Die Fachkräfte von morgen?
Mit dem "W.I.R."-Projekt will die Stadt Hamburg rund 5.000 in der Hansestadt lebende Flüchtlingen Azubis vermitteln. "W.I.R." steht für: "Work and integration for refugees". Handwerkskammer, Ausländerbehörde, Flüchtlingszentrums und Jobcenter arbeiten dabei Hand in Hand.
Sami Saat beugt sich über den Motor eines blankpolierten weißen Cabrios. In schweren Arbeitsschuhen, Latzhose und T-Shirt prüft er Druckluftschläuche und schließt ein Diagnosegerät an:
"Ein Audi A4, S-Line, 1,8, Benziner. Inspektion. Und den Turbolader müssen wir noch einstellen."
Seit vier Jahren lebt Sami Saat in Deutschland, geboren ist er in Herat, Afghanistan. In seiner Heimat hat er sich politisch engagiert. Die ersten Drohungen seiner Gegner hat er noch ignoriert. Dann entschloss er sich zusammen mit seinen Geschwistern zur Flucht:
"Über Iran, Türkei, zu Fuß. Über Gebirge, mit dem Auto, Boot, das Meer. Dann in Griechenland gelandet und dann von Griechenland bis Deutschland war ich in einem LKW."
Als er ankam, war Sami 18 Jahre alt. Etliche Praktika hatte er schon hinter sich, etliche Bewerbungen verschickt. Als dann die Zusage des Autohauses kam, als klar war, dass es klappt mit einer Ausbildung, hat Sami Saat gefeiert. Jetzt ist er schon seit einem Jahr dabei, in einem Team, dass vielen Menschen mit Migrationshintergrund eine Chance bietet.
"Wir haben rund 24 Auszubildende insgesamt, rund 30 Prozent Migrationshintergrund, 15 aus Ländern, die als Migrationsländer bezeichnet werden."
Sprache und Kultur als Hindernis
Martin Peetz ist Serviceleiter im Autohaus. Er kümmert sich um die Azubis und weiß um die Probleme, mit denen die Neuankömmlinge zu kämpfen haben:
"Grundsätzlich erstmal das Sprachliche, dann im Endeffekt die neue Kultur und dann auch die neuen Techniken. Den in den einzelnen Ländern, wo die Flüchtlinge herkommen, eben die Fahrzeuge nicht auf diesem technischen Stand sind. Und dann müssen sie sich auch noch in die Gesellschaft hier einfügen."
Einerseits wolle man jungen Flüchtlingen eine Perspektive bieten, andererseits aber auch das gute Betriebsklima wahren.
"Wir müssen grundsätzlich darauf aufpassen, dass wir nicht überpacen, übertreiben, dass wir nicht zu stark in diesen Betrieb eingreifen und die Akzeptanz nicht beachten. Wenn die Akzeptanz irgendwann kippt, weil einfach zu viele anatolische Namen im Haus sind, dann würde hier auch eine Tendenz auftreten, die wir hier nicht haben wollen."
Die Vermittlung der Azubis läuft vor allem über das so genannte "W.I.R.-Projekt". "W.I.R." steht für: "Work and integration for refugees". Rund 5.000 in Hamburg lebenden Flüchtlingen soll es den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern.
Konzipiert wurde das Projekt von Detlef Scheele. Heute gehört er zum Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Vor einem Jahr, damals war er noch Senator für Arbeit und Soziales in Hamburg, stellte Detlef Scheele W.I.R. vor. Wichtig beim neuen Programm, so Detlef Scheele damals, sei die Zusammenarbeit mit Flüchtlingsinitiativen und der Ansatz der aufsuchenden Arbeitsberatung:
"Ich glaube einfach, dass man Menschen, die geflohen sind, mit mindestens der gleichen Intensität beraten und betreuen muss wie Langzeitarbeitslose. Wir werden in die Einrichtung gehen. Und eine erste grobe Einschätzung vorzunehmen: Was bringen die Flüchtlinge mit? Hat man eine Ausbildung abgeschlossen? Und wie ist die Lebenslage, wie ist die gesundheitliche Lage, wie ist die psychosoziale Lage?"
Keine Konkurrenz zu anderen Arbeitssuchenden
1,5 Millionen Euro lässt sich die Stadt das Projekt kosten, bei dem alle relevanten Stellen unter einem Dach zusammenarbeiten: Berater der Handwerkskammer, der Ausländerbehörde, des Flüchtlingszentrums oder dem Jobcenter.
Dass mit dem W.I.R.-Projekt hier geborenen Arbeitssuchenden Jobs streitig gemacht würden, glaubt Sönke Fock, der Leiter der Hamburger Arbeitsagentur nicht:
"Wir haben gut 15.000 offene Stellen sozialversicherungspflichtiger Art in der Arbeitsagentur Hamburg gemeldet. Ich will nur einige Bereiche nennen: Ob das der IT-Bereich ist, ob es der Pflege-Bereich ist, Soziales und Gesundheit, ob es der Bereich Hotel und Gaststätten ist, um jetzt drei Beispiele zu benennen."
Sami Saat, der Azubi im Autohaus, schließt vorsichtig die Motorhaube des Cabrios, neben ihm nickt sein Ausbilder. Mit breitem Lächeln erzählt Sami Saat, was er für das Wichtigste nach der Flucht, nach dem Ankommen in Deutschland hält:
"Hoffnung! Und nie aufgeben. Und immer versuchen, sich hier zu integrieren. Raus und versuchen, was Neues zu lernen. Und nicht immer in die Vergangenheit gucken, wie man war und was man war, was für Situationen man hinter sich hat."