Wie die Kunstwelt auf den Krieg reagiert
Forderung nach Frieden: Wie hier in Osnabrück kommt es vielerorts zu Demonstrationen. © picture alliance/dpa | Friso Gentsch
Auch Solidaritätsbekundungen sind wichtig!
05:47 Minuten
Auch in Russland werden die Stimmen, die den Krieg verurteilen, immer lauter – trotz repressiver Gesetze. Währenddessen droht Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter dem Chefdirigenten der städtischen Philharmoniker, Valery Gergiev, mit Kündigung.
Elena Kovalskaya, die Intendantin des Moskauer Meyerhold Theater- und Kulturzentrums, erklärte auf Facebook ihren Rücktritt mit den Worten, dass man unmöglich ein Gehalt von einem Mörder beziehen könne.
Auch in der Berliner Theaterszene formiert sich Widerstand gegen Putins Angriffskrieg,
wie Birgit Lengers berichtet
, die am Deutschen Theater Berlin das Festival Radar Ost kuratiert: So plane man gemeinsamen mit freien Theatern am 1. März eine Solidaritäts- und Benefizveranstaltung im und vor dem Deutschen Theater. Neben einer Lesung und einem Konzert soll es auch um konkrete Hilfe für befreundete Künstlerinnen und Künstler in der Ukraine gehen, für die man Geld sammeln wolle.
Auch Jelzin-Zentrum distanziert sich vom Krieg
Lengers ist im ständigen Kontakt mit Künstlerinnen und Künstlern aus Russland und der Ukraine und berichtet: „Alle sagen, dass unsere Solidaritätsbekundungen, wo wir immer das Gefühl haben, man kann eigentlich gerade gar nicht so viel machen, doch sehr wichtig und bedeutend sind, also, den Support auch aus Deutschland zu bekommen.“
Aber auch die Leitung des Jelzin-Zentrums in Jekaterinburg, eines der modernsten Museen Russlands, hat sich kritisch zum Angriffskrieg geäußert, wie Russland-Expertin
Gesine Dornblüth berichtet
. Auf seiner Webseite erklärt das Zentrum: „Die Verantwortung liegt bei uns als den Bürgern der stärkeren Seite. Wir rufen dazu auf, die Kriegshandlungen sofort zu stoppen.“ Das Jelzin-Zentrum wird teilweise vom russischen Staat finanziert.
Der Rapper Oxxximoron verurteilt den Krieg
Zudem gibt es in den sozialen Medien immer mehr prominente Stimmen, die sich gegen den Krieg positionieren. Der in Russland und der Ukraine beliebte Rapper Oxxximoron veröffentlichte auf Youtube ein Video, in dem er den aktuellen Krieg mit anderen Kriegen zuvor vergleicht:
"Die Geschichte der Kriege im Irak, in Afghanistan, die Bomben auf Belgrad können in keiner Weise rechtfertigen, was heute passiert. Wir müssen noch Lehren daraus ziehen. Aber ich verstehe nicht, warum wir uns darin übertreffen sollten, wer schlimmer ist. Wir müssen doch versuchen, besser zu sein, statt die Fehler und Verbrechen anderer zu benutzen, um Fehler und Verbrechen zu rechtfertigen, die wir heute begehen. So sehr sie uns auch versuchen zu erklären, dass das keine Aggression ist, sondern Verteidigung. Die Ukraine ist nicht auf russisches Gebiet vorgedrungen, sondern Russland bombardiert einen souveränen Staat."
Antikriegspetition zählt 500.000 Unterstützer
Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklären in einem Protestschreiben, dies sei kein gerechtfertigter Krieg. Sie beklagen zudem, Russland sei heute ein Pariastaat, wodurch internationale Zusammenarbeit unmöglich werde, so Dornblüth. Darüber hinaus zählt eine Petition des bekannten Menschenrechtsaktivisten Lew Ponomarjow mittlerweile über eine halbe Million Unterstützer.
Währenddessen wird es für russische Journalisten immer schwieriger, objektiv über den Krieg zu berichten. „Es gab gestern die Anweisung der russischen Aufsichtsbehörde, dass nur noch Informationen aus offiziellen russischen Quellen verwendet werden dürfen in der Berichterstattung über den Krieg. Da ist dann also auch nicht von einem Krieg die Rede, sondern die Kollegen müssen dann von einer Sonderoperation – ich paraphrasiere jetzt mal – zur Befreiung der ukrainischen Bevölkerung von der Nazi-Herrschaft schreiben“, sagt Dornblüth.
Kritische Journalisten werden ausgeschlossen
Wer dem nicht nachkommt, werde wegen Unprofessionalität aus dem Pool des russischen Außenministeriums ausgeschlossen. Das zeige das Beispiel von Jelena Tschernenko, einer bekannten außenpolitischen Korrespondentin der russischen Tageszeitung „Kommersant“, so Dornblüth.
Und in München droht Oberbürgermeister Dieter Reiter dem Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker Valery Gergiev mit Kündigung, sollte dieser sich nicht bis Montag von Wladimir Putin distanzieren.
Wie umgehen mit Valery Gergiev?
Gergiev sei nicht nur ein Stardirigent, sondern verdanke seine Karriere auch dem Kreml,
erklärt unser Musikredakteur Rainer Pöllmann
:
„Er ist politisch unterwegs. Er macht Wahlkampf für Putin. Er unterstützte 2014 explizit die Besetzung der Krim. Er unterstützte explizit das russische Gesetz, das auch nur jede Information über queere Sexualität und Homosexualität unter Strafe stellt. Er dirigiert jede Menge staatliche Festkonzerte, und er dirigierte auch das – finde ich – ein bisschen unanständige Siegeskonzert in Palmyra nach der Befreiung vom Islamischen Staat, im Grunde ein russisches Propagandakonzert. Das heißt: Valery Gergiev ist Politiker. Er positioniert sich als Politiker, und daran muss er sich dann eben auch messen lassen.“
Es gehe in diesem Fall also nicht um Gesinnungsschnüffelei, sondern um seine öffentlichen Stellungnahmen, sagt Rainer Pöllmann.
(ckr)