Wie verändert Corona die Altenpflege?
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit der Heimleiterin Ursula Hönigs und dem Berater für pflegende Angehörige, Frank Schumann. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de" target="_blank" href="https://www.deutschlandfunkkultur.de/im-gespraech.969.de.html">gespraech@deutschlandfunkkultur.de. Besuchen Sie uns auch auf Facebook, Instagram und Twitter!
Gesucht: Kreative Ideen für den Infektionsschutz
83:15 Minuten
Strenge Besuchsregeln, Kontaktverboten, umfassende Hygieneauflagen: Corona hat die Pflege von alten Menschen verändert. Eine hohe Belastung für Heimbewohner, Personal, aber auch für pflegende Angehörige. Wie können wir bessere Bedingungen schaffen?
3,7 Millionen Pflegebedürftige leben in Deutschland. Ein Drittel von ihnen wird in Einrichtungen versorgt, 2,5 Millionen Menschen werden zu Hause gepflegt, davon mehr als die Hälfte durch Angehörige.
Viele Pflegeheime sind weiterhin sehr vorsichtig
Sie alle haben belastende Wochen hinter sich: mit Kontaktverboten, Besuchen auf Distanz, hinter Glasscheiben, mit strengen Hygieneauflagen. Und die Ausnahmesituation hält weiter an. Denn: 60 Prozent aller an Corona Verstorbenen sind von Pflegeheimen oder Pflegediensten betreute Menschen, so eine Studie der Universität Bremen. Das lässt viele Einrichtungen weiterhin eher vorsichtig agieren. Zu vorsichtig?
"Die Situation ist schon für nicht Demente brutal, wenn sie ihre Enkelkinder nicht sehen können", sagt Ursula Hönigs, Leiterin des Hermann-Josef-Altenheims in Erkelenz: "Was Sie da an Herzens- und Seelenschmerzen erleben können!"
Demente wiederum zögen sich angesichts der Kontaktbeschränkungen noch weiter zurück, es sei die Frage, ob sie ihre Angehörigen nach der Zeit des absoluten Besuchsverbotes überhaupt noch erkennen können. "Letztens hat jemand gesagt: 'Es ist schlimmer als der Zweite Weltkrieg. Da konnten wir wenigsten abends zusammensitzen und uns trösten'."
Ganz wichtig ist die Kommunikation
Zwar sind die strengen Kontaktverbote mittlerweile gelockert, je nach Bundesland und Heim gibt es aber immer noch sehr unterschiedliche Besuchsregelungen, weiß Ursula Hönigs aus ihrer Arbeit als Vorstandsmitglied im Deutschen Berufsverband für Altenpflege (DBVA). "Das Gute ist, dass die Heimleitung einen Gestaltungsspielraum hat. Das Negative ist, dass das Thema so angstbesetzt ist."
Ganz wichtig sei die "Kommunikation mit den Angehörigen, mit den Bewohnern, mit dem Heimbeirat. Man muss alle Maßnahmen besprechen, erklären wie sie angepasst werden können. Das ist die Basis, und die hat es uns in schwierigen Zeiten leicht gemacht, weil die Angehörigen verstanden haben, was unser Ziel ist. Aber das ist eine Herkulesaufgabe bei dieser Personaldecke."
"Die größten Herausforderungen für pflegende Angehörige sind das Wegbrechen von Unterstützungs- und Entlastungsangeboten besonders in der Tagespflege und durch die Einschränkungen in der Kurzzeitpflege", sagt Frank Schumann, Leiter der Fachstelle für pflegende Angehörige im Diakonischen Werk Berlin Stadtmitte und Vorstandsmitglied der Interessenvertretung pflegender Angehöriger "wir-pflegen".
"Viele Angehörige haben mit Freistellungen hantiert, mit unbezahltem Urlaub – mit der Folge von erheblichen finanziellen Einbußen. Das andere ist, dass es vermehrt zu Belastungen kommt, zum Teil zu Überforderung – auch mit der Gefahr der Gewalt in der häuslichen Pflege."
Es darf nicht wieder zum Lockdown kommen
In Berlin habe es vergleichsweise wenige Infektionsfälle in Altersheimen oder in der häuslichen Pflege gegeben, dennoch wurde auch hier lange ein komplettes Besuchsverbot verhängt. Für Frank Schumann eine "Holzhammer-Methode". "Wie ist das psychosoziale Wohlbefinden mit der Infektionssituation in Einklang zu bringen?" fragt er:
"Ich hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen in den stationären und teilstationären Einrichtungen ihre Aufgaben machen mit Hygienekonzepten und kreativen Ideen, wie man die Infektionssicherheit erhöhen kann. Zum Beispiel durch Pavillons oder Besuchsräume, die belüftbar sind. Oder mit mobilen Begegnungsräumen wie die aus Holland, die sich jeder auf den Hof stellen kann. Es ist wichtig, solche Konzepte im Schubfach zu haben, um sicherzustellen, dass es nicht wieder zu einem Lockdown kommen muss."
(sus)