Widerstand ist zwecklos
Gegen die geplante Fusion der drei evangelischen Landeskirchen in Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein zur Nordkirche gibt es offenen Widerstand. Zwischen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hingegen ist die Zusammenlegung bereits vollzogen.
Die Nordkirche
Von Almuth Knigge
Der Dom zu Lübeck ist ein imposantes Gebäude. Heinrich der Löwe legte 1172 den Grundstein für eine der längsten Backsteinkirchen der Welt. 1Zwölf Jahre zuvor war der Bischofssitz von Oldenburg hierher nach Lübeck gelegt worden. Die Machtverhältnisse waren auf Jahrhunderte festgeschrieben, die Stadt blühte durch den Handel im Ostseeraum und die Lübecker waren stolz – auf ihren Reichtum – und auf ihren Bischof. 850 Jahre später soll ein weiteres historisches Ereignis stattfinden – die Zusammenführung aller protestantischen Gläubigen im deutschen Ostseeraum in einer Nordkirche. Doch während im Dom noch von "Aufeinanderzugehen" gesungen wird und die Mitglieder der Kirchensynoden aus Mecklenburg, Pommern, Schleswig-Holstein und Hamburg sich nach jedem Refrain in den Armen liegen, weil es der Liedtext so verlangt, regt sich vor der schweren Kirchenpforte der Protest:
"Ich finde das ne Frechheit, dass die das einfach noch so übergangen haben und die mehr oder weniger Atheisten in der ehemaligen Zone, die brauchen doch gar keinen Bischof. Die haben einen Knall, weil man nicht Traditionen brechen kann nur um neue Pöstchen zu schaffen."
Hilmar Baumgarten ist Mitglied der Mecklenburgischen Kirche. Der Jura-Student ist einer, der gegen die Nordkirche mobil macht.
"In einer gemeinsamen Kirche kann aufgrund der natürlichen Größenverhältnisse immer nur Nordelbien dominieren, das heißt, wir werden speziell auf unsere Situation in Mecklenburg-Vorpommern als ländliche Diaspora-Kirche zugeschnittene Entscheidungen nicht mehr so einfach bewirken können, das wird ein schwieriger Diskussionsprozess in der Synode sein, wo wir als Mecklenburger ja nur zehn Prozent der Stimmen haben werden."
Baumgarten weiß aus jeder Kirche zahlreiche Mitglieder auf seiner Seite. Gründe, gegen die große Vision einer gemeinsamen Kirche aus Ost und West zu sein, so scheint es, gibt es genauso viele wie arme Sünder auf dieser Welt. Da ist der Pastor aus Rostock:
Beste: "Wir sind der Meinung, dass diese Nordkirche nicht gut ist, viel zu früh kommt, wenn sie denn überhaupt mal kommen sollte und dass wir als Mecklenburgische Landeskirche in eine völlig ungewisse Zukunft gehen, auf die wir uns eigentlich nicht einlassen dürfen."
Und der Dompastor aus Lübeck:
Klatt: "Der Kompromiss, der jetzt ausgehandelt ist, gibt den Anschein, dass die Möglichkeit, ein großes, klares, auch symbolträchtiges Zeichen für die Einheit der zukünftigen Nordkirche zu setzen, verspielt worden ist, zerfleddert worden ist, in dem man versucht hat, verschiedene Einzelinteressen unter einen Hut zu bringen."
Vor allem die Lübecker sind sauer und drohen, den Fusionsvertrag platzen zu lassen. Sie wissen den aktuellen Ministerpräsidenten, Peter Harry Carstensen, und den ehemaligen, Björn Engholm, auf ihrer Seite. War ihnen doch der Bischofssitz im Herbst noch zugesagt worden. Damit aber gleichzeitig die Landeshauptstadt Kiel nicht zu kurz kommt, soll, im Sinne der Mitarbeiter, das Kirchenamt, die Verwaltung, in Kiel bleiben. Eigentlich wollte aber Hamburg das Kirchenamt, ein Neubau würde allerdings Millionen verschlingen, kein gutes Zeichen in Krisenzeiten – geistlich wie ökonomisch.
Von Wedel: "Und dann ging gleichzeitig die Diskussion in Mecklenburg los. Wo kommen wir denn eigentlich vor, wir sind ja gar nicht da, uns gibt´s eigentlich gar nicht."
Hennig von Wedel ist Rechtsanwalt aus Hamburg und hat als Vorsitzender des Rechtsausschusses den Fusionsvertrag mit begleitet und ausgearbeitet.
Von Wedel: "Greifswald, Hamburg, Kiel. Lübeck, Schleswig, ein Bischof übergangsweise in Schwerin, sonst nichts, im ganzen großen Mecklenburg nichts."
Wobei groß dabei relativ zu sehen ist. Mecklenburg bringt in die Kirchen-Ehe 200.000 Mitglieder mit ein, Pommern gar nur 100.000 und Nordelbien, die Kirche für Hamburg und Schleswig-Holstein hat allein 2,1 Millionen Gläubige. Als die Entscheidung für den Bischofssitz in Schwerin fiel, da sprachen die Gegner von Davids Sieg gegen Goliath .Bis in die höchsten Kreise der Politik schlugen die Wogen der Empörung hoch. Die Befürworter hingegen, wie der Schweriner Bischof Andreas von Maltzahn, sahen die Entscheidung als Signal für den Osten.
Maltzahn: "Und ich glaube, dass es auch gesamtgesellschaftlich schon ein wichtiges Zeichen gewesen ist, was die Kirche hier gesetzt hat, denn wenn man sich die bisherigen Fusionen anderer Einrichtungen anschaut, sind die leitenden Sitze alle im Westen gelandet und das ist das erste Mal, dass hier eine bedeutende Institution dann ihren Sitz im Osten haben wird."
… und dass alle Kirchen gleichberechtigt einbezogen wurden bei der Fusion. Von dieser Gleichberechtigung sind nach dem Vertrag die Beschäftigten der Kirche aber ausgenommen. Die neue Landeskirche wird mit 40.000 Angestellten ein riesiger Arbeitgeber sein, tarifrechtlich aber gespalten. Ost bekommt nach wie vor weniger als West. Der Schweriner Bischof von Maltzahn verteidigt den Kompromiss.
Maltzahn: "Ich finde, dass das eine wertvolle Tradition ist, aus der wir kommen, die auch noch ein bisschen darum weiß, dass wir ja auch das ins Verhältnis setzen müssen mit den Einkommensverhältnissen unserer Gemeindeglieder und der Menschen in den Städten und Dörfern und da ist es ja so, dass im Osten insgesamt die Einkommen geringer sind als im Westen und warum sollen wir da als Kirche uns da anders verhalten."
Die Spaltung geht aber noch viel tiefer. Viele Mecklenburger und Pommern fürchten, dass es wie bei der Wiedervereinigung nur einen Anschluss des Ostens an den Westen geben wird. Zu tief sitzt die Skepsis – auch 20 Jahre nach der politischen Wiedervereinigung. Die Kirche im Westen wird dafür einen großzügigen Finanzausgleich, fünf Prozent des Kirchensteueraufkommens, in den Osten überweisen. Auch dieser Kirchensoli ist vielen ein Dorn im Auge. Mit dem Geld sollen die Gläubigen gekauft werden, ist eine Befürchtung aus Mecklenburg. Das sagt keiner, das denken aber viele.
Grieve: "Und der Osten hat Angst, dass er vom Westen regiert wird, ja, das ist durchaus in der Bevölkerung mit dabei. Man sagt zwar, man könnte dann neue Dienste einrichten, zum Beispiel will man da eine Stelle Auseinandersetzung mit dem Atheismus, da sagen sie, wenn wir dafür Geld hätten, könnte man da mehr machen, das halte ich für Unfug."
Martin Grieve ist ein pensionierter Pastor aus Mecklenburg. Er ist vehement gegen die Nordkirche. Zu viele Unterschiede gibt es zwischen den Kirchen. Ideologische Unterschiede, geprägt durch 40 Jahre Teilung.
Grieve: "Also zum Beispiel hier legen Pastoren wert, dass sie standesgemäß bezahlt werden, also so wie andere Akademiker gleichen Ranges etwa, bei uns ist es so, dass es darauf ankommt, mit der Gemeinde im Gleichklang zu sein."
Die Kirche im Dorf lassen – das Bild spricht für sich. Die nordelbische Kirche gilt als progressiv und liberal. Die mecklenburgische als zutiefst traditionell, das Verständnis von Gemeindeleben – grundverschieden. Die Kirchen im Osten sind stolz auf ihre Tradition. Stolz darauf, maßgeblich an der friedlichen Revolution vor 20 Jahren beteiligt gewesen zu sein.
Von Wedel: "Ich glaube, dass das richtig war, aber man hat jetzt den Eindruck, ich sag den Eindruck, von außen, dass sie sich teilweise in ihr Häuschen zurückziehen und sagen, so wie früher, als die DDR noch richtig lebte, und sagen, das wichtigste ist überleben. Das wichtigste ist nicht überleben, das wichtigste ist die Botschaft nach außen tragen."
Und dass jede Seite sollte dabei ihre Stärken mit einbringen.
Von Wedel: "Wir hoffen zu lernen von unseren neuen Mitgliedern wie man in einer feindlichen Umwelt überleben kann und wir hoffen denen beizubringen, dass man auch in einer feindlichen Umwelt noch nach außen wirken kann."
Doch das mit dem aufeinander zugehen – das klappt noch nicht so ganz. Zu groß scheint das Misstrauen – vor allem im Osten.
Rathke: "Jemand hat kürzlich mal gesagt, dann wird die Kirche ja von Schwerin aus geleitet, die Nordkirche, da wird eine Kirche, die überwiegend von der Fläche, von den Menschen her, im Westen liegt vom Osten Deutschlands geleitet. Und was sagt mir das? Dass da noch ´ne Mauer ist. Und ich finde es wirklich jetzt an der Zeit, nicht mehr über den Abbau der Mauer zu reden, sondern die Schritte zu gehen."
Zu groß scheint das Misstrauen, vor allem Osten, groß auch noch der Machtanspruch in Lübeck 850 Jahre nach der Grundsteinlegung für den Dom. Dabei ist der Schweriner Dom ein Jahr älter.
Von Wedel: "Wir reden in der Christenheit davon, seit es die verschiedenen Kirchen gibt, dass wir das zusammenführen wollen, jetzt haben wir ne kleine Chance, das wenigstens hier zusammenzuführen und jetzt sagen sie wieder, das ist zu teuer, was sind denn das für Argumente, das ist albern, die sind einfach albern diese Argumente."
Die Südkirche
Von Ulrike Greim
Es ist eine staubtrockene und überaus nüchterne Angelegenheit: Im Saal eines Konferenzzentrums sitzen 84 Männer und Frauen in Reihen vor einem Präsidium und diskutieren über ihre Geschäftsordnung.
"Die bereits Mitglied der Föderationssynode waren, und das sind nicht wenige, werden daher viel Vertrautes vor allem aus der Geschäftsordnung der Föderationssynode wieder entdecken, deren Aufbau dieser Entwurf folgt."
Rechtsdezernentin Ruth Kallenbach erläutert Details. Es geht um Nominierungsverfahren und Abstimmungsmodalitäten, um Informationsflüsse und Geltungsbereiche.
"Ihnen ist vorhin eine neue Fassung ausgeteilt worden, Drucksache zwei Schrägstrich eins in Klammern neu ..."
Engagiert melden sich Menschen, treten ans Mikro und bringen Anträge, Änderungswünsche und dezente Neuerungen ein.
"Die alte Geschäftsordnung, die hatte einen Absatz vier im Paragraf eins, und da stand drinne: In die Tagesordnung sind grundsätzlich nur solche Punkte aufzunehmen, die ..."
Auf den Tischen liegen Papiere, Ordner. Draußen stehen Tee und Kaffee.
Es gibt keinen Sekt, keine Torte, keine Blaskapelle. Und doch ist dies der Auftakt einer neuen Institution. Sie ist erst ein paar Tage alt und das Ergebnis eines langen Prozesses, das Resultat einer Fusion.
Umfrage:
"Das ist die erste Landessynode der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland."
"Also für mich ist das schon ein bisschen aufregend."
"Das ist etwas sehr Außergewöhnliches. Das geschieht ja nur alle hundert Jahre. Und jetzt ist so 'ne Situation."
"Ich glaube schon, dass es bei vielen Leuten so ein positives Grundgefühl gibt. Dass man was Neues entdeckt."
"Die erste Sitzung dieser Landessynode ist schon was Bedeutendes, aber es ist ein bisschen auch Geschäft wie immer."
"Ich finde es schon wichtig, sich bewusst zu machen, dass man Anteil hat an der Gründung einer neuen Kirche."
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, kurz: EKM, ist, sehr grob gesagt, der Zusammenschluss der beiden Evangelischen Kirchen in den Ländern Thüringen und Sachsen-Anhalt. Die alte Landkarte zeigte schon: Die Fusion ist mindestens eine Flurbereinigung. Denn die Gebiete der beiden Kirchen, von Lutherisch Thüringen und der Kirchenprovinz Sachsen – nicht zu verwechseln mit der Sächsischen Kirche - lagen kreuz und quer zu den heutigen politischen Grenzen. Denn die Kirchen haben schlichtweg die alten preußischen Gemarkungen beibehalten und Neuerungen dickfällig ausgesessen. Zu den alten preußischer Provinzen gehörten u.a. Magdeburg, Halle und Wittenberg, aber eben auch Erfurt und Suhl. So kam es, dass zum Beispiel die Thüringische Landeshauptstadt nicht in der Thüringer Kirche lag. Bei einer Fahrt durch den Freistaat Thüringen konnte man also mehrfach die Kirchengrenzen überschreiten.
Thüringen und die Kirchenprovinz Sachsen haben nun also den Schritt vollzogen und sind eins geworden. Ein Erfolg, so sagt es der frisch gewählte Chef des Kirchenparlamentes, Wolf von Marschall. Der Chef eines Land- und Forstwirtschaftlichen Betriebes und einer Kommunikationsagentur ist gerade zum Präses der neuen Synode gewählt worden.
"Es hat damit zu tun, dass es ein großes Verständnis dafür gab, dass es nicht mit der Brechstange passieren kann, sondern dass man sich hinsetzen muss. Dass man miteinander reden muss, dass man einen gemeinsamen Weg finden muss, auch wenn es lange und länger und noch länger dauert. Und auch, wenn es mal einen Rückschlag gibt. Diese Geduld hat sehr dazu beigetragen."
Die Synodalen der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland debattieren nun in Bad Sulza - was hübsch auf der Grenze zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt liegt - ob hier ein wenig mehr Tradition der Thüringer und dort ein wenig mehr Sachsen-Anhaltisches zum Zuge kommt, oder ob in Details auch neue Elemente aufgenommen werden. Und genau dies spiegelt den Prozess der Fusion.
"Wir haben in den vergangenen Jahren ja einen sehr aufwendigen, anstrengenden, auch spannungsgeladenen Prozess des Zusammengehens beider Kirchen gehabt."
Oberkirchenrat Eberhard Grüneberg, der sympathische Pfarrer mit dem langen grauen Bart, gehört als Chef der Diakonie der Kirchenleitung an.
"Und in der Debatte war schon deutlich, dass jeder dann doch mit ein wenig Wehmut auch auf die eigenen Werte seiner eigenen Kirche geblickt hat, und immer mit ein bisschen Bangigkeit, ob sie wohl in die neue Kirche zu retten wären. Ich glaube: das ist jetzt vorbei."
Zehn Jahre lang diskutieren beide Kirchen einen sinnvollen Weg. Er sollte vernünftig sein, keine Liebesbeziehung. Er sollte konkret sein, aber auch nicht überfordern. Man einigte sich auf eine Verlobungszeit, genannt Föderation, und besiegelte 2007 mit etlichem Wenn und Aber die Hochzeit. Wenn auch die Kirchenprovinz erst im zweiten Anlauf vor dem Altar das Ja herausbrachte. Denn es ging nicht nur - wenn auch dies schon erbittert - um die Frage, wo der gemeinsame Bischof sitzt, und wo das Landeskirchenamt hinkommt. Jetzt wird der Bischof in Magdeburg sitzen, das Kirchenamt in Erfurt stehen. Sondern es ging auch um Inhalte. Lutherisch Thüringen und die aus Reformierten und Lutheranern unierte Kirchenprovinz berufen sich auf zum Teil unterschiedliche Schriften. Die Erfurter Pröbstin Elfriede Begrich hatte dies lange kritisch angemerkt. Sie beharrt auf dem Erbe der Reformierten:
"Die bleiben nicht bei den Bekenntnissen Calvins oder Luthers stehen, sondern die können sehr gut neue Bekenntnisse heute formulieren zum Verhältnis Christentum und Judentum oder so. Das ist eine Bekenntnisfrage. Die können auch eher eine Bekenntnisfrage zur Friedensfrage formulieren. Das ist mir alles sehr wichtig."
Nun sitzt die Pröbstin in der fünften Reihe des jungen Kirchenparlamentes und wird sich gewohnt engagiert in die Diskussion einmischen, wenn es um diese Fragen geht. Auch die Tatsache, dass die Rolle von Pfarrern und Pastorinnen hie und da ein ganz klein wenig anders definiert wurde, und dass das Abendmahl mit ein wenig anderen Worten formuliert werden kann, das ist nun ausdiskutiert. Nicht nivelliert. Unterschiede bleiben erhalten, was konkret bedeutet: die jungen Theologen werden nun zum Amtsantritt je nach Region vereidigt, bzw. man nennt es ‚ordiniert’.
Grüneberg: "In Halle wird auf die reformierten Bekenntnisschriften ordiniert, oder in Thüringen dann eben auf die lutherischen Bekenntnisschriften. An den Bekenntnisschriften selber ist in diesem Prozess nichts verändert worden."
Der Impuls zur Fusion kam mit der Prognose der Mitgliederentwicklung. Absehbar werden die Menschen in Thüringen und Sachsen-Anhalt weniger und älter, was bedeutet: In Jahr 2020 werden - laut Vorraussagen - nur noch 55 Prozent der jetzigen Kirchensteuermittel zur Verfügung stehen. Die Kirchen kommen also an drastischen Schnitten nicht vorbei. Mit der Fusion, der Zusammenlegung der Verwaltung soll, so die Hoffnung, schon einmal kräftig gespart werden. Langfristig.
Beispiel: Diakonie. Der nun mit 23.000 Beschäftigten größte Arbeitgeber der Region - neben der öffentlichen Hand - macht es vor, schneller übrigens als die Kirchen selbst. Er schmelzt Überbau ab. Aus drei Dienststellen bisher wird demnächst eine in Halle, sagt Diakoniechef Grüneberg.
"Mittelfristig hätten wir an jeder für sich dort Reduzierungen vornehmen müssen, weil die finanziellen Grundlagen rückläufig waren. Durch die Zusammenlegung der drei Dienststellen mussten wir einerseits zwar Personal reduzieren, wir sind von 120 auf jetzt 86 Mitarbeitende zurückgegangen."
Andererseits hält diese Struktur den demografischen Veränderungen längerfristig stand, hofft die Diakonie.
Die Synodalen arbeiten sich diszipliniert durch die Paragrafen der neuen Geschäftsordnung. Die Hälfte der Kirchenparlamentarier ist neu. Auch hier: ein personeller Schnitt. Denn die Fusion bedeutete nicht nur Kampf um Besitz und Liebgewordenes, sondern eine Chance. Viele Strukturen wurden neu angeordnet, Kompetenzen verlagert, Zuständigkeiten zum Beispiel nach dem in der Wirtschaft üblichen Corporate Governance Kodex geregelt. Jugend bekommt Mitspracherecht, Ehrenamtliche werden fester eingebunden, so sagt es der Jugendsynodale Jacob Beuchel.
"Beispiel ist, dass die Synodalen Mitglieder der Kirchenleitung ein Vetorecht haben. Also wenn die Hälfte der Synodalen Mitglieder gegen eine Entscheidung der Kirchenleitung stimmt, dann ist diese Entscheidung nichtig."
Anstrengende Jahre mit zähen Verhandlungen liegen hinter den Beteiligten. Viel wurde debattiert und gestritten. Nun, so hoffen alle, könne man wieder zur eigentlichen Arbeit zurückkehren. Eine Arbeit, die der Basis zugute kommt. Einer Basis, die von dem langen Hickhack wenig oder gar nichts mitbekommen hat, wie der Synodale Sebastian Kircheis in seiner Gemeinde in Gera erfahren hat.
"So, dass manche Leute erst heute fragen: Sagen sie mal, ich habe da irgendsowas in der Zeitung gelesen. Was ist denn da eigentlich passiert? Wir haben uns vereinigt mit den Katholiken?"
Dieser Kraftakt, so wissen es alle Beteiligten, wäre unendlich viel größer gewesen. Aber den Erfolg hätten die Synodalen gewiss weniger nüchtern gefeiert.
Von Almuth Knigge
Der Dom zu Lübeck ist ein imposantes Gebäude. Heinrich der Löwe legte 1172 den Grundstein für eine der längsten Backsteinkirchen der Welt. 1Zwölf Jahre zuvor war der Bischofssitz von Oldenburg hierher nach Lübeck gelegt worden. Die Machtverhältnisse waren auf Jahrhunderte festgeschrieben, die Stadt blühte durch den Handel im Ostseeraum und die Lübecker waren stolz – auf ihren Reichtum – und auf ihren Bischof. 850 Jahre später soll ein weiteres historisches Ereignis stattfinden – die Zusammenführung aller protestantischen Gläubigen im deutschen Ostseeraum in einer Nordkirche. Doch während im Dom noch von "Aufeinanderzugehen" gesungen wird und die Mitglieder der Kirchensynoden aus Mecklenburg, Pommern, Schleswig-Holstein und Hamburg sich nach jedem Refrain in den Armen liegen, weil es der Liedtext so verlangt, regt sich vor der schweren Kirchenpforte der Protest:
"Ich finde das ne Frechheit, dass die das einfach noch so übergangen haben und die mehr oder weniger Atheisten in der ehemaligen Zone, die brauchen doch gar keinen Bischof. Die haben einen Knall, weil man nicht Traditionen brechen kann nur um neue Pöstchen zu schaffen."
Hilmar Baumgarten ist Mitglied der Mecklenburgischen Kirche. Der Jura-Student ist einer, der gegen die Nordkirche mobil macht.
"In einer gemeinsamen Kirche kann aufgrund der natürlichen Größenverhältnisse immer nur Nordelbien dominieren, das heißt, wir werden speziell auf unsere Situation in Mecklenburg-Vorpommern als ländliche Diaspora-Kirche zugeschnittene Entscheidungen nicht mehr so einfach bewirken können, das wird ein schwieriger Diskussionsprozess in der Synode sein, wo wir als Mecklenburger ja nur zehn Prozent der Stimmen haben werden."
Baumgarten weiß aus jeder Kirche zahlreiche Mitglieder auf seiner Seite. Gründe, gegen die große Vision einer gemeinsamen Kirche aus Ost und West zu sein, so scheint es, gibt es genauso viele wie arme Sünder auf dieser Welt. Da ist der Pastor aus Rostock:
Beste: "Wir sind der Meinung, dass diese Nordkirche nicht gut ist, viel zu früh kommt, wenn sie denn überhaupt mal kommen sollte und dass wir als Mecklenburgische Landeskirche in eine völlig ungewisse Zukunft gehen, auf die wir uns eigentlich nicht einlassen dürfen."
Und der Dompastor aus Lübeck:
Klatt: "Der Kompromiss, der jetzt ausgehandelt ist, gibt den Anschein, dass die Möglichkeit, ein großes, klares, auch symbolträchtiges Zeichen für die Einheit der zukünftigen Nordkirche zu setzen, verspielt worden ist, zerfleddert worden ist, in dem man versucht hat, verschiedene Einzelinteressen unter einen Hut zu bringen."
Vor allem die Lübecker sind sauer und drohen, den Fusionsvertrag platzen zu lassen. Sie wissen den aktuellen Ministerpräsidenten, Peter Harry Carstensen, und den ehemaligen, Björn Engholm, auf ihrer Seite. War ihnen doch der Bischofssitz im Herbst noch zugesagt worden. Damit aber gleichzeitig die Landeshauptstadt Kiel nicht zu kurz kommt, soll, im Sinne der Mitarbeiter, das Kirchenamt, die Verwaltung, in Kiel bleiben. Eigentlich wollte aber Hamburg das Kirchenamt, ein Neubau würde allerdings Millionen verschlingen, kein gutes Zeichen in Krisenzeiten – geistlich wie ökonomisch.
Von Wedel: "Und dann ging gleichzeitig die Diskussion in Mecklenburg los. Wo kommen wir denn eigentlich vor, wir sind ja gar nicht da, uns gibt´s eigentlich gar nicht."
Hennig von Wedel ist Rechtsanwalt aus Hamburg und hat als Vorsitzender des Rechtsausschusses den Fusionsvertrag mit begleitet und ausgearbeitet.
Von Wedel: "Greifswald, Hamburg, Kiel. Lübeck, Schleswig, ein Bischof übergangsweise in Schwerin, sonst nichts, im ganzen großen Mecklenburg nichts."
Wobei groß dabei relativ zu sehen ist. Mecklenburg bringt in die Kirchen-Ehe 200.000 Mitglieder mit ein, Pommern gar nur 100.000 und Nordelbien, die Kirche für Hamburg und Schleswig-Holstein hat allein 2,1 Millionen Gläubige. Als die Entscheidung für den Bischofssitz in Schwerin fiel, da sprachen die Gegner von Davids Sieg gegen Goliath .Bis in die höchsten Kreise der Politik schlugen die Wogen der Empörung hoch. Die Befürworter hingegen, wie der Schweriner Bischof Andreas von Maltzahn, sahen die Entscheidung als Signal für den Osten.
Maltzahn: "Und ich glaube, dass es auch gesamtgesellschaftlich schon ein wichtiges Zeichen gewesen ist, was die Kirche hier gesetzt hat, denn wenn man sich die bisherigen Fusionen anderer Einrichtungen anschaut, sind die leitenden Sitze alle im Westen gelandet und das ist das erste Mal, dass hier eine bedeutende Institution dann ihren Sitz im Osten haben wird."
… und dass alle Kirchen gleichberechtigt einbezogen wurden bei der Fusion. Von dieser Gleichberechtigung sind nach dem Vertrag die Beschäftigten der Kirche aber ausgenommen. Die neue Landeskirche wird mit 40.000 Angestellten ein riesiger Arbeitgeber sein, tarifrechtlich aber gespalten. Ost bekommt nach wie vor weniger als West. Der Schweriner Bischof von Maltzahn verteidigt den Kompromiss.
Maltzahn: "Ich finde, dass das eine wertvolle Tradition ist, aus der wir kommen, die auch noch ein bisschen darum weiß, dass wir ja auch das ins Verhältnis setzen müssen mit den Einkommensverhältnissen unserer Gemeindeglieder und der Menschen in den Städten und Dörfern und da ist es ja so, dass im Osten insgesamt die Einkommen geringer sind als im Westen und warum sollen wir da als Kirche uns da anders verhalten."
Die Spaltung geht aber noch viel tiefer. Viele Mecklenburger und Pommern fürchten, dass es wie bei der Wiedervereinigung nur einen Anschluss des Ostens an den Westen geben wird. Zu tief sitzt die Skepsis – auch 20 Jahre nach der politischen Wiedervereinigung. Die Kirche im Westen wird dafür einen großzügigen Finanzausgleich, fünf Prozent des Kirchensteueraufkommens, in den Osten überweisen. Auch dieser Kirchensoli ist vielen ein Dorn im Auge. Mit dem Geld sollen die Gläubigen gekauft werden, ist eine Befürchtung aus Mecklenburg. Das sagt keiner, das denken aber viele.
Grieve: "Und der Osten hat Angst, dass er vom Westen regiert wird, ja, das ist durchaus in der Bevölkerung mit dabei. Man sagt zwar, man könnte dann neue Dienste einrichten, zum Beispiel will man da eine Stelle Auseinandersetzung mit dem Atheismus, da sagen sie, wenn wir dafür Geld hätten, könnte man da mehr machen, das halte ich für Unfug."
Martin Grieve ist ein pensionierter Pastor aus Mecklenburg. Er ist vehement gegen die Nordkirche. Zu viele Unterschiede gibt es zwischen den Kirchen. Ideologische Unterschiede, geprägt durch 40 Jahre Teilung.
Grieve: "Also zum Beispiel hier legen Pastoren wert, dass sie standesgemäß bezahlt werden, also so wie andere Akademiker gleichen Ranges etwa, bei uns ist es so, dass es darauf ankommt, mit der Gemeinde im Gleichklang zu sein."
Die Kirche im Dorf lassen – das Bild spricht für sich. Die nordelbische Kirche gilt als progressiv und liberal. Die mecklenburgische als zutiefst traditionell, das Verständnis von Gemeindeleben – grundverschieden. Die Kirchen im Osten sind stolz auf ihre Tradition. Stolz darauf, maßgeblich an der friedlichen Revolution vor 20 Jahren beteiligt gewesen zu sein.
Von Wedel: "Ich glaube, dass das richtig war, aber man hat jetzt den Eindruck, ich sag den Eindruck, von außen, dass sie sich teilweise in ihr Häuschen zurückziehen und sagen, so wie früher, als die DDR noch richtig lebte, und sagen, das wichtigste ist überleben. Das wichtigste ist nicht überleben, das wichtigste ist die Botschaft nach außen tragen."
Und dass jede Seite sollte dabei ihre Stärken mit einbringen.
Von Wedel: "Wir hoffen zu lernen von unseren neuen Mitgliedern wie man in einer feindlichen Umwelt überleben kann und wir hoffen denen beizubringen, dass man auch in einer feindlichen Umwelt noch nach außen wirken kann."
Doch das mit dem aufeinander zugehen – das klappt noch nicht so ganz. Zu groß scheint das Misstrauen – vor allem im Osten.
Rathke: "Jemand hat kürzlich mal gesagt, dann wird die Kirche ja von Schwerin aus geleitet, die Nordkirche, da wird eine Kirche, die überwiegend von der Fläche, von den Menschen her, im Westen liegt vom Osten Deutschlands geleitet. Und was sagt mir das? Dass da noch ´ne Mauer ist. Und ich finde es wirklich jetzt an der Zeit, nicht mehr über den Abbau der Mauer zu reden, sondern die Schritte zu gehen."
Zu groß scheint das Misstrauen, vor allem Osten, groß auch noch der Machtanspruch in Lübeck 850 Jahre nach der Grundsteinlegung für den Dom. Dabei ist der Schweriner Dom ein Jahr älter.
Von Wedel: "Wir reden in der Christenheit davon, seit es die verschiedenen Kirchen gibt, dass wir das zusammenführen wollen, jetzt haben wir ne kleine Chance, das wenigstens hier zusammenzuführen und jetzt sagen sie wieder, das ist zu teuer, was sind denn das für Argumente, das ist albern, die sind einfach albern diese Argumente."
Die Südkirche
Von Ulrike Greim
Es ist eine staubtrockene und überaus nüchterne Angelegenheit: Im Saal eines Konferenzzentrums sitzen 84 Männer und Frauen in Reihen vor einem Präsidium und diskutieren über ihre Geschäftsordnung.
"Die bereits Mitglied der Föderationssynode waren, und das sind nicht wenige, werden daher viel Vertrautes vor allem aus der Geschäftsordnung der Föderationssynode wieder entdecken, deren Aufbau dieser Entwurf folgt."
Rechtsdezernentin Ruth Kallenbach erläutert Details. Es geht um Nominierungsverfahren und Abstimmungsmodalitäten, um Informationsflüsse und Geltungsbereiche.
"Ihnen ist vorhin eine neue Fassung ausgeteilt worden, Drucksache zwei Schrägstrich eins in Klammern neu ..."
Engagiert melden sich Menschen, treten ans Mikro und bringen Anträge, Änderungswünsche und dezente Neuerungen ein.
"Die alte Geschäftsordnung, die hatte einen Absatz vier im Paragraf eins, und da stand drinne: In die Tagesordnung sind grundsätzlich nur solche Punkte aufzunehmen, die ..."
Auf den Tischen liegen Papiere, Ordner. Draußen stehen Tee und Kaffee.
Es gibt keinen Sekt, keine Torte, keine Blaskapelle. Und doch ist dies der Auftakt einer neuen Institution. Sie ist erst ein paar Tage alt und das Ergebnis eines langen Prozesses, das Resultat einer Fusion.
Umfrage:
"Das ist die erste Landessynode der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland."
"Also für mich ist das schon ein bisschen aufregend."
"Das ist etwas sehr Außergewöhnliches. Das geschieht ja nur alle hundert Jahre. Und jetzt ist so 'ne Situation."
"Ich glaube schon, dass es bei vielen Leuten so ein positives Grundgefühl gibt. Dass man was Neues entdeckt."
"Die erste Sitzung dieser Landessynode ist schon was Bedeutendes, aber es ist ein bisschen auch Geschäft wie immer."
"Ich finde es schon wichtig, sich bewusst zu machen, dass man Anteil hat an der Gründung einer neuen Kirche."
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, kurz: EKM, ist, sehr grob gesagt, der Zusammenschluss der beiden Evangelischen Kirchen in den Ländern Thüringen und Sachsen-Anhalt. Die alte Landkarte zeigte schon: Die Fusion ist mindestens eine Flurbereinigung. Denn die Gebiete der beiden Kirchen, von Lutherisch Thüringen und der Kirchenprovinz Sachsen – nicht zu verwechseln mit der Sächsischen Kirche - lagen kreuz und quer zu den heutigen politischen Grenzen. Denn die Kirchen haben schlichtweg die alten preußischen Gemarkungen beibehalten und Neuerungen dickfällig ausgesessen. Zu den alten preußischer Provinzen gehörten u.a. Magdeburg, Halle und Wittenberg, aber eben auch Erfurt und Suhl. So kam es, dass zum Beispiel die Thüringische Landeshauptstadt nicht in der Thüringer Kirche lag. Bei einer Fahrt durch den Freistaat Thüringen konnte man also mehrfach die Kirchengrenzen überschreiten.
Thüringen und die Kirchenprovinz Sachsen haben nun also den Schritt vollzogen und sind eins geworden. Ein Erfolg, so sagt es der frisch gewählte Chef des Kirchenparlamentes, Wolf von Marschall. Der Chef eines Land- und Forstwirtschaftlichen Betriebes und einer Kommunikationsagentur ist gerade zum Präses der neuen Synode gewählt worden.
"Es hat damit zu tun, dass es ein großes Verständnis dafür gab, dass es nicht mit der Brechstange passieren kann, sondern dass man sich hinsetzen muss. Dass man miteinander reden muss, dass man einen gemeinsamen Weg finden muss, auch wenn es lange und länger und noch länger dauert. Und auch, wenn es mal einen Rückschlag gibt. Diese Geduld hat sehr dazu beigetragen."
Die Synodalen der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland debattieren nun in Bad Sulza - was hübsch auf der Grenze zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt liegt - ob hier ein wenig mehr Tradition der Thüringer und dort ein wenig mehr Sachsen-Anhaltisches zum Zuge kommt, oder ob in Details auch neue Elemente aufgenommen werden. Und genau dies spiegelt den Prozess der Fusion.
"Wir haben in den vergangenen Jahren ja einen sehr aufwendigen, anstrengenden, auch spannungsgeladenen Prozess des Zusammengehens beider Kirchen gehabt."
Oberkirchenrat Eberhard Grüneberg, der sympathische Pfarrer mit dem langen grauen Bart, gehört als Chef der Diakonie der Kirchenleitung an.
"Und in der Debatte war schon deutlich, dass jeder dann doch mit ein wenig Wehmut auch auf die eigenen Werte seiner eigenen Kirche geblickt hat, und immer mit ein bisschen Bangigkeit, ob sie wohl in die neue Kirche zu retten wären. Ich glaube: das ist jetzt vorbei."
Zehn Jahre lang diskutieren beide Kirchen einen sinnvollen Weg. Er sollte vernünftig sein, keine Liebesbeziehung. Er sollte konkret sein, aber auch nicht überfordern. Man einigte sich auf eine Verlobungszeit, genannt Föderation, und besiegelte 2007 mit etlichem Wenn und Aber die Hochzeit. Wenn auch die Kirchenprovinz erst im zweiten Anlauf vor dem Altar das Ja herausbrachte. Denn es ging nicht nur - wenn auch dies schon erbittert - um die Frage, wo der gemeinsame Bischof sitzt, und wo das Landeskirchenamt hinkommt. Jetzt wird der Bischof in Magdeburg sitzen, das Kirchenamt in Erfurt stehen. Sondern es ging auch um Inhalte. Lutherisch Thüringen und die aus Reformierten und Lutheranern unierte Kirchenprovinz berufen sich auf zum Teil unterschiedliche Schriften. Die Erfurter Pröbstin Elfriede Begrich hatte dies lange kritisch angemerkt. Sie beharrt auf dem Erbe der Reformierten:
"Die bleiben nicht bei den Bekenntnissen Calvins oder Luthers stehen, sondern die können sehr gut neue Bekenntnisse heute formulieren zum Verhältnis Christentum und Judentum oder so. Das ist eine Bekenntnisfrage. Die können auch eher eine Bekenntnisfrage zur Friedensfrage formulieren. Das ist mir alles sehr wichtig."
Nun sitzt die Pröbstin in der fünften Reihe des jungen Kirchenparlamentes und wird sich gewohnt engagiert in die Diskussion einmischen, wenn es um diese Fragen geht. Auch die Tatsache, dass die Rolle von Pfarrern und Pastorinnen hie und da ein ganz klein wenig anders definiert wurde, und dass das Abendmahl mit ein wenig anderen Worten formuliert werden kann, das ist nun ausdiskutiert. Nicht nivelliert. Unterschiede bleiben erhalten, was konkret bedeutet: die jungen Theologen werden nun zum Amtsantritt je nach Region vereidigt, bzw. man nennt es ‚ordiniert’.
Grüneberg: "In Halle wird auf die reformierten Bekenntnisschriften ordiniert, oder in Thüringen dann eben auf die lutherischen Bekenntnisschriften. An den Bekenntnisschriften selber ist in diesem Prozess nichts verändert worden."
Der Impuls zur Fusion kam mit der Prognose der Mitgliederentwicklung. Absehbar werden die Menschen in Thüringen und Sachsen-Anhalt weniger und älter, was bedeutet: In Jahr 2020 werden - laut Vorraussagen - nur noch 55 Prozent der jetzigen Kirchensteuermittel zur Verfügung stehen. Die Kirchen kommen also an drastischen Schnitten nicht vorbei. Mit der Fusion, der Zusammenlegung der Verwaltung soll, so die Hoffnung, schon einmal kräftig gespart werden. Langfristig.
Beispiel: Diakonie. Der nun mit 23.000 Beschäftigten größte Arbeitgeber der Region - neben der öffentlichen Hand - macht es vor, schneller übrigens als die Kirchen selbst. Er schmelzt Überbau ab. Aus drei Dienststellen bisher wird demnächst eine in Halle, sagt Diakoniechef Grüneberg.
"Mittelfristig hätten wir an jeder für sich dort Reduzierungen vornehmen müssen, weil die finanziellen Grundlagen rückläufig waren. Durch die Zusammenlegung der drei Dienststellen mussten wir einerseits zwar Personal reduzieren, wir sind von 120 auf jetzt 86 Mitarbeitende zurückgegangen."
Andererseits hält diese Struktur den demografischen Veränderungen längerfristig stand, hofft die Diakonie.
Die Synodalen arbeiten sich diszipliniert durch die Paragrafen der neuen Geschäftsordnung. Die Hälfte der Kirchenparlamentarier ist neu. Auch hier: ein personeller Schnitt. Denn die Fusion bedeutete nicht nur Kampf um Besitz und Liebgewordenes, sondern eine Chance. Viele Strukturen wurden neu angeordnet, Kompetenzen verlagert, Zuständigkeiten zum Beispiel nach dem in der Wirtschaft üblichen Corporate Governance Kodex geregelt. Jugend bekommt Mitspracherecht, Ehrenamtliche werden fester eingebunden, so sagt es der Jugendsynodale Jacob Beuchel.
"Beispiel ist, dass die Synodalen Mitglieder der Kirchenleitung ein Vetorecht haben. Also wenn die Hälfte der Synodalen Mitglieder gegen eine Entscheidung der Kirchenleitung stimmt, dann ist diese Entscheidung nichtig."
Anstrengende Jahre mit zähen Verhandlungen liegen hinter den Beteiligten. Viel wurde debattiert und gestritten. Nun, so hoffen alle, könne man wieder zur eigentlichen Arbeit zurückkehren. Eine Arbeit, die der Basis zugute kommt. Einer Basis, die von dem langen Hickhack wenig oder gar nichts mitbekommen hat, wie der Synodale Sebastian Kircheis in seiner Gemeinde in Gera erfahren hat.
"So, dass manche Leute erst heute fragen: Sagen sie mal, ich habe da irgendsowas in der Zeitung gelesen. Was ist denn da eigentlich passiert? Wir haben uns vereinigt mit den Katholiken?"
Dieser Kraftakt, so wissen es alle Beteiligten, wäre unendlich viel größer gewesen. Aber den Erfolg hätten die Synodalen gewiss weniger nüchtern gefeiert.