Widersprüchliche Eindrücke
Der Kunstkritiker Walter Grasskamp lässt in seinem Buch Schriftsteller wie Goethe und Fontane, aber auch Arno Schmidt und Alan Bennett zu Wort kommen. Darüber hinaus berichten auch jüngere Aufsätze über eigentümliche Erlebnisse bei Museumsbesuchen. Die Qualität liegt in der Fülle der durchaus widersprüchlichen Eindrücke.
Die Museumswelt hält für die Menschen, die sie betreten, reichlich Überraschungen bereit. Sie taugt zur Bühne für alle menschlichen Gefühle und schult den Sinn für die Formen und Charaktere des Lebens. Museen sind Orte der Erkenntnis, des Erstaunens und der Verzauberung, aber man erlebt auch Passagen von Lustlosigkeit dort, von hehrer Pflichterfüllung und von Enttäuschungen. Darüber, was bei der Begegnung von Besuchern und Ausstellungsstücken geschieht, gibt es eine reiche Literatur.
Walter Grasskamp, Professor für Kunstgeschichte in München und vielbeschäftigter Kunstkritiker, hat sie gesammelt, Romanauszüge, Essays und Zeitungsartikel. Er lässt bekannte Schriftsteller zu Wort kommen, wie Goethe und Fontane über Hawthorne zu Peter Weiss, Arno Schmidt und Alan Bennett. Aber auch jüngere Aufsätze aus der "Zeit", dem "Spiegel" oder der "FAZ" berichten von eigentümlichen Erlebnissen in dem, was man früher ehrfürchtig "Musentempel" nannte. Die Qualität liegt in der Fülle der durchaus widersprüchlichen Eindrücke. Da bezweifelt Paul Valéry den Sinn eines Besuchs dort wegen der erschlagenden Wirkung der vielstimmigen Objekte, die man aus ihrem Zusammenhang gerissen hat, da beklagt Fanny Lewald in ihrem italienischen Tagebuch aus dem Jahre 1847, dass man gemalte Martyrien mit "Oh wie göttlich!" kommentiert und da mokiert sich Tom Wolfe schon 1964 über den Rummel, den die Wiedereröffnung des MoMa in New York hervorrief.
Daneben findet das Museum natürlich seinen angemessenen Auftrittsort als Sehnsuchtsziel von Fälschern, Räubern und Mördern, als Refugium von heimlichen Liebespaaren, als ideale Kulisse für Abschiede und erotische Tagträume. Auf längere Passagen aus wahrhaften Museumsromanen verzichtet Grasskamp absichtlich wie auf Thomas Bernhards "Alte Meister", Brian Moores "Die große viktorianische Sammlung" oder Rudyard Kiplings Anfangsszene aus "Kim".
Die Anthologie über das Museum ist nicht das erste Lesebuch zu diesem Thema. 1993 schon erschien "Die Welt der Museen" von Joachim Rönneper, 1997 "menschen im museum", das der damalige Direktor Christoph Stölzl zum zehnjährigen Bestehen des Deutschen Historischen Museum herausgab. Sie ergänzen sich zu einer Geschichte des Museums aus der Sicht seiner vielleicht anspruchvollsten Benutzer, der Schriftsteller und Dichter.
Was Grasskamps Buch aber von den Vorgängern unterscheidet, sind die immer wieder eingestreuten Kommentare des Herausgebers: Klar, hellsichtig, gescheit und auch für ein ganz normales Publikum verständlich. Es ist nicht gerade üblich, dass Kunsthistoriker den Stil des Parlando beherrschen und bei aller Gelehrsamkeit elegant und anekdotenreich zu erzählen verstehen.
"Sonderbare Museumsbesuche" laden ein in diesen eigentümlichen Kosmos, den manche gern für ein Auslaufmodell halten, während er seine Gegner noch immer überlebt hat.
Von Edelgard Abenstein
Walter Grasskamp (Hg.):
Sonderbare Museumsbesuche. Von Goethe bis Gernhardt.
Verlag C. H. Beck, München 2006, 302 Seiten, 19,90 Euro
Walter Grasskamp, Professor für Kunstgeschichte in München und vielbeschäftigter Kunstkritiker, hat sie gesammelt, Romanauszüge, Essays und Zeitungsartikel. Er lässt bekannte Schriftsteller zu Wort kommen, wie Goethe und Fontane über Hawthorne zu Peter Weiss, Arno Schmidt und Alan Bennett. Aber auch jüngere Aufsätze aus der "Zeit", dem "Spiegel" oder der "FAZ" berichten von eigentümlichen Erlebnissen in dem, was man früher ehrfürchtig "Musentempel" nannte. Die Qualität liegt in der Fülle der durchaus widersprüchlichen Eindrücke. Da bezweifelt Paul Valéry den Sinn eines Besuchs dort wegen der erschlagenden Wirkung der vielstimmigen Objekte, die man aus ihrem Zusammenhang gerissen hat, da beklagt Fanny Lewald in ihrem italienischen Tagebuch aus dem Jahre 1847, dass man gemalte Martyrien mit "Oh wie göttlich!" kommentiert und da mokiert sich Tom Wolfe schon 1964 über den Rummel, den die Wiedereröffnung des MoMa in New York hervorrief.
Daneben findet das Museum natürlich seinen angemessenen Auftrittsort als Sehnsuchtsziel von Fälschern, Räubern und Mördern, als Refugium von heimlichen Liebespaaren, als ideale Kulisse für Abschiede und erotische Tagträume. Auf längere Passagen aus wahrhaften Museumsromanen verzichtet Grasskamp absichtlich wie auf Thomas Bernhards "Alte Meister", Brian Moores "Die große viktorianische Sammlung" oder Rudyard Kiplings Anfangsszene aus "Kim".
Die Anthologie über das Museum ist nicht das erste Lesebuch zu diesem Thema. 1993 schon erschien "Die Welt der Museen" von Joachim Rönneper, 1997 "menschen im museum", das der damalige Direktor Christoph Stölzl zum zehnjährigen Bestehen des Deutschen Historischen Museum herausgab. Sie ergänzen sich zu einer Geschichte des Museums aus der Sicht seiner vielleicht anspruchvollsten Benutzer, der Schriftsteller und Dichter.
Was Grasskamps Buch aber von den Vorgängern unterscheidet, sind die immer wieder eingestreuten Kommentare des Herausgebers: Klar, hellsichtig, gescheit und auch für ein ganz normales Publikum verständlich. Es ist nicht gerade üblich, dass Kunsthistoriker den Stil des Parlando beherrschen und bei aller Gelehrsamkeit elegant und anekdotenreich zu erzählen verstehen.
"Sonderbare Museumsbesuche" laden ein in diesen eigentümlichen Kosmos, den manche gern für ein Auslaufmodell halten, während er seine Gegner noch immer überlebt hat.
Von Edelgard Abenstein
Walter Grasskamp (Hg.):
Sonderbare Museumsbesuche. Von Goethe bis Gernhardt.
Verlag C. H. Beck, München 2006, 302 Seiten, 19,90 Euro