Wie die Kunst nach Kassel kam
Die nächste Documenta, die XII., findet in zwei Jahren statt. Und der künstlerische Leiter, Roger M. Buergel, will sich in seinem Konzept auf die Inszenierungstechnik der ersten Documenta aus dem Jahre 1955 beziehen. Diese nun schon legendäre Documenta I wurde heute vor 50 Jahren eröffnet.
Längst steht sie im Ruf, die größte und bedeutendste Kunstausstellung der Welt zu sein. Die Documenta hat seit 1955 Kunstgeschichte geschrieben und ist zum wichtigsten Forum zur kritischen Sichtung zeitgenössischer Kunst geworden.
Wie erfindet man eine Documenta? Sie wäre niemals ohne Arnold Bode zustande gekommen. Bode, gestorben 1977, war künstlerisches Urgestein, Maler, Möbeldesigner, Städteplaner und Ausstellungsarchitekt. Die Nationalsozialisten hatten ihn mit Berufsverbot belegt. Diese Vorgeschichte erklärt, warum Bode nach 1945 in seiner Heimatstadt Kassel so aktiv wurde:
" Ich musste aus Kassel etwas machen, um nicht unterzugehen. "
Der Besuch der Picasso-Ausstellung 1953 in Mailand im noch zerstörten, als Kriegsruine konservierten Palazzo Reale, gab die Initialzündung: Beeindruckt von dem Ambiente, in dem sich Picassos "Guernica" dramatisch entfalten konnte, dachte Bode gleich an Kassels berühmteste Ruine, das Museum Fridericianum.
Bodes Mitstreiter und Vordenker, der Kunsthistoriker Werner Haftmann, hatte damals gerade sein Standardwerk über die "Malerei im 20. Jahrhundert" veröffentlicht:
" Was mich persönlich anbelangt, so erinnere ich mich mit großer Freude an jenen Herbst im Jahre 1954, als mein Freund Arnold Bode in Venedig, wo ich damals lebte, auftauchte und mir eben von diesen prächtig-mächtigen Ruinen vorschwärmte. Und aus dieser wirklich so ganz spontanen Begeisterung entstand die Idee. Wir machten uns denn also gleich auch auf den Weg. Und so entstand das aus freundschaftlicher Beziehung, aus Gesprächen, aus ständigen Atelierbesuchen, nahm diese Idee wirklich Fleisch und Blut an und so ist damals die Documenta Nummer 1 zustande gekommen. "
Der Stadt Kassel war die Documenta oft lästig. Heute weiß kaum noch jemand, wie viele Querelen ihre Gründerzeit begleiteten. Werner Haftmann:
" Wir konnten tun und lassen, was wir wollten - gegen doch eine gewisse Stimmung in der Öffentlichkeit, die oft genug danach rief, nun uns, diesem kleinen Team, mal endlich das Handwerk zu legen. "
Kassel war Provinz, lag im so genannten "Zonenrandgebiet", über 70 Prozent der Innenstadt waren zerstört. Die Documenta, ursprünglich als Anhängsel zu einer Bundesgartenschau konzipiert, ist aber nicht einfach als eine längst fällige, internationale Informationsausstellung zu quittieren. Was Bode und Haftmann mit der ersten Documenta gelang, war zugleich deutsche Vergangenheitsbewältigung: Die im Dritten Reich verfemte, dem Publikum ferngehaltene Moderne, konnte jetzt in Kassel besichtigt werden.
Der Kunstkritiker Alfred Nemeczek, der in Bodes Documenta-Sekretariat lernte, erinnert sich
" an die überwältigende Inszenierung der Gemälde und Skulpturen im unverputzten, weiß gekalkten Ziegelgemäuer des Fridericianums, mit Punktstrahlern, Lichtbrücken, selbst entworfenen Ruhebänken und faltenreichen Kunststoff-Bahnen, die das Tageslicht filterten. "
Die Magie der Räume hypnotisierte. Nur ein Künstler wie Bode konnte sie herstellen.
Die großen Museen und Galerien aus Paris, New York und Amsterdam hatten Leihgaben ins Provisorium geschickt. Die Phalanx der Klassiker reichte von Klee bis Kandinsky, Picasso, Léger, Chagall, Beckmann, Matisse und Mondrian. Unter den jungen Künstlern: Meistermann, Nay, Hartung oder Vedova, deren abstrakte Malerei die Gemüter erhitzte. Warum es 1955 gelingen konnte, in Kassel die Documenta zu etablieren, erklärte Bode so:
" Ich bin der Meinung, dass die Documenta 1 ein Versuch war, und dieses Wagnis - man kann wirklich sagen, dass wir damals einen Ritt über den Bodensee gewagt haben - gelungen ist, weil die Anerkennung von draußen kam, das heißt von der internationalen Presse und der deutschen Presse und die Besucher kamen, was erstaunlich war. In diesem leeren Raum Deutschland war auf einmal das geschehen, was wir gar nicht erwartet haben, dass die Menschen durstig und hungrig waren, das zu sehen, was damals, in der furchtbaren Zeit, nicht getan wurde. "
Die erste Documenta lockte 134.850 Besucher an. Das war sensationell. Doch nicht die Bundesgartenschau-Besucher kamen, sie zogen am Fridericianum vorbei, beobachtete Alfred Nemeczek: Stattdessen zeigte die Fachwelt skeptische Neugier:
" Europäische und amerikanische Museumsdirektoren, Künstler und Kunstgelehrte, Galeristen, Sammler, Kulturpolitiker, Verleger und Journalisten. Eine Zielgruppe, die bisher nur die Biennale Venedigs als Weltausstellung der aktuellen Kunst akzeptierte, machte nun zum ersten Mal Station in Kassel. "
Wie erfindet man eine Documenta? Sie wäre niemals ohne Arnold Bode zustande gekommen. Bode, gestorben 1977, war künstlerisches Urgestein, Maler, Möbeldesigner, Städteplaner und Ausstellungsarchitekt. Die Nationalsozialisten hatten ihn mit Berufsverbot belegt. Diese Vorgeschichte erklärt, warum Bode nach 1945 in seiner Heimatstadt Kassel so aktiv wurde:
" Ich musste aus Kassel etwas machen, um nicht unterzugehen. "
Der Besuch der Picasso-Ausstellung 1953 in Mailand im noch zerstörten, als Kriegsruine konservierten Palazzo Reale, gab die Initialzündung: Beeindruckt von dem Ambiente, in dem sich Picassos "Guernica" dramatisch entfalten konnte, dachte Bode gleich an Kassels berühmteste Ruine, das Museum Fridericianum.
Bodes Mitstreiter und Vordenker, der Kunsthistoriker Werner Haftmann, hatte damals gerade sein Standardwerk über die "Malerei im 20. Jahrhundert" veröffentlicht:
" Was mich persönlich anbelangt, so erinnere ich mich mit großer Freude an jenen Herbst im Jahre 1954, als mein Freund Arnold Bode in Venedig, wo ich damals lebte, auftauchte und mir eben von diesen prächtig-mächtigen Ruinen vorschwärmte. Und aus dieser wirklich so ganz spontanen Begeisterung entstand die Idee. Wir machten uns denn also gleich auch auf den Weg. Und so entstand das aus freundschaftlicher Beziehung, aus Gesprächen, aus ständigen Atelierbesuchen, nahm diese Idee wirklich Fleisch und Blut an und so ist damals die Documenta Nummer 1 zustande gekommen. "
Der Stadt Kassel war die Documenta oft lästig. Heute weiß kaum noch jemand, wie viele Querelen ihre Gründerzeit begleiteten. Werner Haftmann:
" Wir konnten tun und lassen, was wir wollten - gegen doch eine gewisse Stimmung in der Öffentlichkeit, die oft genug danach rief, nun uns, diesem kleinen Team, mal endlich das Handwerk zu legen. "
Kassel war Provinz, lag im so genannten "Zonenrandgebiet", über 70 Prozent der Innenstadt waren zerstört. Die Documenta, ursprünglich als Anhängsel zu einer Bundesgartenschau konzipiert, ist aber nicht einfach als eine längst fällige, internationale Informationsausstellung zu quittieren. Was Bode und Haftmann mit der ersten Documenta gelang, war zugleich deutsche Vergangenheitsbewältigung: Die im Dritten Reich verfemte, dem Publikum ferngehaltene Moderne, konnte jetzt in Kassel besichtigt werden.
Der Kunstkritiker Alfred Nemeczek, der in Bodes Documenta-Sekretariat lernte, erinnert sich
" an die überwältigende Inszenierung der Gemälde und Skulpturen im unverputzten, weiß gekalkten Ziegelgemäuer des Fridericianums, mit Punktstrahlern, Lichtbrücken, selbst entworfenen Ruhebänken und faltenreichen Kunststoff-Bahnen, die das Tageslicht filterten. "
Die Magie der Räume hypnotisierte. Nur ein Künstler wie Bode konnte sie herstellen.
Die großen Museen und Galerien aus Paris, New York und Amsterdam hatten Leihgaben ins Provisorium geschickt. Die Phalanx der Klassiker reichte von Klee bis Kandinsky, Picasso, Léger, Chagall, Beckmann, Matisse und Mondrian. Unter den jungen Künstlern: Meistermann, Nay, Hartung oder Vedova, deren abstrakte Malerei die Gemüter erhitzte. Warum es 1955 gelingen konnte, in Kassel die Documenta zu etablieren, erklärte Bode so:
" Ich bin der Meinung, dass die Documenta 1 ein Versuch war, und dieses Wagnis - man kann wirklich sagen, dass wir damals einen Ritt über den Bodensee gewagt haben - gelungen ist, weil die Anerkennung von draußen kam, das heißt von der internationalen Presse und der deutschen Presse und die Besucher kamen, was erstaunlich war. In diesem leeren Raum Deutschland war auf einmal das geschehen, was wir gar nicht erwartet haben, dass die Menschen durstig und hungrig waren, das zu sehen, was damals, in der furchtbaren Zeit, nicht getan wurde. "
Die erste Documenta lockte 134.850 Besucher an. Das war sensationell. Doch nicht die Bundesgartenschau-Besucher kamen, sie zogen am Fridericianum vorbei, beobachtete Alfred Nemeczek: Stattdessen zeigte die Fachwelt skeptische Neugier:
" Europäische und amerikanische Museumsdirektoren, Künstler und Kunstgelehrte, Galeristen, Sammler, Kulturpolitiker, Verleger und Journalisten. Eine Zielgruppe, die bisher nur die Biennale Venedigs als Weltausstellung der aktuellen Kunst akzeptierte, machte nun zum ersten Mal Station in Kassel. "