Wie das Usutu-Virus nach Deutschland kam
Hauptsächlich Amseln, aber auch andere Vogelarten können durch das Usutu-Virus sterben, sagt Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Der zunehmende interkontinentale Reiseverkehr lasse die Wahrscheinlichkeit steigen, dass bisher unbekannte Viren sich auch hierzulande ausbreiteten.
Hanns Ostermann: Nein, ein schönes Bild ist das wirklich nicht: sie lassen die Flügel hängen, haben keine Fluchtreflexe mehr, fallen vom Ast und haben ein völlig zerzaustes Gefieder. Ist eine Amsel vom tropischen Usutu-Virus befallen, dann droht ihr dieses oder ein Ähnliches Schicksal. Neu ist das Phänomen nicht, aber zurzeit ist es wieder verstärkt zu beobachten. – Jonas Schmidt-Chanasit ist Virologe am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Ich habe ihn gefragt: Warum ist das Virus gerade für die Amsel gefährlich, oder sind auch andere Vogelarten betroffen?
Jonas Schmidt-Chanasit: Also es sind auch andere Vogelarten betroffen. Nur die Amsel nimmt man natürlich besonders wahr, weil sie eben in der Nähe von Menschen lebt: in Parkanlagen, Städten. Jeder kennt sie, sie kann leicht identifiziert werden, ist so schön schwarz, ein gelber Schnabel. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass auch andere Vögel, die aber mehr zurückgezogen leben, zum Beispiel im Röhricht wie die Grasmücken eben, auch daran versterben. Letztes Jahr hatten wir zum Beispiel auch positive Eisvögel, oder auch Stare, die positiv getestet wurden. Also es sind durchaus auch andere Vogelarten betroffen.
Ostermann: Wer ist für die Epidemie verantwortlich?
Schmidt-Chanasit: Für die Epidemie ist das Usutu-Virus verantwortlich, das eben von den Stechmücken, also hauptsächlich der nördlichen Hausmücke, auf die Vögel durch einen Mückenstich übertragen wird. Wir hatten ja das Virus erst mals 2001 außerhalb von Afrika in der Umgebung von Wien nachgewiesen. Dort hat es ja auch zum Massensterben der Amseln geführt. Wir gehen davon aus, dass eine infizierte Stechmücke mit einem Flugzeug – das ist wahrscheinlich -, oder über einen anderen Warentransport nach Europa gelangt ist. Das ist die wahrscheinlichste Variante. Eine eher unwahrscheinliche Variante ist, dass infizierte Zugvögel das Virus nach Europa verschleppt haben und dass dann diese Zugvögel hier von einer einheimischen Stechmückenart gestochen wurden. Also eine exotische Mücke ist mit dem Flugzeug nach Wien gelangt, hat dort eine Amsel gestochen und dann ist das Virus so eben nach Europa gelangt.
Ostermann: Früher waren doch diese Stiche von Stechmücken jedenfalls unbedenklich. Warum nimmt die Wirkung jetzt zu?
Schmidt-Chanasit: Zum einen habe ich das ja schon angesprochen. Der internationale, gerade der interkontinentale Reiseverkehr hat zugenommen. Das heißt, genau wie wir Menschen immer mehr zwischen den Kontinenten reisen, genauso reisen dann eben auch die Erreger mit uns, oder eben mit den Stechmücken, die wiederum in den Flugzeugen sitzen. Das ist der, wenn nicht der wichtigste Faktor zum einen, aber auch die Klimaveränderung, Klimaerwärmung. Wenn es wärmer wird, können sich diese Viren eben auch in den Stechmücken viel besser vermehren. Gerade die Temperaturen, die wir jetzt haben, sind ideal geeignet, dass sich die Viren relativ schnell auch vermehren können in den Stechmücken, und somit können sich natürlich auch mehrere Generationen von Stechmücken infizieren und haben eine sehr hohe Viruslast in sich und können damit dann effektiv wieder Vögel oder eben auch den Menschen infizieren.
Ostermann: Die toten Vögel tauchen vor allem im Süden, im Südwesten Deutschlands auf. Wie ist das zu erklären?
Schmidt-Chanasit: Der Südwesten Deutschlands ist das ideale Einfallstor für solche neuen exotischen Viren, weil es dort besonders warm ist, weil eben die Mückendichte auch besonders hoch ist in diesen Rheinauen. Sie müssen sich vorstellen: Vor 40 Jahren waren das ja richtige Plageregionen, wo man tagsüber nicht aus dem Haus gehen konnte. Das sind also Faktoren, die dort zusammenkommen, und darum finden wir gerade eben in dieser Region im Südwesten Deutschlands hauptsächlich diese neuen Viren, die auftreten in Deutschland.
Ostermann: Sie haben das Beispiel 2001 und Wien bereits genannt. Damals sind massenweise Vögel gestorben. Danach hat sich aber die Lage gebessert.
Schmidt-Chanasit: Ja.
Ostermann: Wie steht es um die Selbstheilungskräfte der Natur?
Schmidt-Chanasit: Die sind natürlich gegeben. Es dauert halt ein bisschen. In Österreich war ja der Ausbruch 2001 bis 2006. Wir haben jetzt zum Teil immer noch bestimmte Gebiete, wo die Population sich nicht so erholt hat in Österreich, und ein Ähnliches Szenario gilt für Deutschland. Das wird sich jetzt die nächsten Jahre fortsetzen, es werden Vögel sterben, es werden wieder Vögel aus anderen, nicht betroffenen Gebieten einwandern, das ist also ein dynamischer Prozess. Es ist natürlich schade für die Vogelfreunde, die natürlich sehen, wie die Vögel darunter leiden, eben versterben. Aber eigentlich ist das Natur, ein natürlicher Vorgang.
Ostermann: Und das bedeutet für den Menschen, diese Vögel nicht anzupacken.
Schmidt-Chanasit: Jetzt nicht wegen dem Usutu-Virus. Das Usutu-Virus wird jetzt nicht so übertragen, wenn man einen Vogel anfasst. Es wird ja wie gesagt nur über den Mückenstich übertragen. Aber solche Vögel können natürlich auch mal an einer Vireninfluenza, also Vogelgrippe versterben, und deswegen sollte man diese Vögel eigentlich nicht ohne Handschuhe und ohne Mundschutz anfassen, weil eben auch andere Erreger dazu führen, dass Vögel sterben können.
Ostermann: Wie gefährlich sind Infektionen mit den Usutu- und anderen Viren eigentlich für den Menschen?
Schmidt-Chanasit: Für das Usutu-Virus kann man klipp und klar sagen, gehen wir davon aus, dass die meisten Infektionen gar nicht bemerkt werden, also asymptomatisch verlaufen. In besonderen Fällen, gerade bei immungeschwächten Patienten, älteren Patienten, Patienten mit Vorerkrankungen, Krebs, Diabetes, Dialyse, dort kann es zu schwerwiegenden Erkrankungen kommen, die mit einer Gehirnentzündung einhergehen. Bei anderen Viren sieht das schon anders aus. Zum Beispiel das Denguevirus, was auch von Mücken übertragen wird, gerade jetzt in Kroatien und Frankreich die ersten Fälle, das kann zu hämorrhagischen Fiebern führen im Extremfall, und das sind dann wirklich schwerwiegende Erkrankungen, wo man also verblutet.
Ostermann: Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Schmidt-Chanasit: Ja danke.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Jonas Schmidt-Chanasit: Also es sind auch andere Vogelarten betroffen. Nur die Amsel nimmt man natürlich besonders wahr, weil sie eben in der Nähe von Menschen lebt: in Parkanlagen, Städten. Jeder kennt sie, sie kann leicht identifiziert werden, ist so schön schwarz, ein gelber Schnabel. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass auch andere Vögel, die aber mehr zurückgezogen leben, zum Beispiel im Röhricht wie die Grasmücken eben, auch daran versterben. Letztes Jahr hatten wir zum Beispiel auch positive Eisvögel, oder auch Stare, die positiv getestet wurden. Also es sind durchaus auch andere Vogelarten betroffen.
Ostermann: Wer ist für die Epidemie verantwortlich?
Schmidt-Chanasit: Für die Epidemie ist das Usutu-Virus verantwortlich, das eben von den Stechmücken, also hauptsächlich der nördlichen Hausmücke, auf die Vögel durch einen Mückenstich übertragen wird. Wir hatten ja das Virus erst mals 2001 außerhalb von Afrika in der Umgebung von Wien nachgewiesen. Dort hat es ja auch zum Massensterben der Amseln geführt. Wir gehen davon aus, dass eine infizierte Stechmücke mit einem Flugzeug – das ist wahrscheinlich -, oder über einen anderen Warentransport nach Europa gelangt ist. Das ist die wahrscheinlichste Variante. Eine eher unwahrscheinliche Variante ist, dass infizierte Zugvögel das Virus nach Europa verschleppt haben und dass dann diese Zugvögel hier von einer einheimischen Stechmückenart gestochen wurden. Also eine exotische Mücke ist mit dem Flugzeug nach Wien gelangt, hat dort eine Amsel gestochen und dann ist das Virus so eben nach Europa gelangt.
Ostermann: Früher waren doch diese Stiche von Stechmücken jedenfalls unbedenklich. Warum nimmt die Wirkung jetzt zu?
Schmidt-Chanasit: Zum einen habe ich das ja schon angesprochen. Der internationale, gerade der interkontinentale Reiseverkehr hat zugenommen. Das heißt, genau wie wir Menschen immer mehr zwischen den Kontinenten reisen, genauso reisen dann eben auch die Erreger mit uns, oder eben mit den Stechmücken, die wiederum in den Flugzeugen sitzen. Das ist der, wenn nicht der wichtigste Faktor zum einen, aber auch die Klimaveränderung, Klimaerwärmung. Wenn es wärmer wird, können sich diese Viren eben auch in den Stechmücken viel besser vermehren. Gerade die Temperaturen, die wir jetzt haben, sind ideal geeignet, dass sich die Viren relativ schnell auch vermehren können in den Stechmücken, und somit können sich natürlich auch mehrere Generationen von Stechmücken infizieren und haben eine sehr hohe Viruslast in sich und können damit dann effektiv wieder Vögel oder eben auch den Menschen infizieren.
Ostermann: Die toten Vögel tauchen vor allem im Süden, im Südwesten Deutschlands auf. Wie ist das zu erklären?
Schmidt-Chanasit: Der Südwesten Deutschlands ist das ideale Einfallstor für solche neuen exotischen Viren, weil es dort besonders warm ist, weil eben die Mückendichte auch besonders hoch ist in diesen Rheinauen. Sie müssen sich vorstellen: Vor 40 Jahren waren das ja richtige Plageregionen, wo man tagsüber nicht aus dem Haus gehen konnte. Das sind also Faktoren, die dort zusammenkommen, und darum finden wir gerade eben in dieser Region im Südwesten Deutschlands hauptsächlich diese neuen Viren, die auftreten in Deutschland.
Ostermann: Sie haben das Beispiel 2001 und Wien bereits genannt. Damals sind massenweise Vögel gestorben. Danach hat sich aber die Lage gebessert.
Schmidt-Chanasit: Ja.
Ostermann: Wie steht es um die Selbstheilungskräfte der Natur?
Schmidt-Chanasit: Die sind natürlich gegeben. Es dauert halt ein bisschen. In Österreich war ja der Ausbruch 2001 bis 2006. Wir haben jetzt zum Teil immer noch bestimmte Gebiete, wo die Population sich nicht so erholt hat in Österreich, und ein Ähnliches Szenario gilt für Deutschland. Das wird sich jetzt die nächsten Jahre fortsetzen, es werden Vögel sterben, es werden wieder Vögel aus anderen, nicht betroffenen Gebieten einwandern, das ist also ein dynamischer Prozess. Es ist natürlich schade für die Vogelfreunde, die natürlich sehen, wie die Vögel darunter leiden, eben versterben. Aber eigentlich ist das Natur, ein natürlicher Vorgang.
Ostermann: Und das bedeutet für den Menschen, diese Vögel nicht anzupacken.
Schmidt-Chanasit: Jetzt nicht wegen dem Usutu-Virus. Das Usutu-Virus wird jetzt nicht so übertragen, wenn man einen Vogel anfasst. Es wird ja wie gesagt nur über den Mückenstich übertragen. Aber solche Vögel können natürlich auch mal an einer Vireninfluenza, also Vogelgrippe versterben, und deswegen sollte man diese Vögel eigentlich nicht ohne Handschuhe und ohne Mundschutz anfassen, weil eben auch andere Erreger dazu führen, dass Vögel sterben können.
Ostermann: Wie gefährlich sind Infektionen mit den Usutu- und anderen Viren eigentlich für den Menschen?
Schmidt-Chanasit: Für das Usutu-Virus kann man klipp und klar sagen, gehen wir davon aus, dass die meisten Infektionen gar nicht bemerkt werden, also asymptomatisch verlaufen. In besonderen Fällen, gerade bei immungeschwächten Patienten, älteren Patienten, Patienten mit Vorerkrankungen, Krebs, Diabetes, Dialyse, dort kann es zu schwerwiegenden Erkrankungen kommen, die mit einer Gehirnentzündung einhergehen. Bei anderen Viren sieht das schon anders aus. Zum Beispiel das Denguevirus, was auch von Mücken übertragen wird, gerade jetzt in Kroatien und Frankreich die ersten Fälle, das kann zu hämorrhagischen Fiebern führen im Extremfall, und das sind dann wirklich schwerwiegende Erkrankungen, wo man also verblutet.
Ostermann: Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Schmidt-Chanasit: Ja danke.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.