Lehrermangel

Wie begeistern wir mehr Menschen für die Schule?

87:26 Minuten
Alte Stühle liegen in einem leeren Klassenraum herum.
Schule in Deutschland wird immer mehr zum Mangelbetrieb. Wie kriegen wir den Lehrermangel in den Griff? © Getty Images / fStop Images / Emily Keegin
Moderation: Katrin Heise |
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Das neue Schuljahr startet – und wieder fehlen zehntausende Lehrer. Was läuft da schief, dass immer weniger diesen Job machen wollen, dass viele Lehrende vorzeitig aufhören? Was muss sich ändern am System Schule, damit Lehrersein attraktiver wird? 
Schule in Deutschland wird immer mehr zum Mangelbetrieb. Zum Schuljahresbeginn fehlen bis zu 40.000 Lehrerinnen und Lehrer, warnt der Deutsche Lehrerverband. Die Folgen: Unterrichtsausfälle, gekürzte Stundenpläne – Frust auf allen Seiten. Wie kriegen wir den Lehrermangel in den Griff?

"Viele Lehrkräfte sind am Rande ihrer Kräfte"

„Deutschland hat ein Lehrerproblem“, sagt Bob Blume. Der Gymnasiallehrer für Deutsch, Englisch und Geschichte hat sich einen Namen gemacht als Netzlehrer auf YouTube. In seinem Blog behandelt er die Probleme, mit denen er und seine Kolleg*innen zu kämpfen haben: Die starren Strukturen, veraltete Lehrpläne, ungenügende Lehrmittel, eine praxisferne Lehrerausbildung und vieles mehr.

„Viele, viele Lehrkräfte sind am Rande ihrer Kräfte, können nicht mehr, verlassen jetzt schon die Schulen und reiben sich auf in dem Anspruch, möglichst viel für ihre Schüler*innen zu tun und dabei keine Unterstützung zu bekommen.“

Und da er die Schule mit ebenso viel Leidenschaft verändern will, hat Blume eine Streitschrift verfasst: "Zehn Dinge, die ich an der Schule hasse und wie wir sie ändern können“.
Seine Forderung: weniger Bürokratie, zeitgemäße Lehrerausbildung und Unterrichtsstoffe, mehr Freiraum für Lehrende und Schüler, um für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts fit zu sein.
Sein Fazit: „Ich kann absolut empfehlen, Lehrer zu werden, auch Freigeistern. Gleichzeitig sage ich: Sorgt verdammt noch mal dafür, dass diese fantastischen Leute auch an den Schulen bleiben!“

„Wir sind jenseits der roten Linie angekommen“

 „Die Länder bilden schlicht zu wenig aus“, sagt der Bildungsberater Mark Rackles. Er war von 2011 bis 2019 Staatssekretär für Bildung im Senat von Berlin und kennt das Dilemma des Lehrermangels nur zu gut. Man könne noch so viele Qualitätsinitiativen ergreifen, diese seien auch wichtig und nötig. „Aber das Ganze funktioniert nur, wenn Sie mehr Leute ins System holen.“
Das Problem: Bildung ist Ländersache – jedes Land koche sein eigenes Süppchen. Damit komme man aber nicht mehr weiter, so Rackles. „Dieses Problem können sie nur gemeinsam lösen.“ Doch dafür müssten die Länder das Problem erst einmal akzeptieren; Bayern und Baden-Württemberg hätten es zu lange ignoriert. Statt es anzupacken, würden Lehrkräfte aus anderen Bundesländern abgeworben.
Seine Analyse: „Wir sind jenseits der roten Linie angekommen.“ Deshalb fordert Mark Rackles einen verpflichtenden Staatsvertrag. „Es müsste eine länderübergreifende Kooperation im Bildungssystem geben: Es wird bundesweit ausgebildet und anschließend verteilen sich die Lehrkräfte in die Länder. Bislang macht das jedes Land für sich.“ Auch für die ebenso dringend benötigten Quereinsteiger müsse es vereinheitlichte Standards geben.
Seine Mahnung: „Lehrermangel ist kein regionales Problem, es lässt sich auch nicht kurzfristig lösen.“ Im Hinblick auf die Babyboomer, die in den nächsten Jahren als Lehrende in den Ruhestand gehen, warnt Rackles: „Das Thema wird uns noch 15, 20 Jahre beschäftigen.“

Lehrermangel: Wie begeistern wir mehr Menschen für die Schule?
Darüber diskutiert Katrin Heise am 3. September mit dem Lehrer Bob Blume und dem Bildungsberater Mark Rackles, live von 9.05 bis 11 Uhr. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de.

(sus)
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