Wider das Vergessen

Nur wenige Monate nachdem Hitler Reichskanzler geworden war, wurden am 10. Mai 1933 von der "Deutschen Studentenschaft" vor Universitäten Bücher verbrannt. Texte von Stefan Zweig oder Joachim Ringelnatz wurden dabei den Flammen preisgegeben. Zwei neue Publikationen erinnern an diese Werke deutscher und fremdsprachiger Autoren.
Es waren nicht Papier und Buchdeckel allein, die am 10. Mai 1933 Opfer der Flammen wurden. Organisiert von der "Deutschen Studentenschaft", verbrannten Werke von über einhundert deutschen und fremdsprachigen Autoren - zugleich aber auch das Wissen um ihr Schaffen und ihr Leben. Viele von ihnen waren bereits aus Deutschland geflohen oder verloren in den kommenden Jahren Arbeit und bürgerliche Existenz. Verstreut, vielfach gar nicht mehr publiziert, fanden sie auch nach dem Krieg häufig keine Möglichkeit ein Lesepublikum zu erreichen. Sie waren vergessen.

Volker Weidermann, Literaturredakteur und Feuilletonchef der "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" erinnert nun in seinem "Buch der verbrannten Bücher" an jene Autoren "Schöner Literatur", deren Werke damals in Flammen aufgingen.

In 23 thematisch gegliederten Kapiteln, auf 250 Seiten, stellt er 131 Autoren vor. Das sind pro Autor im Schnitt zwei Seiten. Weidermann bedient sich eines knapp-knalligen Stils. Man kennt das aus seinem Buch "Lichtjahre". Ebenso begeistert und salopp wie er darin die Literatur der Jahre 1945 bis 2005 beschrieb, widmet er sich nun Lebensweg und Werk beispielsweise von Joachim Ringelnatz oder Stefan Zweig - der Ordnung halber, denn über solche Autoren ist ein interessierter Leser vermutlich informiert.

Verdienstvoll ist Weidermanns Sammlung von Kurzbio- und -bibliographien dort, wo es sich um Namen wie Christa Anita Brück, Rudolf Geist oder Emil Felden handelt. Denn die kennt nun wirklich kaum jemand. Ob sich ihre Wiederentdeckung im literarischen Sinn lohnt, kann der Leser in Zukunft selbst entscheiden. Weidermann gibt ihm die Chance dazu.

Zeitgleich will auch der Publizist Armin Strohmeyr mit seinem Buch bestimmte Autoren in unser kulturelles Gedächtnis zurück holen. "Verlorene Generation" ist der Titel und es widmet sich "Dreissig vergessene(n) Dichterinnen und Dichter(n) des "Anderen Deutschland". Der Österreicher Strohmeyr lässt es gemächlicher angehen als sein deutscher Kollege. Er benötigt für nur dreißig Porträts schon 450 Seiten.

Strohmeyrs Buch ist weniger Schlagwortlexikon als tatsächlich eine informative Annäherung an Dichterinnen und Dichter, die in unterschiedlicher Weise Opfer der Zeitläufe geworden sind. Der Autor beschränkt sich nicht allein auf Verfasser der von den Nazis verbrannten Bücher. Er stellt auch solche vor, die in Hitlers Deutschland in die "innere Emigration" gingen. Die in Vergessenheit gerieten, weil sie schwiegen, nach dem Krieg unpopulär wurden oder ästhetisch keinen Anschluss an den gewandelten Literaturbetrieb fanden.

Strohmeyrs Buch ist das ergiebigere der beiden. Es arbeitet nicht nur die Schwarze Liste der Nazis ab. Gibt den einzelnen Personen Raum, offenbart Vielschichtigkeit des Vergessens und auch die Parallelität von Schicksalen, die sich auf den ersten Blick unterschiedlich ausnehmen.

Beide Neuerscheinungen sind nicht denkbar ohne Jürgen Serkes Reportagen über "Die verbrannten Dichter" aus dem Jahr 1977. Sie müssen nach wie vor als Standardwerk angesehen werden. Serke, 1938 geboren, hat gegenüber Strohmeyr und Weidermann den Vorteil, dass er noch viele derjenigen persönlich kennen lernen durfte, über die die dreißig Jahre jüngeren Autoren heute neugierig und begeistert berichten.

Rezensensiert von Carsten Hueck

Armin Strohmeyr: Verlorene Generation. Dreißig vergessene Dichterinnen & Dichter des "Anderen Deutschland."
Atrium Verlag, Zürich 2008
443 Seiten, 24,90 Euro
Volker Weidermann: Das Buch der verbrannten Bücher.
Verlag Kiepenheuer&Witsch, Köln, 2008
253 Seiten, 18,95 Euro