Ein Secondhandladen gegen den Nazi-Geist
In Anklam liegt direkt neben dem Büro eines NPD-Landtagsabgeordneten der „Schlomi-Treff". Diesen Secondhandladen betreibt Yehudit Bracha Bachmann, eine in der Schweiz geborene messianische Jüdin. Sie kam nach Anklam, um dem Nazi-Geist in der Stadt die Stirn zu bieten.
"Sie hat ja jetzt auch keinen wirtschaftlichen Hintergrund. Also dann wirklich die Zelte abgebrochen zu haben und, wie es in der Bibel steht, also ohne eine Tasche, ohne einen Mantel da loszugehen. Auf der einen Seite muss ich ihr schon Respekt zollen, auf der anderen Seite dachte ich, ein bisschen verrückt ist es vielleicht auch, ja."
Wie Ulrich Höckner von der Caritas denken wohl viele Menschen in Anklam über Yehudit Bracha Bachmann. Seit drei Jahren lebt die 62-jährige Jüdin in der Stadt an der Peene in Mecklenburg-Vorpommern. Nachdem sie von den Verbrechen der Neonazi-Organisation NSU erfahren hatte, wollte sie eine rechte Hochburg näher kennen lernen und wählte Anklam.
"Ich wollte mich dieser Angst einfach stellen. Ich wollte einfach nur mal diese Naziszene kennen lernen, wie das wirklich ist, ob es wirklich so schlimm ist."
Die Angst, von der Yehudit Bracha Bachmann spricht, hatte sie in einem Dorf im Tiroler Zillertal erfahren. Sie setzte sich dort im Internet mit Neonazis auseinander. Einer von ihnen beschimpfte und beleidigte sie nicht nur, er bedrohte auch ihr Leben. So schrieb er: "Wenn du jetzt wüsstest, wo ich bin, dann würdest du dich im Keller verstecken'. Da war er damals nach Österreich gekommen von Deutschland, das war ja ein Deutscher, und er hat so eine Freundin irgendwo und dann ist er wahrscheinlich irgendwo da in der Nähe vorbei-gefahren und dann hat er das geschrieben. Oder einmal hat er geschrieben: ‚Ja, ich geh immer einmal im Jahr ins Zillertal jagen' und dann soll ich einfach aufpassen, dass ich nicht irgendwo auf der Straße draußen bin."
Die Angst besiegen
Die anonymen Attacken des Mannes hatten sie mitgenommen. Sie wollte ihre Angst besiegen. Und die Gesichter der Neonazis sehen, sich ihnen in ihrem Lebensumfeld stellen. So kam Yehudit Bracha Bachmann nach Anklam, mit einem alten Traum im Gepäck: Einen Secondhandladen, der zugleich ein Ort der Begegnung ist, wollte sie einrichten. Geeignete Räume fand sie in der Pasewalker Straße. Sie wusste nicht, dass sich gleich nebenan das Wahlkreisbüro des NPD-Landtagsabgeordneten Michael Andrejewski befindet. Ihre Anwesenheit blieb nicht unbemerkt und die Anfeindungen ließen nicht lange auf sich warten.
"Es hat einfach manchmal so Junge auch gegeben, die mich so irgendwie blöd angepöbelt haben: ‚Ja, ich möchte dir am liebsten in die Fresse kacken' zum Beispiel einer oder auch schon hab ich gehört, wo sie zu mir in die Wohnung hoch gerufen haben: ‚Jude verschwinde aus Anklam' oder solche Sachen."
Zu den Beschimpfungen kamen Schikanen der Nachbarn in dem Haus, in dem sie wohnte. Sie rissen die Mesusas, die jüdischen Schriftkapseln mit dem Gebet Schma Israel, von der Einfassung ihrer Wohnungstür, sie überstrichen ihr Namensschild mit schwarzer Farbe. Und signalisierten der einzigen Jüdin der Stadt so, sie solle gehen. Aber das tat Yehudit Bracha Bachmann nicht. Sie zog ein paar Häuser weiter und blieb. In direkten Kontakt mit der rechten Szene kam sie auch in Anklam bisher kaum, obwohl sie sie immer wieder in ihren kleinen Laden einlädt, auch den NPD-Landtagsabgeordneten Michael Andrejewski.
"Ich hab ihm auch mal schon gesagt, er soll doch mal herkommen auf einen Kaffee, aber er kommt nicht. Der hat ja selber Angst. Der getraut sich ja nicht. Ist schade. Manchmal seh ich ihn auf der Straße, wenn er einkaufen gegangen ist, er grüßt, ja, das macht er, aber sonst kann ich nicht an sie ran. Ich find es schade. Ich find es schade. Wie gesagt, ich würde gern mit ihnen reden über das alles, und dass sie das lassen sollen. Das ist einfach nicht gut, wo sie sich da rein begeben haben. Das ist nicht gut."
Ein tiefer Hass auf Deutschland
Diese Bereitschaft zum Dialog ist erstaunlich. Denn Yehudit Bracha Bachmann hatte einen tiefen Hass auf Deutschland von den Eltern übernommen. Die fürchteten sich, obwohl sie in der Schweiz lebten, so sehr vor den Deutschen, dass sie den eigenen Kindern verschwiegen, dass sie Juden sind. Yehudit Bracha Bachmann fand es trotzdem heraus und ging nach dem Tod der Eltern für vierzehn Jahre nach Israel. Dann zog sie nach Tirol ins Zillertal. Sie entkam so der Angst vor den Anschlägen auf Busse, Einkaufszentren und Restaurants. Aber die Idylle des Landes, deren Natur, Musik und Menschen sie gleich ins Herz schloss, blieb nicht ungetrübt. Ihre Auseinandersetzungen mit den Neonazis im Internet gaben dem Hass und der Angst neue Nahrung. Wie hat sie das überwunden, dass sie sogar von Liebe zu den Neonazis spricht?
"Diese Liebe hat Gott mir ins Herz gegeben für diese Nazis. Ich wäre sonst nicht in der Lage gewesen, in Deutschland zu wohnen. Durch die Liebe Gottes bin ich geheilt worden, sonst hätte ich hier nicht arbeiten und leben können, niemals. Gott hat mich geheilt."
Yehudit Bracha Bachmann sorgt sich um das Seelenheil der Menschen. Dazu passt kein Hass. Als Jugendliche ließ sie sich in einer freikirchlichen Gemeinde mit starker Bibelfrömmigkeit und dem Vertrauen auf Gebetserhörungen taufen. Aber als Jüdin fühlte sie sich fremd und schloss sich deshalb in Israel den so genannten messianischen Juden an, einer Gemeinschaft,
die von Juden und Christen gleichermaßen beargwöhnt wird. Denn sie pflegen jüdische religiöse Traditionen, obwohl sie Jesus, den sie Jeschua nennen, als Messias und Herrn ansehen.
Yehudit Bracha Bachmann findet in ihm ihren Frieden. Deshalb hat sie ihren Laden Schlomi-Treff genannt. Schlomi geht auf das hebräische Wort Schalom zurück und bedeutet ‚mein Frieden'. Einmal in der Woche gibt es im hinteren Raum eine Bibelrunde. Viel wirft der Verkauf der ausschließlich gespendeten Sachen nicht ab. Es kommen vor allem Hartz IV-Empfänger und andere Gestrauchelte. Yehudit Bracha Bachmann ist für sie da, mit ihrer Bescheidenheit, ihrer Frömmigkeit, mit Humor und großer Offenheit. Denn sie sollen von der Decke, die sich, wie sie sagt, durch die Neonazis immer wieder dunkel über die Stadt legt, nicht erdrückt werden.
die von Juden und Christen gleichermaßen beargwöhnt wird. Denn sie pflegen jüdische religiöse Traditionen, obwohl sie Jesus, den sie Jeschua nennen, als Messias und Herrn ansehen.
Yehudit Bracha Bachmann findet in ihm ihren Frieden. Deshalb hat sie ihren Laden Schlomi-Treff genannt. Schlomi geht auf das hebräische Wort Schalom zurück und bedeutet ‚mein Frieden'. Einmal in der Woche gibt es im hinteren Raum eine Bibelrunde. Viel wirft der Verkauf der ausschließlich gespendeten Sachen nicht ab. Es kommen vor allem Hartz IV-Empfänger und andere Gestrauchelte. Yehudit Bracha Bachmann ist für sie da, mit ihrer Bescheidenheit, ihrer Frömmigkeit, mit Humor und großer Offenheit. Denn sie sollen von der Decke, die sich, wie sie sagt, durch die Neonazis immer wieder dunkel über die Stadt legt, nicht erdrückt werden.
"Es kann also jeder hierher kommen, ist auch jeder willkommen hier drin. Manchmal kommen auch Leute hierher zum Kaffeetrinken, einfach zum Reden oder manchmal brauchen sie Gebet. Und wir möchten einfach, ich vor allem, ein Segen sein für die Menschen in meiner Umgebung, das ist wirklich mein Lebensinhalt."