Wie der Sicherheitswahn den Rechtsstaat ruiniert
Nach dem 11. September 2011 wurden weltweit Antiterrorgesetze verabschiedet, um die Bürger besser zu schützen. Doch dieses Mehr an Sicherheit beschränkt die Rechte einzelner Bürger, auch unschuldiger, wie die Dokumentarfilmerin Marita Neher in ihrem neuen Buch zeigt.
Manchmal kommen Bücher genau im passenden Moment. "Albtraum Sicherheit" ist so eins. Gerade bricht sich im "Prisma" von NSA & Co noch das letzte Restlicht der Illusion, Orwells "1984" sei bloß eine böse Diktatur-Parabel. Ausgerechnet die mächtigste Demokratie der Welt hat die größte Datensammlung der Welt zusammengegaunert. Jetzt weiß alle Welt: Big Data hat Big Brother entthront.
Marita Neher ist keine x-te interessierte Expertin, die allein durch ihre fugenlose Rhetorik verrät, wes Lied sie singt. Ihr Interesse am Thema ist vielmehr das einzige eindeutig noble: das der Staatsbürgerin, die alarmiert ist über den Abbau bürgerlicher Sicherheiten, also der zivilen Errungenschaft namens Demokratie, in der die Freiheit des Individuums das höchste Gut und durch rechtsstaatliche Prinzipien und Praktiken geschützt ist. Die Unschuldsvermutung, zum Beispiel.
Bei Neher schrillen erste Alarmglocken, als sie mit Nils Bökamp an einer Dokumentation zum zehnten Jahrestag von 9/11 arbeitet. Sie ist eine erfahrene Filmerin, hat im Kongo, in Afghanistan, Guatemala, Burma gedreht. "Immer wieder war ich glücklich, wenn ich nach Deutschland zurückkehrte", schreibt sie.
Das ändert sich, als sie 2011 durch Europa reist und Sicherheitsakteure wie die Chefs von BKA und Europol interviewt, aber auch Anwälte, Bürgerrechtler, Wissenschaftler und einige Opfer des Sicherheitswahns. Menschen, die zum Teil jahrelang einfach weggesperrt, womöglich gefoltert und stets mit einem Konglomerat von "Beweisen" traktiert wurden, das sich hinterher als haltlos erwies.
Da war dann einiges in ihrem Leben ruiniert – neben Gesundheit, Ehen, Karrieren auch das Vertrauen in den Rechtsstaat: Er hat die Unschuldsvermutung ins Gegenteil verkehrt. Neher ist schockiert. Ihr eigenes "bis dahin großes Vertrauen", schreibt sie, "konnte ich danach nur noch als ziemlich naiv bewerten."
Marita Neher ist keine x-te interessierte Expertin, die allein durch ihre fugenlose Rhetorik verrät, wes Lied sie singt. Ihr Interesse am Thema ist vielmehr das einzige eindeutig noble: das der Staatsbürgerin, die alarmiert ist über den Abbau bürgerlicher Sicherheiten, also der zivilen Errungenschaft namens Demokratie, in der die Freiheit des Individuums das höchste Gut und durch rechtsstaatliche Prinzipien und Praktiken geschützt ist. Die Unschuldsvermutung, zum Beispiel.
Bei Neher schrillen erste Alarmglocken, als sie mit Nils Bökamp an einer Dokumentation zum zehnten Jahrestag von 9/11 arbeitet. Sie ist eine erfahrene Filmerin, hat im Kongo, in Afghanistan, Guatemala, Burma gedreht. "Immer wieder war ich glücklich, wenn ich nach Deutschland zurückkehrte", schreibt sie.
Das ändert sich, als sie 2011 durch Europa reist und Sicherheitsakteure wie die Chefs von BKA und Europol interviewt, aber auch Anwälte, Bürgerrechtler, Wissenschaftler und einige Opfer des Sicherheitswahns. Menschen, die zum Teil jahrelang einfach weggesperrt, womöglich gefoltert und stets mit einem Konglomerat von "Beweisen" traktiert wurden, das sich hinterher als haltlos erwies.
Da war dann einiges in ihrem Leben ruiniert – neben Gesundheit, Ehen, Karrieren auch das Vertrauen in den Rechtsstaat: Er hat die Unschuldsvermutung ins Gegenteil verkehrt. Neher ist schockiert. Ihr eigenes "bis dahin großes Vertrauen", schreibt sie, "konnte ich danach nur noch als ziemlich naiv bewerten."
Fehler trüben den Inhalt
Die naive Bürgerin als spannende Ausgangsfigur für eine Ich-Erzählung über Recherchen und Erkenntnisse, gespickt mit Zahlen und Fakten und immer wieder Fragen. Sie kreisen um ein Prinzip, das nur Demokratien kennen: das Austarieren von Freiheit und Sicherheit. Gute Fragen, aber leider bleibt die Erzählerin allzu naiv, scheint zum Beispiel noch immer an den Primat der Politik zu glauben, der "ökonomische Interessen auf den Plan" rufen kann.
Nun ist auf kaum einem Feld die Frage nach Henne oder Ei so klar beantwortet. Und so erfahren wir leider nichts über die realen Triebkräfte hinter den Interessen und Geschäften mit einer "Sicherheit", die nach 9/11 auf Kriegskurs gebracht wurde und just die Freiheiten zerstört, die sie gegen ihre Feinde zu schützen behauptet. Selbstmord aus Angst vorm Sterben, nennen Orwells (und Kafkas) Nachfahren das sarkastisch.
Leider hat auch kein Lektorat Konjunktivschwäche und allerlei Ungenauigkeiten und Fehler behoben. Schade für die gute produktive Unruhe, die Marita Nehers "Buch zum Film" den Lesern eigentlich vermittelt: Auf der Demokratie kann man sich nicht ausruhen, Leute, wir müssen was tun für unser Land!
Besprochen von Pieke Biermann
Nun ist auf kaum einem Feld die Frage nach Henne oder Ei so klar beantwortet. Und so erfahren wir leider nichts über die realen Triebkräfte hinter den Interessen und Geschäften mit einer "Sicherheit", die nach 9/11 auf Kriegskurs gebracht wurde und just die Freiheiten zerstört, die sie gegen ihre Feinde zu schützen behauptet. Selbstmord aus Angst vorm Sterben, nennen Orwells (und Kafkas) Nachfahren das sarkastisch.
Leider hat auch kein Lektorat Konjunktivschwäche und allerlei Ungenauigkeiten und Fehler behoben. Schade für die gute produktive Unruhe, die Marita Nehers "Buch zum Film" den Lesern eigentlich vermittelt: Auf der Demokratie kann man sich nicht ausruhen, Leute, wir müssen was tun für unser Land!
Besprochen von Pieke Biermann
Marita Neher: Albtraum Sicherheit. Interessen und Geschäfte hinter der Sicherheitspolitik
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2013, Jahr
240 Seiten, 14,99 Euro
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2013, Jahr
240 Seiten, 14,99 Euro