativ ausgedrückt, aber gar nicht so verkehrt. Das heißt, wir machen eine Karte, einmal vom Schiff aus gucken wir: Wo gibt es Hügel, wo gibt es Täler, wo gibt es Anzeichen dafür, dass sich möglicherweise dieses Sulfid, Metallsulfidanreicherungen gebildet haben?

Dann setzen wir uns quasi eine Lupe vors Auge, gehen näher ran, vermessen den Meeresboden in etwa 30 Meter Höhe, sodass wir wirklich einen detaillierten Blick auf den Meeresboden haben und Vorkommen, wie wir sie seit den 80er-Jahren bereits kennen, damals ebenfalls durch deutsche Forscher gefunden und untersucht, versuchen wir, diese Vorkommen wieder zu identifizieren und zu beurteilen, ob dort ein Potenzial für eine große Metallanreicherung besteht.

Scholl: Das heißt, Sie sondieren das Gelände, um dann eine Empfehlung abzugeben, ob es sich eventuell lohnt, in diesen gewaltigen Tiefen dann diese Rohstoffe abzubauen. Das ist ja wahrscheinlich ein gigantischer Aufwand und hohe Kosten, die damit verbunden sind, oder? Lohnt sich das?

Schwarz-Schampera: Das ist letztlich das Ziel auch dieses Projektes. Wir haben vom Bundeswirtschaftsministerium über fünf Jahre insgesamt zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt bekommen, um diese Vorkommen in einer Voruntersuchung zu erkunden mit dem Ziel einer Beantragung einer Explorationslizenz bei der Internationalen Meeresbodenbehörde. Diese Behörde verwaltet den Meeresboden außerhalb der Hoheitsgebiete von Anrainerstaaten, die Weltengemeinschaft, und das Ziel ist, ein solches Gebiet als Explorationsgebiet für die Bundesrepublik Deutschland zu sichern.

Scholl: Rohstoffsuche in der Tiefsee, wir sind verbunden mit Ulrich Schwarz-Schampera in Singapur auf dem Forschungsschiff "Sonne". Bislang, Herr Schampera, haben Russland und China solche Lizenzen bekommen, also Ihre Forschung soll der Bundesregierung bei der Entscheidung über einen Antrag helfen. Wie lässt sich das abschätzen? Lohnt sich das für die Regierung? Diese Lizenzen sind ja auch nicht billig.

Schwarz-Schampera: Wir wissen natürlich, dass diese Erze, die wir heute am Meeresboden erkunden, die haben sich seit mindestens 3,2 Milliarden Jahren – eine unvorstellbar lange Zeit –, seit 3,2 Milliarden Jahren bilden sich diese Erze am Meeresboden. Heute bauen wir diese Erze an Land ab, das heißt, wir wissen: Diese Vorkommen können eine gewaltige Größe erreichen, haben sie auch immer wieder erreicht über die Erdgeschichte, und das Ziel ist jetzt, am aktiven Meeresboden diese Quellen der entsprechenden Größe auch zu erkunden. Das ist bisher nicht gelungen, einfach weil auch die Zeit dafür fehlte. Wir haben jetzt in den nächsten vier bis fünf Jahren etwa auch die Möglichkeit, immer wieder in den gleichen Gebieten genauer hinzugucken, mit neuen Technologien.

Scholl: Es läuft ja jetzt schon seit einigen Jahren ja ein Wettlauf um die Meere und natürlich auch um die Reichtümer der Meere, weil natürlich die oberirdischen Rohstoffressourcen zur Neige gehen. Werden die Meere ja nicht auch so etwas wie der neue koloniale Raum für die Rohstofferoberung?

Schwarz-Schampera: Das ist die Gefahr, aber davor steht eigentlich gerade die Internationale Meeresbodenbehörde, die halt den Meeresboden überwacht und auch die Lizenzen vergibt. Das heißt, jeder Antragssteller ist dazu gezwungen, ein Regelwerk, was den Naturschutz berücksichtigt, auch zu verwirklichen. Das heißt, wir haben in unserem Falle bereits bei der allerersten Fahrt Biologen an Bord, die uns helfen dabei, die Fauna von unten, die zum Teil auch noch unbekannt ist, zu identifizieren. Das heißt, wir tragen damit zu einem größeren Verständnis auch der Biologie, der biologischen Forschung bei, und gleichzeitig können wir uns ein Urteil darüber erlauben: Was besteht dort unten? Und natürlich ist das so, dass ein etwaiger Abbau, wofür zurzeit ein Regelwerk noch gar nicht existiert, dann entsprechend abgestellt werden kann, sobald ein isothermales Biotop betroffen sein könnte.

Scholl: Das sind ja die Sorgen, die man dann glaube ich automatisch hat, also wenn reiche Bodenschätze gefunden werden im Meer, dass sozusagen dann der Primat der Wirtschaft über den Primat der Ökologie siegt.

Schwarz-Schampera: Das wird als Gefahr gesehen, aber durch die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Internationalen Meeresbodenbehörde, die sehr dominiert wird eigentlich durch Biologen, durch sehr umweltbewusste Gruppen halt auch aus den einzelnen Mitgliedsländern, gewährleisten wir eigentlich, dass wir nach bester Praxis das Areal umweltverträglich untersuchen erst einmal, und dann auch entscheiden können, ob das ökologisch vertretbar ist, dort wirtschaftlich wirksam zu werden oder eben nicht.

Scholl: Ulrich Schwarz-Schampera live vom Deck der "Sonne" in Singapur. Wann stechen Sie genau in See?

Schwarz-Schampera: Das wird morgen früh um drei Uhr bei Ihnen in Mitteleuropa sein, hier ist es dann neun Uhr morgens und wir laufen hoffentlich, wie auch jetzt, bei strahlend blauem Himmel, aber auch 30 Grad Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit in See.

Scholl: Wir wünschen Ihnen jedenfalls gute Reise, kommen Sie gut hin und wieder heim. Ulrich Schwarz-Schampera war das vom Forschungsschiff "Sonne", heute startet die Rohstofferkundungsexpedition von Singapur aus. Alles Gute Ihnen!

Schwarz-Schampera: Vielen Dank!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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