Wettlesen für den Ruhm
Der Open Mike hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Art kleinem Bruder des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs in Klagenfurt entwickelt. Der Sieger kann auf eine Karriere als Schriftsteller hoffen. Der diesjährige Gewinner ist Johann Trupp, ein Lagerist, der seine Texte vor dem Wettbewerb noch nie öffentlich präsentiert hat.
Mit einem Text über kratzende Socken, Urin im Kinder-Schwimmbecken, pubertäre Sperma-Spiele und Grünkohl-geschwängerte Küchen hat Johann Trupp den Open Mike gewonnnen. 28 Jahre ist er alt, er hat zuvor noch nie an einem Literatur-Wettbewerb teilgenommen.
"Ja, das ist das erste Mal, dass ich überhaupt einen Text gesandt habe irgendwohin, und jetzt plötzlich habe ich zwei Blumensträuße gekriegt. Das ist sehr surreal."
Johann Trupp, der mit seinen Eltern als Jugendlicher aus Kirgisien nach Deutschland einwanderte, ist ein Gewinner, wie man ihn sich besser – prototypischer - nicht wünschen könnte: ein junges Talent, vom Literaturbetrieb völlig unbeleckt. In Berlin hat er zum ersten Mal öffentlich gelesen, zum ersten Mal auf einer Bühne gesessen, hatte er ein Mikrofon vor dem Gesicht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Teilnehmern ist er kein Akademiker, kein Intellektueller. In seinem Beruf spielen Bücher überhaupt keine Rolle. Er hat Bürokaufmann gelernt.
"Ich bin im Großhandel als Lagerist tätig, nehme Ware an, so was. Ganz normale Sachen."
Trupps Text ist eine Erzählung, die von der Geburt bis zum Tod reicht. Fünfzehn Minuten Text, in denen er eine ganze Existenz umreißt. Der berühmte Film, der nach einem Unfall abläuft. Das eigene Leben im Zeitraffer, sprachlich hervorragend umgesetzt, sehr bildhaft, lakonisch, pointiert, mit Humor.
Der Schrifsteller Georg Klein – neben Antje Ravic Strubel und Raphael Urweider einer der Open-Mike-Juroren – begründete die Wahl der Jury:
"Der Text verbindet auf scheinbar traumhaft sichere Weise existenziellen Ernst mit Humor. Er macht glücklich ganz einfach beim Zuhören."
Die Qualität des ausgewählten Textes haben nicht nur die Profi-Juroren erkannt. Auch eine Publikumsjury entschied sich völlig unabhängig vom Votum der Schriftsteller für Johann Trupp, der somit nicht nur 1500 Euro erhält, sondern auch die Möglichkeit, seinen Text demnächst in der Tageszeitung "taz" abzudrucken.
Der Publikumspreis ist eine Neuerung beim "Open Mike", für den sich 620 Autorinnen und Autoren aus den deutschsprachigen Ländern beworben hatten. 21 davon wurden ausgewählt und nach Berlin eingeladen.
Tina Ilse Gintrowski, die mit einem heiteren, an den Italo-Western angelehnten Text vom "Planet Pony angetreten war, wurde ebenfalls ausgezeichnet. Und auch die Lyrikerin Judith Zander.
Die Lyrik nimmt traditionell einen großen Stellenwert beim Open Mike ein. Alles in allem betrachtet, waren die Gedicht-Beiträge diesmal letztlich stärker als die häufig doch formal eintönigen Prosa-Beiträge.
Angelika Klammer, Lektorin beim Salzburger "Jung+Jung"-Verlag und eine derjenigen, die die Vorauswahl für den Wettbewerb vorgenommen hatten:
"Es gibt eine sehr dynamische, sehr innovative, sehr kühne, überraschende Lyrikszene. Da ist die Innovation oder der Versuch, neue Formen zu finden, etwas zu sprengen, etwas zu erarbeiten, etwas deutlicher spürbar als in der Prosa. Die Prosa scheint uns thematisch orientiert zu sein. Es sind Geschichten, die oft einen Hintergrund im nahestehenden Leben finden. Die Botschaft scheint wichtig zu sein."
Der Open Mike hat sich im letzten Jahrzehnt zu einer Art kleinem Bruder des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs in Klagenfurt entwickelt. Bescheidener in der medialen Ausstrahlung zwar, mit weniger Erwartungen belastet und dadurch entspannter für die Teilnehmer. Da in Berlin allerdings nur lesen darf, wer noch kein Buch veröffentlicht hat, ist die Neugier der Verlagslektoren, Talent-Scouts und Literaturagenten besonders groß. Gibt es hier DIE literarische Neudentdeckung? Der Open Mike hat einer stattlichen Reihe jüngerer deutschsprachiger Schriftsteller zur Karriere verholfen. Kathrin Röggla war einst in Berlin erfolgreich. Ebenso Zsusa Bank, Karen Duve, Jochen Schmidt – oder Julia Franck, die soeben den Deutschen Buchpreise gewonnen hat. Tilmann Rammstedt wurde nach seinem Open-Mike-Erfolg vom Kölner Dumont-Verlag unter Vertrag genommen. Dessen Lektor Jo Lendle war auch diesmal wieder auf Talentsuche in Berlin:
"Weil der Open Mike doch im späten Jahr ein wichtiger Termin auf der literarischen Agenda ist und man sehr früh schon die Stimmen von morgen hören kann. Für die noch nicht veröffentlichten Autoren ist es sicherlich, nachdem Klagenfurt jetzt in eine Richtung gewechselt ist, wo Leute schon mit einem ersten Buch hinkommen, ist das hier sicherlich der Ort, der am anerkanntesten ist für Leute, die so in einem Vor-Publikationsstadium sind."
Der schreibende Lagerarbeiter Johann Trupp, könnte – den Open-Mike-Gewinn in der Tasche - durchaus eine Stimme von morgen werden. Das er ein frisches Talent beitzt, davon hat der Mann mit dem Silberkettchen um den Hals am vergangenen Wochenende einen viel verprechenden Vorgeschmack gegeben. Wie es jetzt für ihn weitergeht – das entscheidet der Literaturbetrieb.
"Man muss die Zeit finden zu schreiben. Wenn man die hat, würde ich auch gerne schreiben. Im Moment hab ich ein anderes Leben."
"Ja, das ist das erste Mal, dass ich überhaupt einen Text gesandt habe irgendwohin, und jetzt plötzlich habe ich zwei Blumensträuße gekriegt. Das ist sehr surreal."
Johann Trupp, der mit seinen Eltern als Jugendlicher aus Kirgisien nach Deutschland einwanderte, ist ein Gewinner, wie man ihn sich besser – prototypischer - nicht wünschen könnte: ein junges Talent, vom Literaturbetrieb völlig unbeleckt. In Berlin hat er zum ersten Mal öffentlich gelesen, zum ersten Mal auf einer Bühne gesessen, hatte er ein Mikrofon vor dem Gesicht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Teilnehmern ist er kein Akademiker, kein Intellektueller. In seinem Beruf spielen Bücher überhaupt keine Rolle. Er hat Bürokaufmann gelernt.
"Ich bin im Großhandel als Lagerist tätig, nehme Ware an, so was. Ganz normale Sachen."
Trupps Text ist eine Erzählung, die von der Geburt bis zum Tod reicht. Fünfzehn Minuten Text, in denen er eine ganze Existenz umreißt. Der berühmte Film, der nach einem Unfall abläuft. Das eigene Leben im Zeitraffer, sprachlich hervorragend umgesetzt, sehr bildhaft, lakonisch, pointiert, mit Humor.
Der Schrifsteller Georg Klein – neben Antje Ravic Strubel und Raphael Urweider einer der Open-Mike-Juroren – begründete die Wahl der Jury:
"Der Text verbindet auf scheinbar traumhaft sichere Weise existenziellen Ernst mit Humor. Er macht glücklich ganz einfach beim Zuhören."
Die Qualität des ausgewählten Textes haben nicht nur die Profi-Juroren erkannt. Auch eine Publikumsjury entschied sich völlig unabhängig vom Votum der Schriftsteller für Johann Trupp, der somit nicht nur 1500 Euro erhält, sondern auch die Möglichkeit, seinen Text demnächst in der Tageszeitung "taz" abzudrucken.
Der Publikumspreis ist eine Neuerung beim "Open Mike", für den sich 620 Autorinnen und Autoren aus den deutschsprachigen Ländern beworben hatten. 21 davon wurden ausgewählt und nach Berlin eingeladen.
Tina Ilse Gintrowski, die mit einem heiteren, an den Italo-Western angelehnten Text vom "Planet Pony angetreten war, wurde ebenfalls ausgezeichnet. Und auch die Lyrikerin Judith Zander.
Die Lyrik nimmt traditionell einen großen Stellenwert beim Open Mike ein. Alles in allem betrachtet, waren die Gedicht-Beiträge diesmal letztlich stärker als die häufig doch formal eintönigen Prosa-Beiträge.
Angelika Klammer, Lektorin beim Salzburger "Jung+Jung"-Verlag und eine derjenigen, die die Vorauswahl für den Wettbewerb vorgenommen hatten:
"Es gibt eine sehr dynamische, sehr innovative, sehr kühne, überraschende Lyrikszene. Da ist die Innovation oder der Versuch, neue Formen zu finden, etwas zu sprengen, etwas zu erarbeiten, etwas deutlicher spürbar als in der Prosa. Die Prosa scheint uns thematisch orientiert zu sein. Es sind Geschichten, die oft einen Hintergrund im nahestehenden Leben finden. Die Botschaft scheint wichtig zu sein."
Der Open Mike hat sich im letzten Jahrzehnt zu einer Art kleinem Bruder des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs in Klagenfurt entwickelt. Bescheidener in der medialen Ausstrahlung zwar, mit weniger Erwartungen belastet und dadurch entspannter für die Teilnehmer. Da in Berlin allerdings nur lesen darf, wer noch kein Buch veröffentlicht hat, ist die Neugier der Verlagslektoren, Talent-Scouts und Literaturagenten besonders groß. Gibt es hier DIE literarische Neudentdeckung? Der Open Mike hat einer stattlichen Reihe jüngerer deutschsprachiger Schriftsteller zur Karriere verholfen. Kathrin Röggla war einst in Berlin erfolgreich. Ebenso Zsusa Bank, Karen Duve, Jochen Schmidt – oder Julia Franck, die soeben den Deutschen Buchpreise gewonnen hat. Tilmann Rammstedt wurde nach seinem Open-Mike-Erfolg vom Kölner Dumont-Verlag unter Vertrag genommen. Dessen Lektor Jo Lendle war auch diesmal wieder auf Talentsuche in Berlin:
"Weil der Open Mike doch im späten Jahr ein wichtiger Termin auf der literarischen Agenda ist und man sehr früh schon die Stimmen von morgen hören kann. Für die noch nicht veröffentlichten Autoren ist es sicherlich, nachdem Klagenfurt jetzt in eine Richtung gewechselt ist, wo Leute schon mit einem ersten Buch hinkommen, ist das hier sicherlich der Ort, der am anerkanntesten ist für Leute, die so in einem Vor-Publikationsstadium sind."
Der schreibende Lagerarbeiter Johann Trupp, könnte – den Open-Mike-Gewinn in der Tasche - durchaus eine Stimme von morgen werden. Das er ein frisches Talent beitzt, davon hat der Mann mit dem Silberkettchen um den Hals am vergangenen Wochenende einen viel verprechenden Vorgeschmack gegeben. Wie es jetzt für ihn weitergeht – das entscheidet der Literaturbetrieb.
"Man muss die Zeit finden zu schreiben. Wenn man die hat, würde ich auch gerne schreiben. Im Moment hab ich ein anderes Leben."