Wie aus Religion Terror wird
Religion und Gewalt gingen in der Menschheitsgeschichte immer schon eine unheilvolle Allianz ein. Der Religions- und Kulturwissenschaftler Hans G. Kippenberg untersucht das Phänomen religiöser Gewalt anhand der Beispiele von Hisbollah, Hamas und israelischer Siedlerbewegung. Die religiös motivierte Gewalt geht dabei stets einher mit sozialen Konflikten.
Mit Abscheu reagieren internationale Politik und Öffentlichkeit auf Anschläge und Selbstmordattentate. Weltweit wird in diesem Zusammenhang immer von Terroristen und terroristischen Akten gesprochen. Doch diese Sprachregelung verschleiert nach Ansicht von Hans G. Kippenberg oftmals die religiösen Motive von Gewalttätern. Erfolgen Reaktionen, ohne solche Motive zu berücksichtigen, fördere das die religiös motivierte Gewalt erneut, behauptet der Bremer Religions- und Kulturwissenschaftler in seinem Buch "Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung". Für den Professor, der an deutschen und internationalen Universitäten, darunter Heidelberg, Marburg, Chicago und Princeton, gelehrt und geforscht hat, ist Terrorismus primär eine Kommunikationsstrategie.
Am Beispiel von Hisbollah, Hamas und israelischer Siedlerbewegung macht Kippenberg die Bedeutung religiöser Gewalthandlungen transparent. Er beschreibt ausführlich, wie Gewaltakteure ihre rechtswidrigen Taten in religiöse Geschichtsbilder und Handlungsmodelle einbetten. In der Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern führt das dazu, dass ein interkommunaler Konflikt nicht mehr in politischen, sozialen und territorialen Kategorien gedeutet wird, sondern auf beiden Seiten Gewaltanwendungen mit Gottes Willen gerechtfertigt werden.
In diesem Sinne deutet Kippenberg auch die Entsäkularisierung der US-Außenpolitik nach dem 11. September. Osama Bin Laden rechtfertigte die Anschläge dieses Tages unter anderem als Vergeltung für die Verletzung islamischer "heiliger Stätten" durch die USA. Präsident Bush sprach im Zusammenhang mit dem darauf proklamierten "Krieg gegen den Terror" von einem "Kreuzzug".
Der Autor beschränkt sich bei seiner Untersuchung des Phänomens religiöser Gewalt nicht nur auf die vergangenen Jahrzehnte. Für ihn beginnt die "Geschichte der Gewalt als religiöse Gemeinschaftshandlung" bereits mit den Schilderungen biblischer Opferrituale und setzt sich in der Antike und im Mittelalter fort. Religiös motivierte Tötungsrituale, so Kippenberg, dienen bis heute zur Bildung oder Erneuerung sozialer Gemeinschaftlichkeit.
Kippenberg arbeitet heraus, "dass religiöse Gewalt selten allein in religiösen Differenzen ihre Ursache hat, sondern meistens in Verbindung mit Interessengegensätzen vorkommt". Weder verursacht seiner Ansicht nach eine religiöse Gemeinschaft allein noch ein sozialer Konflikt allein Gewalthandlungen. Erst die Wechselwirkung beider Seiten produziere diese. Heute vor allem dort, wo ein schwacher Staat seiner Bevölkerung keine militärische oder soziale Sicherheit mehr bieten kann.
Der Autor erläutert auch das am Beispiel von Hisbollah und Hamas, die, ursprünglich religiöse Organisationen, zu politischen Parteien mutierten. Soziale Aktivitäten und gewalttätige Handlungen sind bei ihnen gleichermaßen von religiösen Deutungsmustern und einer heilsgeschichtlichen Konzeption bestimmt.
Wer verstehen will, warum Gewaltanwendung als Gottesdienst aufgefasst werden kann, wird in der Studie von Hans G. Kippenberg überzeugende Erklärungen finden.
Rezensiert von Carsten Hueck
Hans G. Kippenberg: Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung.
C. H. Beck Verlag, München 2008
272 Seiten. 19,90 EUR
Am Beispiel von Hisbollah, Hamas und israelischer Siedlerbewegung macht Kippenberg die Bedeutung religiöser Gewalthandlungen transparent. Er beschreibt ausführlich, wie Gewaltakteure ihre rechtswidrigen Taten in religiöse Geschichtsbilder und Handlungsmodelle einbetten. In der Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern führt das dazu, dass ein interkommunaler Konflikt nicht mehr in politischen, sozialen und territorialen Kategorien gedeutet wird, sondern auf beiden Seiten Gewaltanwendungen mit Gottes Willen gerechtfertigt werden.
In diesem Sinne deutet Kippenberg auch die Entsäkularisierung der US-Außenpolitik nach dem 11. September. Osama Bin Laden rechtfertigte die Anschläge dieses Tages unter anderem als Vergeltung für die Verletzung islamischer "heiliger Stätten" durch die USA. Präsident Bush sprach im Zusammenhang mit dem darauf proklamierten "Krieg gegen den Terror" von einem "Kreuzzug".
Der Autor beschränkt sich bei seiner Untersuchung des Phänomens religiöser Gewalt nicht nur auf die vergangenen Jahrzehnte. Für ihn beginnt die "Geschichte der Gewalt als religiöse Gemeinschaftshandlung" bereits mit den Schilderungen biblischer Opferrituale und setzt sich in der Antike und im Mittelalter fort. Religiös motivierte Tötungsrituale, so Kippenberg, dienen bis heute zur Bildung oder Erneuerung sozialer Gemeinschaftlichkeit.
Kippenberg arbeitet heraus, "dass religiöse Gewalt selten allein in religiösen Differenzen ihre Ursache hat, sondern meistens in Verbindung mit Interessengegensätzen vorkommt". Weder verursacht seiner Ansicht nach eine religiöse Gemeinschaft allein noch ein sozialer Konflikt allein Gewalthandlungen. Erst die Wechselwirkung beider Seiten produziere diese. Heute vor allem dort, wo ein schwacher Staat seiner Bevölkerung keine militärische oder soziale Sicherheit mehr bieten kann.
Der Autor erläutert auch das am Beispiel von Hisbollah und Hamas, die, ursprünglich religiöse Organisationen, zu politischen Parteien mutierten. Soziale Aktivitäten und gewalttätige Handlungen sind bei ihnen gleichermaßen von religiösen Deutungsmustern und einer heilsgeschichtlichen Konzeption bestimmt.
Wer verstehen will, warum Gewaltanwendung als Gottesdienst aufgefasst werden kann, wird in der Studie von Hans G. Kippenberg überzeugende Erklärungen finden.
Rezensiert von Carsten Hueck
Hans G. Kippenberg: Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung.
C. H. Beck Verlag, München 2008
272 Seiten. 19,90 EUR