"Wichtig ist das Signal, das von ACTA ausgeht"

Rüdiger Stihl im Gespräch mit Susanne Führer |
Der Unternehmer Rüdiger Stihl befürwortet ACTA als "sehr wichtiges" Abkommen für den Schutz von Marken- und Patentrechten. Auch wenn die EU-Rechtslage nicht verbessert werde und China gar nicht beitrete, erkenne er eine weltweite Signalwirkung für die Rechte am geistigen Eigentum.
Susanne Führer: Um ACTA, das internationale Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen hat es zuletzt ja einigen Wirbel gegeben. Proteste im Internet und auf der Straße in vielen europäischen Ländern haben dazu geführt, dass nun der Europäische Gerichtshof prüft, ob dieses Abkommen rechtlich korrekt ist. Die Kritiker von ACTA monieren ja vor allem, das Abkommen würde die Meinungsfreiheit im Internet beschneiden und zu Zensur führen, denn mit ACTA könnten Internetsperren weltweit durchgesetzt werden.

Aber es gibt auch Befürworter des Abkommens, und zu ihnen gehört Rüdiger Stihl. Er ist Teilhaber der Firma Stihl, dem Weltmarktführer für Motorsägen. Guten Tag, Herr Stihl.

Rüdiger Stihl: Guten Tag.

Führer: Warum unterstützen Sie, warum befürworten Sie ACTA?

Stihl: ACTA ist ein sehr wichtiges internationales Abkommen. Wichtig ist die internationale Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Daran fehlt es in vielen wichtigen Ländern, wichtige Schwellenländer, die bereits auf dem Sprung sind zu mächtigen Industrienationen. Beispielsweise Brasilien, Russland, Indien und China.

Führer: Wir denken bei geistigem Eigentum ja schnell an Musik, Literatur und so weiter. Inwieweit ist denn Ihr Unternehmen von Produktfälschung, von Produktpiraterie betroffen?

Stihl: ACTA umfasst ja nicht nur die geistigen Urheberrechte als Bestandteil, sondern eben auch Markenrechte, Patentrechte, Geschmacksmuster oder, verständlicher, Designrechte. Und das greift dann auch in den Bereich der deutschen Unternehmen oder der Unternehmen, die in Deutschland tätig sind und produzieren, stark ein. Wir müssen immer wieder feststellen, dass unsere Produkte sowohl in Deutschland als auch in anderen Staaten, insbesondere in Europa, in gefälschter Form auftauchen. Und das führt wiederum zu erheblichen Einbußen bei uns.

Führer: Können Sie mal ein typisches Beispiel nennen, Herr Stihl? Wo Ihnen einmal eine Säge abgekupfert worden ist.

Stihl: Ein typisches Beispiel dafür wäre ein Aufgriff im Hamburger Hafen im vergangenen Herbst. Hier sind tausend Motorsägen gefälscht aufgegriffen worden. Hamburg ist das Einfallstor gefälschter Produkte für ganz Osteuropa. Diese gefälschten Sägen wurden aufgehalten und als gefälscht identifiziert und sind zum Teil inzwischen auch vernichtet worden.

Führer: So, und jetzt kommen wir zu der spannenden Frage: Was würde sich durch ACTA für Sie, für Ihr Unternehmen ändern? Denn, die Sägen sind aufgegriffen und vernichtet worden, also auch ohne ACTA.

Stihl: Das ist richtig. Die Rechtslage in Deutschland und auch im EU-Bereich wird durch ACTA ja auch gar nicht verändert oder verbessert. Wichtig ist das Signal, das von ACTA ausgeht für Drittländer, auch im Bereich der Drittländer ist es sehr wichtig, dass wir hier die Rechte des geistigen Eigentums zur Geltung bringen und ihnen zur Durchsetzung verhelfen. Und ohne eine solche weltweite Geltung der Rechte am geistigen Eigentum wird es für uns als Exportnation zunehmend schwierig, unsere Produkte weltweit anzubieten, ohne mit Fälschungen rechnen zu müssen.

Führer: Na ja, aber weltweit wird ACTA ja nicht gelten: China, das ja immer noch Marktführer ist, was Produktpiraterie angeht, zum Beispiel, wird ACTA nicht beitreten.

Stihl: Bei internationalen Abkommen ist es stets so, dass jemand den ersten Schritt tun muss. Und erst im Lauf der Zeit kann man darauf rechnen und hoffen, dass immer mehr Staaten sich anschließen werden. Als Beispiel möchte ich verweisen auf das GATT-Abkommen, das 1947 mit gerade einmal 23 Staaten abgeschlossen wurde. Inzwischen, heute, sind 157 Staaten Mitglied des GATT-Abkommens.

Ähnlich könnte es ja auch beim ACTA-Abkommen aussehen, dass ja auch hier im Lauf der Zeit immer mehr Staaten sich diesen richtigen Grundüberlegungen anschließen. Das Angebot an gefälschten Waren nimmt von Jahr zu Jahr immer mehr zu. Ich spreche in diesem Zusammenhang immer von dem Beispiel, dass wir hier das Krebsgeschwür der Globalisierung vor uns haben.

Führer: Rüdiger Stihl von der Firma Stihl im Deutschlandradio Kultur, wir sprechen über Urheberrecht und Produktpiraterie. Herr Stihl, nun gab es ja in den vergangenen Monaten scharfe Kritik an ACTA, vor allem von denjenigen, die um die Freiheit im Internet fürchten, aber auch Menschenrechtsorganisationen wie zum Beispiel Amnesty International oder auch Ärzte ohne Grenzen warnen vor ACTA. Unter anderem, weil es ihrer Ansicht nach dazu führen könnte, dass arme Länder dann keinen Zugang mehr zu Saatgut oder zu lebenswichtigen Generika, also zu nachproduzierten Medikamenten bekommen. Was entgegnen Sie diesen Kritikern?

Stihl: Also ich glaube, man muss die Dinge realistisch betrachten. Es geht nicht darum, dass wir ärmeren Ländern irgendwo die Existenzgrundlage entziehen, es geht vielmehr darum, dass wir den Rechten am geistigen Eigentum international Geltung verschaffen können. Und die Diskussion, die geführt wurde über Zensur und Zugangskontrolle zum Internet, halte ich für eine Stellvertreterdiskussion in einem Spannungsfeld zwischen auf der einen Seite den Internetnutzern und auf der anderen Seite den Rechteinhabern.

Tatsache ist, dass eben in vielen Ländern der Dritten Welt gefälschte Produkte hergestellt werden. Und um diese Länder mit einzufangen und auch sie zu bewegen, die Rechte am geistigen Eigentum – das sind ja fundamentale Rechte wie Rechte am körperlichen Eigentum – zu respektieren. Und ich glaube, wir sind hier auf einem sehr guten Weg, indem wir das machen.

Führer: Herr Stihl, bei Motorsägen, die Ihr Unternehmen herstellt, da versteht man ja leicht, dass so ein illegaler und schlampiger Nachbau sehr gefährlich werden kann, aber warum ist es denn eigentlich ein Problem, wenn ich mir im Urlaub zum Beispiel eine billige, echt falsche Gucci-Sonnenbrille kaufe? Das tut doch keinem weh und vielleicht dem armen Verkäufer vielleicht ganz gut, oder?

Stihl: Ja, das ist eine leider verbreitete Annahme, dass die Nachfrage nach solchen Produkten keinerlei Schaden verursache. Es ist aber doch so, dass in Wirklichkeit hier ein falsches Bild in der Öffentlichkeit besteht, es geht eben gerade nicht nur um T-Shirts, Turnschuhe, Armbanduhren und Handtaschen berühmter Marken, sondern es wird querbeet alles, was man überhaupt sich nur vorstellen kann, gefälscht. 76 Prozent, wurde festgestellt, der Unternehmen in Deutschland sind betroffen durch Produkt- und Markenpiraterie. Das geht querbeet durch sämtliche Branchen hindurch.

Das Problem liegt darin, dass der Verbraucher erstmal minderwertige Ware erwirbt und zweitens sich regelmäßig auch Gefahren einhandelt, und drittens, dass in jedem Fall, mit jedem Kauf eines Plagiats die dahinterstehenden kriminellen Netzwerke unterstützt werden, die völlig skrupellos vorgehen und Gefahren für Leib und Leben ihrer Kunden einfach in Kauf nehmen und unter unvorstellbar primitiven Verhältnissen diese Produkte herstellen aus billigsten Materialien und Stichworte: Lange Arbeitszeiten, schlechte Entlohnung, zum Teil Kinderarbeit, keinerlei Gedanken an Umweltschutz – das sind alles so Dinge, was der Kunde überhaupt nicht sieht oder ahnt, das ist immer das Gleiche. Für ihn ist nur entscheidend der äußere Schein, der muss schön sein, kombiniert mit einem äußerst günstigen Preis, Stichwort Schnäppchen. Damit lässt er sich eben verlocken und sieht aber nicht, was er damit letztlich anrichtet.

Aber darüber hinaus gibt es auch Schäden für Staat und Gesellschaft. Der Staat nimmt weniger Steuern ein, geringere Sozialversicherungsbeiträge. Und der Verbraucher, der minderwertige Ware erwirbt, Gefahren, Beispiel Sonnenbrille ohne UV-Schutz, gefälschte Medikamente oder ganz alltägliche Produkte auch, die gar nicht so im Fokus stehen, wie Hautcremes mit schädlichen Inhaltsstoffen, die zu Schäden führen können an der Haut. Wer will so was schon haben?

Führer: Das sagt Rüdiger Stihl, er ist Teilhaber der Firma Stihl, dem Weltmarktführer für Motorsägen. Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch!

Stihl: Bitteschön!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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