Wie der Kriegszustand die Menschen verändert

In diesem düsteren Porträt einer Kleinstadt im Norden Israels geht es vor allem um Gewalt. Um Gewalt im ganz alltäglichen, kriminellen Sinn; aber auch um die Gewalt in den Beziehungen der Menschen untereinander. In Askenazys Roman erfährt man mehr über das Leben in Israel als aus vielen analytischen Zeitungsartikeln.
Yiftach Ashkenazi war 23 Jahre alt, als er sein erstes Buch veröffentlichte, und die "Geschichte vom Tod meiner Stadt" fand sofort Anerkennung bei Kritikern und Lesern. In diesem düsteren Porträt einer Kleinstadt im Norden Israels geht es vor allem: um Gewalt. Um Gewalt im ganz alltäglichen, kriminellen Sinn; aber auch um die Gewalt in den Beziehungen der Menschen untereinander, sexuelle Gewalt, familäre Gewalt; und es geht um das, was der Gewalt vorausgeht.

"Es ist immer schwer, die Gewalt in der Stadt zu sehen. So wie es scher zu verstehen ist, wie gewalttätig ein Mensch ist, wenn man ihn zum ersten Mal trifft."

Eine Gesellschaft im Kriegszustand, wie die israelische, verändert sich. Jeder Mensch, der in einer solchen Gesellschaft im Kriegszustand lebt, verändert sich. Diesen manchmal drastischen, manchmal schleichenden Veränderungen geht Ashkenazi nach, indem er eine Reihe von Lebensläufen, Personenskizzen und Situationen lose und vielseitig miteinander verknüpft.

Das Ganze ergibt so etwas wie ein Muster: Das Gefühl des Gefährdetseins bestätigt sich in jedem dieser Leben. Nur das die Gefahr immer woanders her kommt, als von dort wo man sie erwartet.

Jeder scheint eine potentielle Zeitbombe zu sein. Der kleinstädtische Alltag voller Angst und Liebe, voller Hass und Sorge, scheint ungeordnet und doch voller Zwang, es herrscht eine seltsame moralischer Beliebigkeit.

In der Lakonie seiner Sprache ist Ashkenazi nah an den amerikanischen Meistern der Kurzgeschichte. Fast lapidar wird Auskunft gegeben über das, was den Figuren zustößt: Nicht immer erfährt man es von den Personen selbst, manchmal erzählt auch ein anderer, en passant, dass der kleine Sohn des um das Sorgerecht streitenden Paares ermordet wurde, oder dass der einstige Boss der Jugendclique ziemlich verstört aus der Armee zurückgekehrt ist.

Mit diesen raschen Perspektivwechseln hebt Ashkenazi seinen Roman von der individuellen Ebene auf eine gesellschaftliche: Das Mosaik aus Biografien fügt sich zu einem schrilles Panorama der Verstörung.

Ein zentrales Thema ist "das Militär". Die Jahre, die jeder junge Mann, und jede junge Frau dort verbringt, bedeuten für viele entweder Verrohung oder Traumatisierung; oder beides.

Die Schlangen an den Checkpoints, die Ruinen und das arabische Dorf jenseits der Mauer: all das findet in diesem Buch Erwähnung als Teil des Alltags. Und dieser Alltag schließt sich im Lauf der Lektüre immer enger um den Leser, überträgt auch auf ihn die Atmosphäre der Gewalt, der Aggression, der Bedrohung.

Mit diesem Roman eines talentierten und sensiblen Debütanten erfährt man mehr über das Leben in Israel zur Zeit der zweiten Intifada als aus vielen analytischen Zeitungsartikeln.


Rezensiert von Katharina Döbler

Yiftach Askenazy: Die Geschichte vom Tod meiner Stadt
Aus dem Hebräischen von Barbara Linner.
Sammlung Luchterhand, Frankfurt am Main 2007, 127 Seiten, 7 Euro